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Vielen Menschen in aller Welt hat die Diskussion der letzten Wochen die Augen
geöffnet. In Sachen Klimaschutz ist es höchste Zeit zum Handeln.
Die Emissionen der Treibhausgase, vor allem
des bei der Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas entstehenden Kohlendioxids (CO2), müssen
drastisch reduziert werden. Entscheidend sind dabei die Gebäudeheizung und die Stromversorgung.
Immerhin scheint sich hier etwas zu tun: Windenergie und Fotovoltaik boomen, und derzeit beginnen die
Vorbereitungen zum Bau der ersten Offshore-Windparks.
Doch die Gegenseite schläft nicht. Die
großen Energiekonzerne wollen sich zwar im Offshore-Bereich erstmals auch bei den erneuerbaren
Energien engagieren, vor allem aber wollen sie an der quasimonopolistischen Versorgungsstruktur festhalten
und neue Großkraftwerke bauen. 26 neue Stein- und Braunkohlekraftwerke mit einem Ausstoß von
150000 Tonnen CO2 jährlich sind in Planung. Das entspricht rund 15% der derzeitigen deutschen
Treibhausgasemissionen.
Das ist natürlich im Moment nicht
sonderlich populär, deshalb hat man sich eine schöne Verpackung ausgedacht: "Saubere
Kohle" heißt das neue Schlagwort. Von China über die USA bis zur Europäischen Union
werden überall milliardenschwere Forschungsprogramme entwickelt, um eine neue Technologie zu
entwickeln, die das CO2 aus den Abgasen der Kraftwerke abtrennen, verflüssigen und in sichere Speicher
deponieren soll.
RWE will eine Milliarde Euro in eine
Pilotanlage stecken. Vattenfall ist schon weiter. Der schwedische Konzern baut in Südbrandenburg seit
fast einem Jahr an einer eigenen Testanlage, die allerdings mit 40 Millionen Euro deutlich günstiger
ausfällt.
Worum geht es? Diskutiert werden zwei
verschiedene Möglichkeiten. Vattenfall will in seiner Versuchsanlage das sog. Oxyfuel-Verfahren
erproben. Dabei wird Kohle mit reinem Sauerstoff verbrannt, der zuvor unter einigem Energieaufwand vom
Luststickstoff getrennt werden muss. Das Verfahren hat gegenüber der Verbrennung mit Luft den Vorteil,
dass die Abgase, nachdem Flugasche und Schwefel ausgewaschen sind, nur noch aus Wasserdampf und CO2
bestehen, die leichter voneinander getrennt werden können.
Wenn die Technik in der kleinen
Versuchsanlage erprobt ist, soll eine größere Pilotanlage gebaut werden. Aber nichts ist perfekt:
Bei ausgereifter Technologie hofft Vattenfall den CO2-Ausstoß um 90% reduzieren zu können. Und:
Die "saubere Kohle" ist in diesem Fall Braunkohle, d.h. der die Landschaft zerstörende
Tagebau in der Lausitz geht munter weiter.
RWE setzt hingegen auf das IGCC-Verfahren
(Integrated Gasification Combined Cycle). Hierbei wird Kohle zunächst unter Druck und bei knappem
Sauerstoffangebot zu Kohlenmonoxid verbrannt. Die unerwünschten schwefel- und stickstoffhaltigen
Anteile werden ausgewaschen, das übrig gebliebene Kohlenmonoxid kann nun mit Wasser bei hoher
Temperatur zu CO2 und Wasserstoff umgesetzt werden. Mit dem Wasserstoff wird dann in einem thermischen
Kraftwerk (Leistung 275 Megawatt) fast abgasfrei Strom erzeugt. Bei der Verbrennung entsteht Wasserdampf
und je nach Anlage auch Stickoxide.
Die Vattenfall-Vorgabe von 90% CO2-
Reduktion erstaunt zunächst. In den Prospekten der Energiekonzerne und Anlagenbauer spricht man
nämlich gerne von CO2-freien Kraftwerken. Tatsächlich ist aber die Abtrennung nicht perfekt.
Dietmar Schüwer vom Wuppertaler Institut für Umwelt, Klima und Energie rechnet mit einem Rest-CO2
von 525%, je nachdem wie groß der zusätzliche Energiebedarf ist und wie vollständig
die CO2-Abscheidung funktioniert. Hinzu kommen Leckagen bei Umwandlung, Transport und Einlagerung.
Noch pessimistischer ist das Fraunhofer-
Institut für System und Innovationsforschung. In einer Studie über die Möglichkeiten von CCS
(Carbon Capture and Storage, also Einfangen und Lagerung von CO2) heißt es: "Ein Allheilmittel
ist [CCS] aber nicht: Kraftwerke mit CO2-Abscheidung verbrauchen ein Drittel mehr Kohle oder Erdgas und
sind deshalb kein Fortschritt in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung." Sie ist bestenfalls
eine Brückentechnologie, die in den nächsten Jahrzehnten die CO2-Emissionen deutlich mindert, bis
genügend erneuerbare Energiequellen zur Verfügung stehen.
Was soll man also von der Einlagerung von
CO2 halten? Am umstrittensten ist die Einbringung von flüssigem CO2 in den Ozean, z.B. in Form von
CO2-Seen, die am Meeresgrund angelegt werden könnten, was mit Sicherheit das Abtöten einer
einzigartigen Bodenfauna zur Folge hätte. Vermutlich würde sich außerdem das CO2
allmählich mit dem Wasser vermischen, dadurch die Meere versauern und eventuell in die Atmosphäre
gelangen. Bisher kann niemand eine langfristige Kontrolle dieser Form der Speicherung garantieren.
Etwas günstiger ist die Prognose
für geologische Formationen. Gedacht ist vor allem an leere Öl- und Erdgaslagerstätten oder
tiefe salzhaltige Wasseradern. In Norwegen und Kanada wird CO2 bereits kommerziell eingesetzt, um die
Ausbeute von Erdöllagerstätten zu erhöhen. Mit dem verflüssigten CO2 lässt sich
zusätzliches Erdöl aus der Lagerstätte pressen.
Die meisten Geologen sind sich bisher
sicher, dass das CO2 im tiefen Untergrund, weit unterhalb der Grundwasser führenden Schichten, auf
Dauer gespeichert werden kann. In den USA wurden allerdings im letzten Jahr Beobachtungen aus dem Golf vom
Mexiko veröffentlicht, die erste Zweifel anmelden. Auf jeden Fall wird es noch mehr praktischer
Versuche bedürfen, bevor die Frage geklärt ist.
Entsprechend rechnet niemand damit, dass
die ganze Technologie ob sinnvoll oder nicht vor 2020 ausgereift sein wird. Mit anderen
Worten: Die derzeit geplanten Kohlekraftwerke werden auf absehbare Zeit ganz normale Dreckschleudern sein.
"Saubere Kohle" ist vorerst nichts als ein vages und nicht mal besonders verlockendes
Versprechen.
Wolfgang Pomrehn
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