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Letzte Woche
erzählte mir ein alter Metaller, jetzt Rentner, aber jahrelang Betriebsratsvorsitzender und immer
dabei, wenn es ans Kämpfen ging, sein Herz schlüge immer noch schneller, wenn er an die IG Metall
und ihre Mobilisierungskraft denke, so auch bei dieser Tarifrunde.
Dem Kollegen ist voll und ganz zuzustimmen:
Während bspw. im nordrhein-westfälischen Großhandel der Manteltarifvertrag seit etwa zwei
Jahren gekündigt ist und Ver.di sich in der laufenden Tarifrunde schwer tut, seine Wiederingangsetzung
mit der Auseinandersetzung um die Löhne und Gehälter zu verbinden, ist es der IG Metall in NRW
mit einer eintägigen breiten Mobilisierung der Beschäftigten im Kfz-Handwerk gelungen, die
Arbeitgeber zu zwingen, die Gewerkschaft auch weiterhin als Verhandlungspartner zu akzeptieren.
Und wo gelingt es schon in Europa, in einer
Tarifrunde im Industriebereich nahezu gleichzeitig 475000 Menschen für Warnstreiks zu mobilisieren?
In diesem Jahr waren viele dabei, die nicht
Mitglied der IG Metall sind. Und die Kolleginnen und Kollegen waren auch mehr für nach außen
sichtbare Aktionen wie Kundgebungen und Demonstrationen zu haben und weniger für verlängerte
Pausen oder vorzeitige Beendigungen der Arbeitszeit.
Die Mobilisierungsbereitschaft war da und
die Befürchtungen in manchem Ortsvorstand und mancher Bezirksleitung, die positive öffentliche
Resonanz auf die Forderung von 6,5%, das zustimmende Gegrummel der Politik und die relativ
zurückhaltende Agitation von Gesamtmetall könnten dazu führen, dass die Beschäftigten
die Tarifrunde für einen Selbstläufer hielten, bestätigten sich nicht. Zu sehr hat sich in
den letzten Jahren festgesetzt, dass ohne eigene Aktivität nichts zu erreichen bzw. Schlimmes nicht zu
verhindern ist. Aber auch die Gegenforderung von Gesamtmetall, das Weihnachtsgeld entsprechend der
Betriebsergebnis zu flexibilisieren, führte zu einem Mobilisierungsschub.
Mit dem Auslaufen der Friedenspflicht am
28.April begannen die Warnstreiks, am 3.Mai wurde das Ergebnis bekannt gegeben: 400 Euro für die
Monate April bis Mai, ab Juni 2007 4,1% Tariferhöhung für 12 Monate, ab Juni 2008 nochmal 1,7%
und bis zum Auslaufen des Tarifvertrags Ende Oktober 2008 eine Einmalzahlung von knapp 4%. Die zweite
Tariferhöhung wie auch die Einmalzahlung können, wenn Betriebsräte dem zustimmen, verschoben
werden; allerdings muss die Tariferhöhung gezahlt werden, die Einmalzahlung nicht, sie ist vom
Betriebsergebnis abhängig.
Sowohl die Einmalzahlung von 400 Euro wie
auch die Tariferhöhung entsprachen den Erwartungen der Beschäftigten. In vielen Betrieben
wäre, gemessen an den Gewinnen, mehr drin gewesen, aber der allgemeine Erwartungshorizont bewegte sich
bei einer 4 vor dem Komma. Dies spiegelt sowohl den Stand des Bewusstseins in den Betrieben wieder, wie
auch das Denken in den Tarifkommissionen und den Gewerkschaftsvorständen: Kriterium für den
Abschluss sind gesamtwirtschaftlich gestiegene Produktivität und Ausgleich für die Inflation. Die
Forderung nach einer sog. Umverteilungskomponente spielt praktisch nur noch beim Aufstellen der Forderung
eine Rolle, beim Ergebnis seit Jahren nicht mehr. Hier setzt sich die Standortlogik fort.
Entgegen ihrer Zielsetzung, nur einen
Abschluss für 12 Monate durchzusetzen, lies sich die IG Metall auf eine 19-monatige Laufzeit ein, mit
einem geringen Anstieg für die fünf Monate 2008. Auch in Bezug auf die nach wie vor in der IG
Metall umstrittene ergebnisabhängige Komponente (die 0,7%) blieb der Abschluss hinter dem Ergebnis von
2006 zurück: Nach dem Tarifvertrag 2006 konnte ein Betriebsrat je nach Gewinnlage eine höhere
oder niedrigere oder gar keine Einmalzahlung vereinbaren, nach dem neuen Tarifvertrag gibt es nur die
Variante nach unten.
Bestandteil des Tarifvertrags ist eine
Übereinkunft für Gespräche über den vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben für
ältere Beschäftigte, die ab 2010 keinen Zugang mehr zur Altersteilzeit haben, weil ab dann die
staatlichen Zuschüsse als Aufstockungsbeiträge nicht mehr gezahlt werden. Die baden-
württembergischen Verhandlungsführer von Gesamtmetall dämpften aber sogleich all zu
große Hoffnungen: Die Altersstruktur würde zwar Maßnahmen erforderlich machen, aus
ordnungspolitischen Gründen halte man aber ein Wiederaufleben der Altersteilzeit für falsch.
So spiegelt die Abstimmung in den
Großen Tarifkommissionen das betriebliche Stimmungsbild zwar wider, doch die IG Metall hat mit dem
Abschluss ihr Handlungspotenzial nicht ausgeschöpft; mit einer neuen Welle von Warnstreiks wären
ein höheres Ergebnis, eine kürzere Laufzeit und ein Wegdrängen von ertragsabhängigen
Einmalzahlungen möglich gewesen. Nicht weil Gesamtmetall dazu bereit gewesen wäre, sondern weil
in der jetzigen Hochkonjunktur, vor allem im Maschinenbau, jede ausgefallene Arbeitsstunde weh tut.
In dem Planspiel, das Gesamtmetall zu
Beginn des Jahres mit Journalisten veranstaltet hatte, um den komplizierten Prozess einer Tarifrunde
nachzuahmen und die Vertreter der öffentlichen Meinungsmache natürlich auch für sich
einzunehmen, gab es ein simuliertes Ergebnis: 4,1%, längere Laufzeit und ergebnisabhängige
Komponente. Holt sich die IG Metall nur noch das, was die Unternehmer zu geben bereit sind?
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