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In Mali tagte vom 23. bis 27.Februar das erste Weltforum für
Ernährungssouveränität.
Was bedeutet
Ernährungssouveränität? "Für uns ist es das Recht, das absolute Recht, unsere
Agrarfrüchte auf unserem eigenen Land zu produzieren, in unserer eigenen Region, mit ökologischen
Mitteln. Von unseren Regierungen verlangen wir, dieses System der Agrarproduktion zu unterstützen,
politisch und mit finanziellen Mitteln", sagt der indische Agraraktivist Peryapatna Satheesh, einer
der Initiatoren des ersten internationalen Forums zur Ernährungssouveränität, das im Februar
in Sélingué stattfand, einem Dorf 150 Kilometer entfernt von Malis Hauptstadt Bamako.
Mehr als 500 Vertreter von Kleinbauern- und
Fischerorganisationen aus fünf Kontinenten waren in die abgelegene Region gereist. Die Organisatoren,
darunter Via Campesina, das internationale Netzwerk der Kleinbauernorganisationen, und Friends of the
Earth, die Dachorganisation der deutschen Umweltschutzorganisation BUND, betrachten
Ernährungssouveränität als Gegenkonzept zum globalisierten Handel und zur industriellen
Herstellung von Agrarprodukten.
Der Begriff
Ernährungssouveränität stammt vom Welternährungsgipfel 1996. Seitdem orientieren sich
viele Kleinbauernorganisationen, soziale Bewegungen, biologische Landwirtschaftsprojekte und NGOs daran,
die Bewegung ging aus dem Widerstand gegen das neoliberale Agrarmodell und praktischen Alternativen hervor.
"Wir sind willens und in der Lage, die
Bevölkerung der Welt zu ernähren, aber unsere viele Generationen alten Fähigkeiten, gute,
gesunde und reichhaltige Lebensmittel zu produzieren, sind bedroht und werden ausgehöhlt durch
Neoliberalismus und die kapitalistische Globalisierung", heißt es in der Abschlusserklärung
von Mali. Die derzeitige Weltagrarordnung bezeichnen sie als "Neokolonialismus".
Ernährungssouveränität setzt
auf Selbstbestimmung. Das meint das Recht der Regionen, Nationen und Völker der Welt, die einheimische
landwirtschaftliche Produktion und den Handel mit Agrarprodukten zu schützen und zu regulieren.
Die Verfechter dieses Ansatzes sehen ihre
Märkte durch Billigimporte zerstört, sehen wie ihnen die Privatisierung von Ressourcen
buchstäblich das Wasser abgräbt, und machen die bittere Erfahrung, dass sie wegen internationaler
Patentrechtsabkommen nicht mehr ihr eigenes Saatgut verwenden dürfen, während
Biotechnologiekonzerne immer wieder neue Patente auf die Pflanzen anmelden, deren genetischer Code dann
sprichwörtlich in das "Eigentum" dieser Konzerne übergeht.
Die meisten Regierungen und multilateralen
Institutionen folgen seit einem Vierteljahrhundert einer einseitig an den Interessen der Agrarindustrie
orientierten Politik: Kurzfristig wird die Produktion durch den Einsatz von gentechnisch verändertem
Saatgut, Kunstdünger und Pestiziden gesteigert. Dabei verlieren aber Millionen Bauern ihre Existenz,
in die Slums der Megacities getrieben, ganze Landstriche veröden durch Monokulturen und die Umwelt
wird massiv geschädigt. Diese Kosten tragen nicht die Agrargiganten, sondern die Allgemeinheit.
Die Agrarindustrie will die von ihr
verursachte Armut mit dem Export ihrer horch subventionierten Agrarprodukte aus dem Norden verringern. Das
verringert weder den Hunger noch hilft es den Kleinbauern. Organisationen wie die Weltbank, der IWF und die
WTO zwingen die südlichen Länder dazu, ihre Märkte zu öffnen. Ein rapider Preisverfall
ist die Folge, die Bauern müssen ihre Landwirtschaft aufgeben. Obwohl weltweit mehr Lebensmittel als
nötig produziert werden, steigt die Zahl der Hungernden nach Angaben der
Welternährungsorganisation FAO.
2006 lebten weltweit erstmals mehr Menschen
in der Stadt als auf dem Land also über 3 Milliarden. Könnte eine Landwirtschaft, die ohne
Pestizide, Kunstdünger und Gentechnik auskommt, alle diese Menschen ernähren? "Die Flucht
vieler Landbewohner in die Städte hat der bäuerlichen Landwirtschaft geschadet und Millionen von
sozial benachteiligten Menschen hervorgebracht", sagt Peryapatna Satheesh. Es gehe darum, diese
Entwicklung wieder umzukehren; die Menschen aus den Slums würden ein gutes und existenzsicherndes
Leben auf dem Land dem Vegetieren in den Elendsquartieren vorziehen.
"Außerdem gibt es mehr und mehr
Belege, auch aus unserer eigenen Erfahrung, dass die Ernteerträge der traditionellen Landwirtschaft,
die ohne Kunstdünger, Pestizide und Gentechnik auskommt, bis zu 40% über denen der sogenannten
modernen Landwirtschaft liegen kann."
Das bestätigt auch eine
langjährige wissenschaftliche Untersuchung der Universität Sussex in Brighton sie kam
schon 2003 zum Ergebnis, dass mit nachhaltiger Landwirtschaft die Ernährungsprobleme des Südens
gelöst werden könnten. Häufige Fruchtfolgen könnten höhere Ernteerträge
einfahren als die Monokulturen, die in der industriellen Landwirtschaft vorherrschen.
Ernährungssouveränität
hätte viele Vorteile: Sie würde die Qualität der Lebensmittel erhöhen und den CO2-
Ausstoß und damit die Klimaerwärmung verringern. Denn traditionelle Landwirtschaft benötigt
viel weniger Energie, sie kommt ohne klimaschädlichen Kunstdünger aus, und die regionale
Produktion würde die Transportkosten für Lkw, Schiffe und Flugzeuge erheblich senken.
Es ist kein Zufall, dass das erste
Weltforum zur Ernährungssouveränität in Mali stattfand. Denn Mali ist das erste Land, dessen
Regierung auf Druck von nationalen Bauernorganisationen die Ernährungssouveränität in ihr
Programm aufgenommen hat. Ob sie tatsächlich die Interessen ihrer Bevölkerung, die zu 80% von der
kleinbäuerlichen Landwirtschaft lebt, schützen kann, steht in den Sternen.
Die EU-Kommission drängt auf ein neues
sog. "Partnerschaftsabkommen" mit 79 Drittweltländern. Mali ist eines davon. Das Abkommen
würde weitere Privatisierungen im öffentlichen Sektor (z.B. Wasser- und Stromversorgung)
einleiten, und die Importzölle weiter senken auch für subventionierte Agrarprodukte aus
der EU. Das würde die Ausgangsbedingungen erheblich erschweren, zukunftsweisende Konzepte wie das der
Ernährungssouveränität umzusetzen.
Gerhard Klas
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