SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2007, Seite 19

Flags of our Fathers, USA 2006, Regie: Clint Eastwood. Mit: Ryan Phillippe, Jesse Bradford, Adam Beach .a. (Bereits angelaufen.)

Letters from Iwo Jima, USA 2006, Regie: Clint Eastwood. Mit: Ken Watanabe, Kazunari Ninomiya u.a. (Bereits angelaufen.)

Clint Eastwood hat einen Doppelfilm über die Schlacht von Iwo Jima gedreht. Einmal aus US-amerikanischer und einmal aus japanischer Sicht. Im Mittelpunkt stehen dabei die Soldaten und ihre Verwertung durch die staatliche Ideologie und Propaganda.
Die Schlacht um Iwo Jima fand vom 19.Februar bis zum 16.März 1945 statt. In ihrem Verlauf fanden etwa 21000 japanische und 7000 US- amerikanische Soldaten den Tod. Sie gehört zu den blutigsten Schlachten im Pazifik während des Zweiten Weltkriegs. Das etwa 1000 km südöstlich von der japanischen Hauptinsel Honshu entfernt gelegene 20 km2 große Eiland ist die größte der japanischen Vulkaninseln. Es wurde u.a. deshalb von den Japanern so erbittert verteidigt, weil die USA in Iwo Jima erstmals direkt auf dem Boden des japanischen Mutterlands Truppen an Land setzten.
Für die patriotische Ikonografie der USA ist die Insel wichtig, weil auf ihrer höchsten Erhebung ein berühmtes Bild entstand: Sechs Marines hissen dort die Flagge der USA. Es ist wohl das berühmteste Bild aus dem Zweiten Weltkrieg im Pazifik und diente als Vorlage für das Denkmal für das US Marine Corps auf dem Friedhof Arlington. Dementsprechend lautet der Titel des ersten Films, der aus der Sicht US-amerikanischer Soldaten erzählt wird, Flags of our Fathers. Hauptpersonen dieser Geschichte sind eben die US-Soldaten, die an der berühmten Flaggenhissung auf Iwo Jima beteiligt waren.
Dieser Film erzählt zwei Geschichten. Einmal die Geschichte der Schlacht aus der Sicht einer Gruppe von US-Marines. Dann die Geschichte der drei Überlebenden dieser Gruppe, die nach der Schlacht durch die USA touren, um mit ihrer Heldentat, der Flaggenhissung, Propaganda für die Zeichnung neuer Kriegsanleihen zu machen.
Der Film bemüht sich dabei zunächst um historische Authentizität, indem er versucht zu rekonstruieren, wie das Aufstellen der Flagge wirklich vor sich ging. Es gab nämlich zwei Aufstellungen der Flagge, aber nur eine wurde gefilmt. Die drei Soldaten, die die Propagandatournee machen, gehören zur ersten Gruppe, insofern sind sie also authentisch.
Der Film wird nicht chronologisch erzählt. Die Geschichte der Schlacht und die ihrer propagandistischen Verwertung werden durch Rückblenden ineinander verwoben. Dadurch wird der Kontrast zwischen dem grausamen Geschehen auf der Insel und der verharmlosenden Propagandashow besonders hervorgehoben. Der fragliche Berg auf Iwo Jima, dessen Eroberung Hunderte Menschenleben kostete, wird im Baseballstadion zum Pappmachehügel, auf dem die Aufstellung der Flagge unter begeistertem Beifall nachgestellt wird. So wird die schreckliche Realität in der propagandistischen Verwertung zur Groteske. Den Beteiligten ist dies völlig klar. Die zivilen und militärischen Organisatoren der Show handeln nach dem Motto "Der Zweck heiligt die Mittel", da die USA angeblich vor dem Bankrott stehen und irgendwie neue Kriegskredite eingetrieben werden müssen.
Der patriotische Mythos wird aber im Film nur bedingt dekonstruiert. Wenn auch seine Herstellung akribisch dargestellt wird und wenn auch deutlich gezeigt wird, wie die "Helden" der Show, die drei einfachen Soldaten, die die Fahne aufgepflanzt haben, daran zerbrechen, so kommt der Film doch nicht zu der Bewertung, dass solche Inszenierungen grundsätzlich abzulehnen seien. Er betont an manchen Stellen, dass ein Land in bestimmten Situationen bestimmte Bilder braucht, um zu überleben. Er hat also keine Botschaft, sondern nur die zwiespältige Nachricht, dass manchmal auch gelogen werden muss, um den Feind — in diesem Fall Nazideutschland und sein Verbündeter Japan — zu besiegen.
Der zweite Film Letters from Iwo Jima ist weniger bemerkenswert. Er konzentriert sich auf das Geschehen auf der Insel. Hauptperson ist ein einfacher japanischer Soldat, im zivilen Beruf Bäcker, der als Einziger seiner Einheit überleben wird. Die Schrecken des Krieges und die Grausamkeit vieler japanischer Offiziere gegen ihre Untergebenen werden eindrucksvoll geschildert. Aber im Gegensatz zum ersten Film erfährt man wenig über die politischen Hintergründe. Der Film wird zwar anhand von Briefen erzählt, die die Soldaten in die Heimat schicken, aber über die dortigen Zustände erfährt man nur in wenigen kurzen Rückblenden etwas. Dass Japan zu dieser Zeit ein dem europäischen Faschismus durchaus ähnliches Regime hatte, es war ja auch mit Deutschland und Italien verbündet, und dass dieses Regime zwar keinen Holocaust verübte aber in China und anderen asiatischen Ländern einen Krieg führte, der der Kriegführung Deutschlands in Osteuropa nicht ganz unähnlich war, erfährt man im Film nicht. Die Grausamkeit der japanischen Geheimpolizei und die repressive Stimmung im damaligen Japan werden zwar in zwei Szenen angedeutet, aber dabei bleibt es auch.
So sind dem Regisseur zwei visuell sehr eindrucksvolle (Anti-)Kriegsfilme gelungen, die aber auch beide ihre Längen haben. Der Beitrag zur Aufarbeitung des pazifischen und asiatischen Teils des Zweiten Weltkriegs bleibt aber gering. Die beiden Filme sagen vielleicht mehr über das Schwanken konservativer US-Amerikaner wie Eastwood zwischen Patriotismus und Kritik in Zeiten des aktuellen Irakkriegs aus als über die Vergangenheit.

Andreas Bodden

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