SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2007, Seite 12

Was tun gegen G8?

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Die G8 stehen nicht allein, für ich. Ihre Zusammenkünfte bilden mit den internationalen Organisationen — von WTO bis zur EU — ein Herrschaftsinstrument, das dem heutigen Stand der Produktivkräfte angemessen ist: weltumspannend, aber von den nationalen Parlamenten abgehoben, von niemandem kontrolliert, autoritär. Der Protest gegen sie richtet sich deshalb gegen das gesamte Gebäude der Global Governance, nicht nur gegen einen Baustein davon.

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Die Transnationalen Konzerne — die Macht hinter den G8 — sind in jeder Beziehung (industriell, finanziell, politisch) global organisiert. Sie haben die zu eng gewordenen Schranken des Nationalstaats längst hinter sich gelassen; das ist einer der Gründe, weshalb sie gegenüber der Arbeitswelt im Vorteil sind.Der Handlungsrahmen der Gegenkräfte hingegen — vor allem der sozialen Bewegungen, Gewerkschaften eingeschlossen — ist immer noch vorwiegend national. Die globalisierungskritische Bewegung hat einen großen Beitrag dazu geleistet, dass ein größerer Kreis von Aktiven sich dieser Beschränkung bewusst geworden ist und in Gestalt der Sozialforen seit mehreren Jahren einen äußerst fruchtbaren grenzübergreifenden bis kontinentalen und weltweiten Dialog praktiziert.
Der Globalisierung von oben müssen wir eine Globalisierung von unten entgegensetzen. Nicht umsonst lautet eine der Losungen des Weltsozialforums: Globalisieren wir die Hoffnung — globalisieren wir den Kampf! Das ist im Kern nichts anderes, als was Rosa Luxemburg vor 100 Jahren gesagt hat: Das Herz der Arbeiterbewegung ist die Internationale. Das gilt es wieder zu beleben.

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Dies Letzere aber, die Globalisierung unserer Kämpfe, lässt noch viel zu wünschen übrig. Sicher, die Proteste gegen die G8 und ihre Institutionen werden zunehmend internationaler. Auch in Rostock werden wir gemeinsam mit unseren Freundinnen und Freunden aus dem europäischen und außereuropäischen Ausland eine internationale Großdemonstration und einen Alternativgipfel durchführen. Aber unsere täglichen Abwehrkämpfe, die Kämpfe gegen Entlassungen, Lohnkürzung und Privatisierung, gegen die EU-Richtlinien, gegen die Aushebelung der demokratischen und Bürgerrechte lassen die internationale Dimension noch zu häufig vermissen. Das gilt für die Perspektive, in der sie geführt werden, das vor allem aber auch in Bezug auf ihre Organisierung.
Acht Jahre nach Seattle und 13 Jahre nach dem Aufstand von Chiapas, der Geburtsstunde der globalisierungskritischen Bewegung, muss diese einen neuen Quantensprung machen: die internationale Organisierung der sozialen Bewegungen, damit wir international kampffähig sind.

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Organisation braucht ein Programm. Internationale Organisierung braucht globale Forderungen. Elementare Forderungen wie die nach sozialer Sicherheit, Demokratie, Umweltschutz und Frieden können nicht mehr länger nur für ein Land durchdekliniert werden, sondern müssen auf europäischer und Weltebene definiert werden. Wir haben nur eine Welt, und wir wollen sie nach anderen Grundsätzen ordnen und verwalten als die G8. Wir müssen sagen, wie wir das tun wollen und welche Instrumente wir uns dafür geben.
Die andere Welt, die wir anstreben, kennt vier oberste Prioritäten:
Gleiche soziale Rechte für alle überall. Weltweit und europaweit Mindeststandards für Löhne, Arbeitszeiten, soziale Sicherungssysteme. Kooperation statt Konkurrenz und Standortpolitik. Dazu hat ein Dialog zwischen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen und Netzwerken begonnen, der fortgeführt werden muss.
Krieg dem Krieg. Gerechte Austauschbeziehungen mit den Ländern des Südens, gemeinsame und gleichberechtigte Bewirtschaftung der lebenswichtigen Rohstoffe — vor allem Wasser und Brennstoffe, Streichung der Schulden der Länder des Südens und Umverteilung der Reichtümer in die ärmsten Länder der Welt, Stopp der Militärinterventionen und des Waffenhandels. Armut und Krieg sind zwei Seiten einer Medaille.
Partizipative Demokratie statt Global Governance. Die Entscheidung darüber, wie die internationalen Beziehungen gestaltet werden, was wo investiert wird und wie die Produktionsabläufe gestaltet werden, müssen von den Bevölkerungen vor Ort gefällt werden, nicht von Organisationen, die nicht mehr kontrollierbar sind. Wiederaneignung der öffentlichen Güter und gesellschaftliche Kontrolle über ihre Verwendung. Vergesellschaftung der Kommunikations- und Transportsysteme. Gesellschaftliche Kontrolle über die Finanzinstitutionen und die Tätigkeit der transnationalen Konzerne.
Leben im Einklang mit der Natur. Abkehr von einer Wirtschaftsweise, die auf fossilen Brennstoffen basiert. Lokale und regionale Wirtschaftskreisläufe — vor allem in der Landwirtschaft, der Energie- und Wasserversorgung, bei der industriellen Herstellung der Grundlebensmittel.

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Global denken — lokal handeln. In Rostock konfrontieren wir die Herrschenden damit, dass sie nicht das Recht haben, über unsere Köpfe hinweg gegen die Interessen der großen Mehrheit der Menschheit zu entscheiden; sie sind illegitim. Aber ihre Politik und ihre Macht ver- und behindern wir nicht in Rostock, sondern vor Ort, in unseren alltäglichen Kämpfen. Der kapitalistischen Globalisierung Steine in den Weg zu legen, ihre Pläne zum Einsturz bringen — das ist Aufgabe unserer Alltagskämpfe.
Alltagswiderstand und Widerstand gegen die G8 und ihre Institutionen fallen aber immer noch weit auseinander. Der Kampf der Kolleginnen und Kollegen bei der Telekom ist ein Beispiel dafür: In den Mobilisierungen gegen den G8-Gipfel spielt er so gut wie keine Rolle. Dabei richtet sich ihr Kampf geradezu klassisch gegen die Willkür eines Global Player, der sich zudem noch wirksam der Unterstützung der Politik versichert. In dieser Verbindung von Alltagskampf und Widerstand gegen die Global Governance aber liegt der Schlüssel zum Erfolg.
Ein erster Schritt dahin wäre gewesen, dass Ver.di und die Telekom-Beschäftigten an vorderster Front an den G8-Protesten teilnehmen. Und dass das G8-Bündnis die Gelegenheit genutzt hätte, in einen Dialog mit ihnen zu treten, wie aus einem betrieblichen Abwehrkampf eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung werden kann.


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