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Das von der polnischen Regierung erlassene
"Säuberungsgesetz", das darauf abzielt, Menschen, die unter dem "Kommunismus" eine
politische Funktion innehatten, dafür büßen zu lassen, stößt auf heftige
Reaktionen.
In der Geschichte des Kapitalismus,
speziell im 20.Jahrhundert, hat die Menschheit alle Arten von Säuberungen kennengelernt, rassische,
ethnische, konfessionelle. Die Partei der harten Rechten, die in Polen an der Macht ist, PiS ("Recht
und Gerechtigkeit"), erfindet nun eine neue Form davon: die Generationssäuberung. Im Gegensatz zu
den anderen Säuberungen handelt es sich nicht darum, eine Bevölkerungsgruppe auszulöschen
oder zu vertreiben. Es geht darum, die "kommunistischen Generationen" aus der Politik zu
vertreiben, die Generation aus der Zeit, in der Polen hintereinander von Wladyslaw Gomulka (19561970)
und Edward Gierek (19701980) regiert wurde.
Jerzy Targalski bspw., der
Vizepräsident des polnischen Radios, hat 450 Angehörige dieser Generation ausgemacht, die er
entlassen will. Im Anschluss an seinemVorschlag, der einen Skandal hervorrief, sollte die PiS diesen allzu
sehr wütenden Verrückten in die Quarantäne verbannen. Verrückte wie Targalski haben ein
Verdienst: Sie sagen, was ihre Parteikollegen denken und tun, ohne es zu sagen. Bei den von Targalski ins
Visier Genommenen handelt es sich um Personen, die zumindest einen Teil ihres erwachsenen Lebens in
"Volks"polen verbracht haben, dessen bürokratische Diktatur sich dem Kreml unterworfen
hatte, gleichzeitig jedoch beträchtliche soziale und kulturelle Errungenschaften und Fortschritte
aufweisen konnte, die durch die Restauration des Kapitalismus zerschlagen wurden.
Die "Vierte Republik", die die
Zwillingsbrüder Kaczynski aufbauen wollen, soll von der Generation getragen werden, die nach dem
10.Mai 1972 geboren wurde. Mit dem willkürlich gesetzten Datum teilen die Funktionäre der PiS und
vor allem die jungen Karrieristen in der Partei vollkommen willkürlich die polnische Gesellschaft in
"Gute" und "Böse". Diese Karrieristen haben das "Säuberungsgesetz"
ausgearbeitet. Will jemand eine öffentliche Funktion ausüben deren Definition sehr breit
gefasst ist , muss er erklären, ob er unter dem "Kommunismus" mit den Geheimdiensten
zusammengearbeitet hat. Das "Institut für das nationale Gedächtnis" (IPN), der
Stoßtrupp der PiS, der die jüngere Geschichte auslegt, ist damit beauftragt, diese
Erklärungen nachzuprüfen und zu entscheiden, wer die Wahrheit gesagt hat und wer nicht.
Wenn das IPN in diesem Orwellschen
Neusprech jemanden als "glänzenden Lügner" entlarvt und der Betreffende über Geld
verfügt, kann er klagen. Wenn nicht, hat er Pech gehabt, in den nächsten zehn Jahren darf er
seinen Beruf nicht mehr ausüben, keine wissenschaftlichen Studien mehr durchführen und nicht mehr
veröffentlichen, was er geschrieben hat.
Die Zahl der von der Säuberung
Betroffenen wird auf 700000 geschätzt, die Überprüfung der Erklärungen dieser Menge
durch das IPN kann ein Vierteljahrhundert dauern... Eine Gesellschaft wird terrorisiert und zerschlagen,
indem ein großer Teil von ihr in die Knie gezwungen und der Weg für das autoritäre Regime
der Kaczynski-Brüder und der PiS bereitet wird.
Doch die Stimmen derer, die
"Nein" sagen und sich der Säuberung widersetzen, werden immer mehr, auch wenn sie noch in
der Minderheit sind. Sie kommen von Journalisten der alten "demokratischen Opposition" unter dem
"kommunistischen Regime", aber auch von Universitätsangehörigen und Prominenten.
Auf der "Linken" hat Trybuna,
eine Zeitung mit Verbindungen zur poststalinistischen und neoliberalen Sozialdemokratie, Angst vor dem
Ungehorsam und unterwirft sich mit Schimpf und Schande. Dagegen nimmt die polnische Ausgabe von Le Monde
diplomatique klar Stellung gegen die Säuberungen. Trybuna Robotnicza, das neue Wochenblatt der
Polnischen Partei der Arbeit (PPP Polska Partia Pracy), nimmt eine ebenso unbeugsame Haltung ein. In
einem Leitartikel hat Boguslaw Zietek, der Vorsitzende dieser Partei der radikalen Linken, die aus der
freien Gewerkschaft Sierpien 80 (August 80) hervorgegangen ist, offen dazu aufgerufen, "das IPN zu
verbrennen" mit all seinen gigantischen Archiven der Geheimpolizei des alten Regimes. Es ist
eine demokratische Schlacht von größter Bedeutung, die da in Polen stattfindet.
(Übersetzung: Angela Huemer)
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