SoZ - Sozialistische Zeitung |
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Die G8 stehen nicht allein, für ich. Ihre Zusammenkünfte bilden mit den internationalen
Organisationen von WTO bis zur EU ein Herrschaftsinstrument, das dem heutigen Stand der
Produktivkräfte angemessen ist: weltumspannend, aber von den nationalen Parlamenten abgehoben, von
niemandem kontrolliert, autoritär. Der Protest gegen sie richtet sich deshalb gegen das gesamte
Gebäude der Global Governance, nicht nur gegen einen Baustein davon.
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Die Transnationalen Konzerne die Macht hinter den G8 sind in jeder Beziehung
(industriell, finanziell, politisch) global organisiert. Sie haben die zu eng gewordenen Schranken des
Nationalstaats längst hinter sich gelassen; das ist einer der Gründe, weshalb sie gegenüber
der Arbeitswelt im Vorteil sind.Der Handlungsrahmen der Gegenkräfte hingegen vor allem der
sozialen Bewegungen, Gewerkschaften eingeschlossen ist immer noch vorwiegend national. Die
globalisierungskritische Bewegung hat einen großen Beitrag dazu geleistet, dass ein größerer
Kreis von Aktiven sich dieser Beschränkung bewusst geworden ist und in Gestalt der Sozialforen seit
mehreren Jahren einen äußerst fruchtbaren grenzübergreifenden bis kontinentalen und
weltweiten Dialog praktiziert.
Der Globalisierung von oben müssen wir
eine Globalisierung von unten entgegensetzen. Nicht umsonst lautet eine der Losungen des Weltsozialforums:
Globalisieren wir die Hoffnung globalisieren wir den Kampf! Das ist im Kern nichts anderes, als was
Rosa Luxemburg vor 100 Jahren gesagt hat: Das Herz der Arbeiterbewegung ist die Internationale. Das gilt es
wieder zu beleben.
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Dies Letzere aber, die Globalisierung unserer Kämpfe, lässt noch viel zu wünschen
übrig. Sicher, die Proteste gegen die G8 und ihre Institutionen werden zunehmend internationaler. Auch
in Rostock werden wir gemeinsam mit unseren Freundinnen und Freunden aus dem europäischen und
außereuropäischen Ausland eine internationale Großdemonstration und einen Alternativgipfel
durchführen. Aber unsere täglichen Abwehrkämpfe, die Kämpfe gegen Entlassungen,
Lohnkürzung und Privatisierung, gegen die EU-Richtlinien, gegen die Aushebelung der demokratischen und
Bürgerrechte lassen die internationale Dimension noch zu häufig vermissen. Das gilt für die
Perspektive, in der sie geführt werden, das vor allem aber auch in Bezug auf ihre Organisierung.
Acht Jahre nach Seattle und 13 Jahre nach
dem Aufstand von Chiapas, der Geburtsstunde der globalisierungskritischen Bewegung, muss diese einen neuen
Quantensprung machen: die internationale Organisierung der sozialen Bewegungen, damit wir international
kampffähig sind.
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Organisation braucht ein Programm. Internationale Organisierung braucht globale Forderungen. Elementare
Forderungen wie die nach sozialer Sicherheit, Demokratie, Umweltschutz und Frieden können nicht mehr
länger nur für ein Land durchdekliniert werden, sondern müssen auf europäischer und
Weltebene definiert werden. Wir haben nur eine Welt, und wir wollen sie nach anderen Grundsätzen
ordnen und verwalten als die G8. Wir müssen sagen, wie wir das tun wollen und welche Instrumente wir
uns dafür geben.
Die andere Welt, die wir anstreben, kennt
vier oberste Prioritäten:
Gleiche soziale Rechte für alle
überall. Weltweit und europaweit Mindeststandards für Löhne, Arbeitszeiten, soziale
Sicherungssysteme. Kooperation statt Konkurrenz und Standortpolitik. Dazu hat ein Dialog zwischen
Gewerkschaften und sozialen Bewegungen und Netzwerken begonnen, der fortgeführt werden muss.
Krieg dem Krieg. Gerechte
Austauschbeziehungen mit den Ländern des Südens, gemeinsame und gleichberechtigte Bewirtschaftung
der lebenswichtigen Rohstoffe vor allem Wasser und Brennstoffe, Streichung der Schulden der
Länder des Südens und Umverteilung der Reichtümer in die ärmsten Länder der Welt,
Stopp der Militärinterventionen und des Waffenhandels. Armut und Krieg sind zwei Seiten einer
Medaille.
Partizipative Demokratie statt Global
Governance. Die Entscheidung darüber, wie die internationalen Beziehungen gestaltet werden, was wo
investiert wird und wie die Produktionsabläufe gestaltet werden, müssen von den
Bevölkerungen vor Ort gefällt werden, nicht von Organisationen, die nicht mehr kontrollierbar
sind. Wiederaneignung der öffentlichen Güter und gesellschaftliche Kontrolle über ihre
Verwendung. Vergesellschaftung der Kommunikations- und Transportsysteme. Gesellschaftliche Kontrolle
über die Finanzinstitutionen und die Tätigkeit der transnationalen Konzerne.
Leben im Einklang mit der Natur.
Abkehr von einer Wirtschaftsweise, die auf fossilen Brennstoffen basiert. Lokale und regionale
Wirtschaftskreisläufe vor allem in der Landwirtschaft, der Energie- und Wasserversorgung, bei
der industriellen Herstellung der Grundlebensmittel.
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Global denken lokal handeln. In Rostock konfrontieren wir die Herrschenden damit, dass sie nicht
das Recht haben, über unsere Köpfe hinweg gegen die Interessen der großen Mehrheit der
Menschheit zu entscheiden; sie sind illegitim. Aber ihre Politik und ihre Macht ver- und behindern wir
nicht in Rostock, sondern vor Ort, in unseren alltäglichen Kämpfen. Der kapitalistischen
Globalisierung Steine in den Weg zu legen, ihre Pläne zum Einsturz bringen das ist Aufgabe
unserer Alltagskämpfe.
Alltagswiderstand und Widerstand gegen die
G8 und ihre Institutionen fallen aber immer noch weit auseinander. Der Kampf der Kolleginnen und Kollegen
bei der Telekom ist ein Beispiel dafür: In den Mobilisierungen gegen den G8-Gipfel spielt er so gut
wie keine Rolle. Dabei richtet sich ihr Kampf geradezu klassisch gegen die Willkür eines Global
Player, der sich zudem noch wirksam der Unterstützung der Politik versichert. In dieser Verbindung von
Alltagskampf und Widerstand gegen die Global Governance aber liegt der Schlüssel zum Erfolg.
Ein erster Schritt dahin wäre gewesen,
dass Ver.di und die Telekom-Beschäftigten an vorderster Front an den G8-Protesten teilnehmen. Und dass
das G8-Bündnis die Gelegenheit genutzt hätte, in einen Dialog mit ihnen zu treten, wie aus einem
betrieblichen Abwehrkampf eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung werden kann.
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