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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2007, Seite 15

Palästina:

Neue Koalitionsregierung

von Kim Bullimore

Am 17.März billigten die Abgeordneten des Palästinensischen Legislativrats die Bildung einer neuen, von Hamas und Fatah getragenen Regierung der "nationalen Einheit", es gab 83 Ja-Stimmen und drei Gegenstimmen. Die Regierungsbildung folgte auf das im Februar in Mekka erreichte Abkommen zwischen Präsident Mahmoud Abbas (Fatah) und Ministerpräsident Ismail Haniyeh (Hamas).
Mit der Bildung der neuen Regierung soll ein Ende der Kämpfe zwischen bewaffneten Anhängern der beiden größten palästinensischen Parteien und die Aufhebung der von Israel, den USA und der EU betriebenen internationalen Wirtschaftsblockade gegen die palästinensischen Autonomiebehörde erreicht werden.
Die Gegenstimmen kamen von dem unabhängigen Abgeordneten Hassan Khreisha und den beiden Abgeordneten der linken Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP). Die PFLP-Abgeordnete Khalida Jarrar äußerte am 9. März, das Fatah-Hamas-Abkommen werde "nicht zu einem Ende der [israelischen] Besatzung führen".
Die neue Regierung hat die Unterstützung von über 30 Abgeordneten, die infolge des Wahlsiegs der Hamas und ihrer Verbündeten im Januar 2006 von Israel entführt worden waren und bis heute inhaftiert sind. Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan ließen diese Gefangenen bei der Zeremonie zur Einführung der neuen Regierung eine Erklärung verlesen, in der sie "ihre Unterstützung für und ihr Vertrauen in die neue Einheitsregierung ausdrücken und die Notwendigkeit betonen, die palästinensischen Rechte auf Jerusalem und das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf ihre Rückkehr durchzusetzen".
Zur neuen Regierung gehören vier Unabhängige und elf Minister der Hamas, sechs der Fatah und je einer von Mustafa Barghoutis Partei Palästinensische Nationale Initiative, von Hanan Ashrawis Partei des Dritten Wegs, von der Palästinensischen Volkspartei (ehemals Kommunistische Partei Palästinas), von der Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas (DFLP).
Trotz der von den USA und Israel geäußerten Einwände wird die Hamas weiterhin das Amt des Ministerpräsidenten besetzen. Die Fatah, die von den USA und Israel finanziell unterstützt wird, erhält den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten, während die Unabhängigen Ziad Abu Amr und Hani Qawasmi die wichtigen Ministerien für Äußeres und Inneres (letzteres kontrolliert die Polizei) erhalten. Das Finanzministerium untersteht Salam Fayyad von der Partei des Dritten Wegs.
Das Programm der neuen Regierung erklärt an erster Stelle, dass "ein Ende der israelischen Besatzung palästinensischer Territorien und die Anerkennung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung der Schlüssel für Sicherheit und Stabilität in der Region ist". Die neue Regierung verpflichtet sich daher, "sich mit den Arabern und der internationalen Gemeinschaft für das Ende der Besatzung und die Erlangung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes und ganz besonders für die Errichtung eines souveränen palästinensischen Staates auf dem 1967 besetzten Gebiet mit Jerusalem als Hauptstadt einzusetzen".
In Übereinstimmung mit dem Abkommen von Mekka wird das Programm der neuen Regierung die von der PLO unterzeichneten internationalen Abkommen respektieren und "internationale Verhandlungen zur Förderung der palästinensischen nationalen Interessen" zu führen, wobei alle abzuschließenden Abkommen mit Israel von einem neu gewählten Palästinensischen Nationalrat der PLO oder durch Volksabstimmung gebilligt werden müssen.
Das Programm bekräftigt auch, dass, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht, "unser palästinensisches Volk das Recht hat, sich gegenüber jeder israelischen Aggression zu verteidigen; sie glaubt, dass die Beendigung des Widerstands von dem Ende der Besatzung und der Verwirklichung von Freiheit, dem Rückkehrrecht [der palästinensischen Flüchtlinge] und Unabhängigkeit abhängt".
Ein umfassender Waffenstillstand mit Israel kann nur geschlossen werden, "wenn seine aktuellen Besatzungsmaßnahmen stoppt": Ermordungen, Verhaftungen, Häuser die Zerstörung von Häusern, die Grabungen am Tempelberg in Jerusalem usw., wenn es die Checkpoints beseitigt, alle Einschränkungen der Bewegungsfreiheit der Palästinenser aufhebt und die palästinensischen Gefangenen freilässt.
Nach dem Programm der neuen Regierung werden die Sicherheitskräfte umstrukturiert, um "sie aus der politischen Polarisierung und den Konflikten herauszunehmen und in ihnen die Loyalität zum Vaterland zu festigen, damit sie die Beschlüsse ihrer politischen Führung ausführen".
Abbas und Haniyeh kamen auch darin überein, einen neuen Palästinensischen Nationalen Sicherheitsrat mit Abbas als Vorsitzendem und Haniyeh als seinem Stellvertreter zu errichten, um gemeinsam die Sicherheitskräfte zu überwachen. Jedoch hat Abbas laut der Tel Aviver Zeitung Haaretz vom 19.März angekündigt, das prominente Fatah-Mitglied Mohammed Dahlan zum Sekretär des Sicherheitsrats zu ernennen. Hamas-Sprecher Salah Bardawill äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur Maan, dass sich seine Partei der Ernennung Dahlans widersetzen werde. "Dahlan ist eine provozierende Persönlichkeit, und wir sind gerade erst einer kritischen Situation interner Kämpfe mit Todesopfern entronnen. Dahlan war einer der herausragenden Protagonisten dieser Kämpfe."
Israel hat angekündigt, mit keinem der Minister der neuen Regierung zu tun haben zu wollen, nur mit Abbas. Laut Haaretz vom 21.März hat die israelische Regierung beschlossen, "ausländische Politiker zu brüskieren, die sich mit Hamas-Ministern der neuen Regierung treffen". Die israelische Entscheidung fiel nach dem Treffen des stellvertretenden norwegischen Außenministers Raymond Johansen mit Abbas, Haniyeh und dem neuen palästinensischen Außenminister Ziad Abu Amr.
Associated Press berichtete am 22. März, Washington befinde sich "inmitten einer aufkeimenden Spaltung unter den Verbündeten in Israel und Europa über die Art und Weise, wie mit einer palästinensischen Koalitionsregierung zu verfahren ist, die neben Hamas-Aktivisten auch vom Westen unterstützte Gemäßigte umfasst ... Die USA planen, Kontakte zu ausgewählten Nicht-Hamas-Angehörigen des neuen Kabinetts zu unterhalten, während Europa eher bereit zu sein scheint, im Zweifelsfall der Hamas-Fatah-Koalition zuzugestehen, dass die vagen Stellungnahmen der Regierungsplattform auf eine faktische Akzeptanz Israels und früherer palästinensischer Friedensabkommen hinauslaufen. Obwohl er darauf achtete, die neue Regierung oder ihre Plattform nicht zu verurteilen, bemerkte der Sprecher des US- Außenministeriums Sean McCormack, das Beharren der Regierung auf dem Recht zum ‘Widerstand‘ sei eine beunruhigende Position."
Während Israel und Washington gegen die arabischen Völker Palästinas und des Irak Krieg führen, beharren sie darauf, nur mit Palästinensern umzugehen, die der "Gewalt abschwören".

Aus: Green Left Weekly (Sydney), Nr.704, 28.3.2007 (www.greenleft.org.au) (Übersetzung: Hans-Günter Mull)



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