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Während Flüchtlinge in Europa unerwünscht sind und mit militärischen Maßnahmen
ferngehalten werden, will Europa in Afrika Saisonarbeitskräfte anheuern.
Effektiv bekämpfen, schnelle Einsatztruppe, Patrouillen, operative
Einheiten, strategische Reserven, Bereitschaft. Die Liste militärischer Begriffe findet kaum ein Ende, wenn die "Feinde"
Flüchtlinge sind. Der Krieg gegen Flüchtlinge wird bald noch effizienter auf gesamteuropäischer Ebene koordiniert. Soeben hat
ein wichtiges Anliegen der deutschen Ratspräsidentschaft, insbesondere des Innenministers Schäuble, eine wichtige Hürde
genommen: Der Innenausschuss des Europäischen Parlaments hat die "Verordnung über einen Mechanismus zur Bildung von
Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke" abgesegnet. Diese Verordnung wird von Frontex umgesetzt, einer vor zwei Jahren
neu geschaffenen Agentur mit Sitz in Warschau. Neben den Soforteinsatzteams, also EU-Grenzschutztruppen, wird es auch eine
"Toolbox" (Werkzeugkasten) geben, eine Datenbank, in der verfügbare militärische Ausrüstung aufgelistet wird.
Zunehmend wird über Flüchtlinge im Vokabular militärischer
Strategie geredet. So befragt Peter Carstens den EU-Justizkommissar und Erfinder von Frontex, Franco Frattini, in einem Interview in der Online-
Ausgabe der FAZ (Faz-Net) zu der von Italien und Spanien erwarteten "Frühjahrsoffensive" illegaler Einwanderer entlang ihrer
Küsten. Die "Offensive" betreiben bspw. Senegalesen, die aufgrund der Überfischung der afrikanischen Westküste
durch europäische und asiatische Fangflotten ihrer Lebensgrundlage beraubt werden. Ebenso strategisch bewegen sich asiatische
Flüchtlinge: Um nach Europa zu gelangen, durchqueren sie den afrikanischen Kontinent und schiffen sich von der Westküste Afrikas
aus in Richtung Europa ein (siehe Meldungen). Allein im letzten Jahr starben etwa 3000 Menschen nahe der afrikanischen Westküste.
Es wird immer schwerer, den Überblick über die Anzahl der
"Gefallenen" zu behalten, da die "Gefechte" auf mehreren Fronten stattfinden: an den südlichen
Seeaußengrenzen, an den östlichen Landaußengrenzen über den Balkan und die Ukraine, und an den Flughäfen.
Bei soviel Fronten und Gefechten wird bisweilen auch den EU-Beamten etwas mulmig.
Denn, so eine Mitteilung der EU-Kommission an den Europarat aus dem Jahr
2006 über den Ausbau des Grenzschutzes: Es nicht "genauer festgelegt, wie beim Abfangen von Schiffen zu verfahren ist, auf denen
sich nachweislich oder mutmaßlich illegale Einwanderer auf dem Weg in die EU befinden". Zu dumm. Denn das ist eine der
Hauptaufgaben von Frontex: Schiffe auf offener See aufhalten und zur Umkehr zwingen. Neu ist das nicht. Italien hat das schon längst in
Zusammenarbeit mit Tunesien erprobt. Die Folge sind Änderungen der Fluchtrouten mit tödliche Folgen bzw. direkte Todesopfer. Die
Grenzen Europas verschieben sich dadurch ständig. Waren es vor zwei, drei Jahren noch die nordafrikanischen Küsten, so ist es jetzt
Westafrika und die Sahara.
"Wird Deutschland auf Lampedusa oder Lanzarote gegen illegale
Einwanderer verteidigt?", fragt Peter Carstens im erwähnten Interview in der FAZ. "Aber natürlich", antwortet
Schäuble. "In einem Europa, in dem an den Binnengrenzen nicht mehr kontrolliert wird, werden die Grenzen jedes Mitgliedstaats an
den gemeinsamen Außengrenzen überwacht. Das ist das Prinzip europäischer Integration. Das verringert nicht die Sicherheit
der Menschen, sondern es verbessert sie, weil es die Kooperation mit der Polizei erzwingt." Denn "wir können ja nicht
akzeptieren, dass im Mittelmeer oder auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln die Menschen ertrinken". Scheinbar mühelos wird die
militärische Logik herbeiargumentiert.
Auch dem EU-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe,
Louis Michel, bleibt kein Wort im Hals stecken, wenn er meint, die in diesem Jahr erwarteten 30000 Flüchtlinge wären zwar schon
weniger als im letzten Jahr, aber immer noch zu viele. In einem Interview mit der Welt vom 10.April meint er: "Es ist die Aufgabe der EU, die
Abwanderung in menschliche Bahnen zu lenken." Ein geplantes Jobcenter in Afrika (Mali) für Ernte- und Bauarbeiter soll seiner
Ansicht nach nur "saisonale und befristete Arbeit" vermitteln.
Die Worte Flucht, Elend, Not kommen nicht mehr vor. Dass die ganz
große Mehrzahl der Flüchtlinge in die jeweiligen Nachbarländer flieht oder in andere Regionen des eigenen Landes und trotz
aller "Frühjahrs"- und sonstigen "Offensiven" die Zahl der Asylsuchenden sich in den letzten fünf Jahren mehr
als halbiert hat, ist dem EU-Kommissar anscheinend unwesentlich. Der Kommissar für Entwicklungshilfe erwähnt nicht, dass die
wichtigste Säule derselben das Geld ist, das die Migranten monatlich nach Hause schicken. Auf die Frage, was Europa von China lernen
kann, meint er: "Dass es legitim ist, die eigenen Interessen auch gegenüber Afrika offensiv zu vertreten. Europa ist keine Heilsarmee,
aber wir haben wirtschaftliche Interessen in Afrika."
"Warum ist Afrika so wichtig für Europa?", fragt der Reporter
der Welt. "Afrika hat Energie- und Rohstoffreserven, aber auch Waldvorkommen, ohne die wir weder eine dauerhafte Energieversorgung in
Europa noch die Bekämpfung des Klimawandels erfolgreich vorantreiben können. Europa wiederum hat die Technologien, die Afrika
helfen, seine eigene Energieversorgung zu sichern", antwortet Louis Michel.
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