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Clint Eastwood hat einen Doppelfilm über die Schlacht von Iwo Jima
gedreht. Einmal aus US-amerikanischer und einmal aus japanischer Sicht. Im Mittelpunkt stehen dabei die
Soldaten und ihre Verwertung durch die staatliche Ideologie und Propaganda.
Die Schlacht um Iwo Jima fand vom
19.Februar bis zum 16.März 1945 statt. In ihrem Verlauf fanden etwa 21000 japanische und 7000 US-
amerikanische Soldaten den Tod. Sie gehört zu den blutigsten Schlachten im Pazifik während des
Zweiten Weltkriegs. Das etwa 1000 km südöstlich von der japanischen Hauptinsel Honshu entfernt
gelegene 20 km2 große Eiland ist die größte der japanischen Vulkaninseln. Es wurde u.a.
deshalb von den Japanern so erbittert verteidigt, weil die USA in Iwo Jima erstmals direkt auf dem Boden
des japanischen Mutterlands Truppen an Land setzten.
Für die patriotische Ikonografie der
USA ist die Insel wichtig, weil auf ihrer höchsten Erhebung ein berühmtes Bild entstand: Sechs
Marines hissen dort die Flagge der USA. Es ist wohl das berühmteste Bild aus dem Zweiten Weltkrieg im
Pazifik und diente als Vorlage für das Denkmal für das US Marine Corps auf dem Friedhof
Arlington. Dementsprechend lautet der Titel des ersten Films, der aus der Sicht US-amerikanischer Soldaten
erzählt wird, Flags of our Fathers. Hauptpersonen dieser Geschichte sind eben die US-Soldaten, die an
der berühmten Flaggenhissung auf Iwo Jima beteiligt waren.
Dieser Film erzählt zwei Geschichten.
Einmal die Geschichte der Schlacht aus der Sicht einer Gruppe von US-Marines. Dann die Geschichte der drei
Überlebenden dieser Gruppe, die nach der Schlacht durch die USA touren, um mit ihrer Heldentat, der
Flaggenhissung, Propaganda für die Zeichnung neuer Kriegsanleihen zu machen.
Der Film bemüht sich dabei
zunächst um historische Authentizität, indem er versucht zu rekonstruieren, wie das Aufstellen
der Flagge wirklich vor sich ging. Es gab nämlich zwei Aufstellungen der Flagge, aber nur eine wurde
gefilmt. Die drei Soldaten, die die Propagandatournee machen, gehören zur ersten Gruppe, insofern sind
sie also authentisch.
Der Film wird nicht chronologisch
erzählt. Die Geschichte der Schlacht und die ihrer propagandistischen Verwertung werden durch
Rückblenden ineinander verwoben. Dadurch wird der Kontrast zwischen dem grausamen Geschehen auf der
Insel und der verharmlosenden Propagandashow besonders hervorgehoben. Der fragliche Berg auf Iwo Jima,
dessen Eroberung Hunderte Menschenleben kostete, wird im Baseballstadion zum Pappmachehügel, auf dem
die Aufstellung der Flagge unter begeistertem Beifall nachgestellt wird. So wird die schreckliche
Realität in der propagandistischen Verwertung zur Groteske. Den Beteiligten ist dies völlig klar.
Die zivilen und militärischen Organisatoren der Show handeln nach dem Motto "Der Zweck heiligt
die Mittel", da die USA angeblich vor dem Bankrott stehen und irgendwie neue Kriegskredite
eingetrieben werden müssen.
Der patriotische Mythos wird aber im Film
nur bedingt dekonstruiert. Wenn auch seine Herstellung akribisch dargestellt wird und wenn auch deutlich
gezeigt wird, wie die "Helden" der Show, die drei einfachen Soldaten, die die Fahne aufgepflanzt
haben, daran zerbrechen, so kommt der Film doch nicht zu der Bewertung, dass solche Inszenierungen
grundsätzlich abzulehnen seien. Er betont an manchen Stellen, dass ein Land in bestimmten Situationen
bestimmte Bilder braucht, um zu überleben. Er hat also keine Botschaft, sondern nur die
zwiespältige Nachricht, dass manchmal auch gelogen werden muss, um den Feind in diesem Fall
Nazideutschland und sein Verbündeter Japan zu besiegen.
Der zweite Film Letters from Iwo Jima ist
weniger bemerkenswert. Er konzentriert sich auf das Geschehen auf der Insel. Hauptperson ist ein einfacher
japanischer Soldat, im zivilen Beruf Bäcker, der als Einziger seiner Einheit überleben wird. Die
Schrecken des Krieges und die Grausamkeit vieler japanischer Offiziere gegen ihre Untergebenen werden
eindrucksvoll geschildert. Aber im Gegensatz zum ersten Film erfährt man wenig über die
politischen Hintergründe. Der Film wird zwar anhand von Briefen erzählt, die die Soldaten in die
Heimat schicken, aber über die dortigen Zustände erfährt man nur in wenigen kurzen
Rückblenden etwas. Dass Japan zu dieser Zeit ein dem europäischen Faschismus durchaus
ähnliches Regime hatte, es war ja auch mit Deutschland und Italien verbündet, und dass dieses
Regime zwar keinen Holocaust verübte aber in China und anderen asiatischen Ländern einen Krieg
führte, der der Kriegführung Deutschlands in Osteuropa nicht ganz unähnlich war,
erfährt man im Film nicht. Die Grausamkeit der japanischen Geheimpolizei und die repressive Stimmung
im damaligen Japan werden zwar in zwei Szenen angedeutet, aber dabei bleibt es auch.
So sind dem Regisseur zwei visuell sehr
eindrucksvolle (Anti-)Kriegsfilme gelungen, die aber auch beide ihre Längen haben. Der Beitrag zur
Aufarbeitung des pazifischen und asiatischen Teils des Zweiten Weltkriegs bleibt aber gering. Die beiden
Filme sagen vielleicht mehr über das Schwanken konservativer US-Amerikaner wie Eastwood zwischen
Patriotismus und Kritik in Zeiten des aktuellen Irakkriegs aus als über die Vergangenheit.
Andreas Bodden
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