SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2007, Seite 03

KSK — Spezialtruppe der Exekutive

Deutsche Todesschwadronen

Das Calwer Kommando Spezialkräfte (KSK) operiert seit seiner Gründung 1996 in einer rechtlichen Grauzone, ohne öffentliche Informationen über seine tatsächlichen Aufgaben und Einsätze. Erst der Vorwurf des langjährigen Guantánamo- Gefangenen Murat Kurnaz, von KSK-Soldaten in Afghanistan misshandelt worden zu sein, machten der totalen Geheimhaltungspolitik der deutschen Regierung bezüglich dieser Spezialtruppe ein Ende.
Das grundsätzliche Problem aber bleibt: Offiziell werden Einsätze des KSK durch die Bundesregierung weder bestätigt noch dementiert, auch die meisten Parlamentarier bleiben selbst bei grundsätzlichen Fragen weitgehend im Ungewissen. Wie lange wie viele Soldaten wo und mit welchem Auftrag im Einsatz sind, ist so wenig bekannt wie die Anzahl der toten und verletzten KSK-Soldaten. Von eventuellen Opfern unter der Bevölkerung in den jeweiligen Einsatzgebieten wird erst recht nicht berichtet.
Ob die deutsche Regierung mit ihrer Politik des totalen Schweigens wirklich nur die Soldaten schützen will, darf bezweifelt werden — selbst die USA oder Großbritannien berichten umfangreicher über die Einsätze ihrer jeweiligen Elitetruppen. Möglicherweise geht es darum, die deutsche Beteiligung an Kampfeinsätzen in der eher kriegskritischen Öffentlichkeit herunterzuspielen. Das Image von "Friedenssoldaten" würde eine ehrliche Berichterstattung über den Auftrag und Einsatz des KSK wahrscheinlich grundsätzlich in Frage stellen.
Formal stützt sich die Bundesregierung bei den Einsätzen des KSK in Afghanistan und darüber hinaus auf den am 16.11.2001 nach den Anschlägen vom 11.September gefassten Bundestagsbeschluss, deutsche Soldaten im "Krieg gegen Terror" einzusetzen. Die Bundesregierung benutzt diesen jährlich verlängerten Beschluss seither als "Vorratsbeschluss", um ihre Elitetruppe je nach politischer Opportunität für wechselnde Ziele und ohne öffentliche Diskussion zu entsenden.
Auch bei anderen Einsätzen wie etwa beim EUFOR-Kongo-Einsatz 2006 kamen KSK-Soldaten zum Einsatz. Im Bundestagsmandat war von "Unterstützungskräften" die Rede, doch den meisten Parlamentariern war nicht klar, dass damit auch der Einsatz von KSK-Soldaten gemeint war. Das am 3.Dezember 2004 verabschiedete Parlamentsbeteiligungsgesetz (ParlBetG), eher ein Parlamentsentmachtungsgesetz, regelt in §6 immerhin, dass die Regierung eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Parlament hat: "Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag regelmäßig über den Verlauf der Einsätze und über die Entwicklung im Einsatzgebiet." Doch wie schon bei früheren Einsätzen von Spezialkräften ignoriert die Bundesregierung diese Vorgaben. Lediglich die fünf Obleute der Bundestagsfraktionen im Verteidigungsausschuss werden grob informiert, unterliegen aber selbst gegenüber ihrer eigenen Fraktion strengster Geheimhaltungspflicht.
Für eine Übergangsfrist wird seit Beginn 2007 die Informationspolitik dahingehend "gelockert", dass auch die Obleute im Auswärtigen Ausschuss informiert werden. Grundsätzlich verändert sich die rechtlich fragwürdige Informationspraxis jedoch nicht, das KSK ist damit eher eine Truppe der Exekutive und nicht eine Parlamentsarmee.

Bruch des Völkerrechts

Deutsche KSK-Soldaten haben zusammen mit US-Soldaten im Jahr 2002 Gefangene bewacht, die anschließend in Guantánamo und anderen (Geheim-)Gefängnissen landeten. Offiziell haben deutsche Soldaten in Afghanistan keine Gefangenen gemacht. Allerdings wurden in gemeinsamen Aktionen mit anderen Alliierten verdächtige Personen "festgesetzt" und dann sofort vor allem an US- Amerikaner übergeben. Ob dies deutsche Soldaten von ihrer Verantwortung für die anschließende völkerrechtswidrige Behandlung der Gefangenen entbindet, ist mehr als zweifelhaft.
Darüber hinaus waren KSK-Soldaten wohl auch in Kampfhandlungen verwickelt. Dass sich die deutsche Geheimtruppe einen gewissen internationalen "Ruf" für effektive Einsätze erworben hat, wurde im Jahr 2005 klar, als die KSK- Soldaten in ihrem Einsatzgebiet im Süden Afghanistans die "Coordinating Authority" erhielten und somit ihre Ziele weitgehend selbst bestimmen konnten. Sie müssen sich aber im Zweifelsfall nach den Befehlen des US-amerikanischen Central Command richten.
Das grundsätzliche Dilemma des Umgangs mit Gefangenen bleibt aber bestehen. Auch ohne Folterskandale gibt es das Problem, dass Gefangenen in den USA die Todesstrafe droht und dass eine Auslieferung in den möglichen Tod gegen deutsches Recht verstößt. Die Gefangenen, die von deutschen Soldaten gemacht werden, sollen deswegen zukünftig an afghanische Sicherheitskräfte übergeben werden. Diese "Lösung" wirft allerdings die Frage nach den rechtsstaatlichen Grundsätzen auf, von denen das afghanische Justizsystem noch weit entfernt ist, die Todesstrafe gibt es auch dort. Das Foltern und Morden an afghanische Behörden zu delegieren, ist jedoch viel "eleganter" und sorgt für eine weniger schlechte Presse.
Die Anwesenheit der westlichen Truppen scheint sich auch negativ auf die Arbeit von Hilfsorganisationen auszuwirken. Dass "Helfer als Handlanger" wahrgenommen werden, lässt sich aus den zunehmenden Anschlägen gegen Hilfsorganisationen schließen. Dies liegt möglicherweise daran, dass einerseits Hilfsorganisationen — mehr oder weniger freiwillig — immer stärker mit Militärs kooperieren, und andererseits die Besatzungstruppen die Trennung zwischen zivil und militärisch verwischen, indem sie sich als Entwicklungshelfer präsentieren (Wiederaufbauteams!). In diesem Kontext spielen Spezialkräfte, die teilweise in Zivil agieren, eine äußerst unrühmliche Rolle, da für die afghanische Bevölkerung nicht eindeutig erkennbar ist, ob etwa im vorbeifahrenden Jeep NGO-Vertreter oder Kombattanten sitzen.
Bei Auseinandersetzungen mit den Rebellen in der Grenzregion zu Pakistan und gegen die Drogenökonomie kamen in den letzten Jahren Tausende von Menschen um, vor allem Zivilisten. Human Rights Watch wies 2006 darauf hin, dass die NATO bei ihren Einsätzen zu wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung nimmt.
Die Skandale um deutsche Soldaten, die mit Totenschädeln posierten und mit dem Palmenemblem von Hitlers Afrikakorps auf ihren Geländewagen herumfahren, führen anschaulich vor Augen, dass Besatzung und Krieg keine humanitäre und saubere Angelegenheit sind und offensichtlich häufig solche Personen anziehen, die gerne an "deutsche Traditionen" anknüpfen. Der Brigadegeneral und frühere Chef des KSK stellt in seinem Buch "Geheime Krieger" das KSK in die Tradition der Wehrmachtsspezialdivision "Brandenburg". Er verlor übrigens seinen Posten als KSK-Chef, weil er öffentlich "die Juden" als "Tätervolk" bezeichnet hatte.

Mit aller Gewalt

Seit Mai 2005 sind KSK-Soldaten und andere Spezialtruppen auch an der Drogenbekämpfung beteiligt. Gegenüber dem Stern berichteten Soldaten davon, dass "der Einsatz in Afghanistan auf das Ausschalten von Hochwertzielen im Drogengeschäft" hinausläuft. Einige Offiziere haben uns nach Stabsbriefings klipp und klar gesagt, dass es um drug enforcement (Drogenbekämpfung) gehe. Hier handelt es offensichtlich nicht um rechtsstaatliche Prozesse: "Wir sollen die Drahtzieher ausschalten, eliminieren." Nie habe man in Calw so hart die unmittelbare Kampfführung trainiert wie in diesem Jahr: "Mehrere Trupps landen verdeckt, überfallen mit großer Feuerkraft den Feind — kurz gucken, eliminieren."
Als "Kommando Spezialkiller" bezeichnet deswegen der Oberstleutnant der Bundeswehr Jürgen Rose das KSK in einem Artikel vom Juni 2005. Eine Tötungspraxis auf puren Verdacht hin, in der Regel über Denunziation und Gerüchte, widerspricht nicht nur dem Grundgesetz, sondern auch internationalem Recht. Die Genfer Konvention regelt klar: "Personen, die nicht direkt an den Feindseligkeiten teilnehmen ... sollen unter allen Umständen mit Menschlichkeit behandelt werden ... Zu diesem Zwecke sind und bleiben in Bezug auf die oben erwähnten Personen jederzeit und jedenorts verboten: a) Angriffe auf Leib und Leben, namentlich Mord jeglicher Art ... d) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordnungsmäß bestellten Gerichtes, das die von den zivilisierten Völkern als unerlässlich anerkannten Rechtsgarantien bietet."
Dieser Schutz vor willkürlichen Hinrichtungen gilt übrigens völlig unabhängig davon, ob es sich um mutmaßliche Drogenkriminelle oder um mutmaßliche Terroristen handelt. Da allerdings der Kampf gegen Drogenkriminalität nicht vom Mandat des Bundestags gedeckt ist, scheint sich die Praxis einzuspielen, Drogenhandel mit Terrorismus zu identifizieren. Der Bundestagsbeschluss vom November 2001 begrenzt die Aufgabe auf Terrorbekämpfung: "Ziel ist es, Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen..."
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, erklärte im Juli 2005 auf die Frage, ob KSK-Soldaten entgegen ihrem Mandat auch gegen Drogenbosse im Einsatz seien: "Da gibt es Überschneidungen. Ein Terrorist kann sein Terrorgeschäft über Drogen finanzieren." Zynisch, denn so kann der erschossene Drogendealer hinterher immer auch Terrorist gewesen sein.
Auch wenn die deutschen "Todesschwadronen" als logische Konsequenz einer immer aggressiveren Außen- und Militärpolitik erscheinen, dürfen Kriegsverbrechen niemals toleriert werden. Bundeswehrsoldaten und Eliteeinheiten in Afghanistan sind keine Lösung — sie sind vielmehr Teil des Problems.

Claudia Haydt

Die Autorin ist Mitarbeiterin von Inge Höger, MdB Fraktion Die Linke. Bei dem Beitrag handelt sich um den (gekürzten) Vorabdruck eines Beitrags aus dem Schwarzbuch Bundeswehr, das von der Linksfraktion herausgegeben wird und demnächst erscheint.



Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50,
Kontonummer 603 95 04


zum Anfang