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Die Hamburg-Beilage der SPD-Monatsschrift Vorwärts hatte jüngst den
echten Über-Blick. Sie veröffentlichte am Dienstag einen Bericht über eine Veranstaltung des
SPD-Spitzenkandidaten Naumann, die erst am Donnerstag stattfinden sollte, einschließlich authentischer
Stimmungsberichte und sonstiger Schikanen. "Wir haben den Text vorgeschrieben", erklärte ein
SPD-Sprecher. Groß geirrt haben wird sich der Autor sicher nicht.
In Anbetracht der neuen Partei Die Linke
sieht es dagegen so aus, als ob die SPD selbst zwei Tage nach deren Gründung noch immer nicht
wüsste, was passiert ist. Mit dem Kommando "Wir reden mit den Wählern der Linken, nicht mit
den Mitgliedern" hatte Kurt Beck das Schaulaufen der Ignoranten gleich nach der Wahl in Bremen
eröffnet. Hubertus Heil weigerte sich in der "Berliner Runde" beharrlich, den Namen der
Partei auszusprechen, und verschluckte sich immer an "die SED". Eine Woche später, nach dem
Lafontaine-Auftritt bei Christiansen, geiferte die Meute aus der SPD-Chefetage richtig los. Er sei ein
"Helfershelfer der Taliban", sprach der für eine intakte Umwelt verantwortliche Minister
Gabriel. Der möglicherweise bücherkundige, aber nicht belesene Ludwig Stiegler polterte aus
Bayern, Lafontaine sei wie ein Luzifer, über der Linken laste "das Odium" der Spaltung der
Arbeiterbewegung.
Der alte Hessen-Sozi Holger Börner
aus heutiger SPD-Sicht wahrscheinlich auch ein Linksradikaler wollte 1984 das Problem der
damals neuen Linkspartei, Die Grünen, mit "der Dachlatte lösen, damit er sich beim Rasieren
noch im Spiegel anschauen" könne. Davon träumen die Struck, Beck und Gabriel wohl auch
heute. Doch es scheint, als ob der SPD der Bezug zum Bauproletariat schon so weit abhanden gekommen ist,
dass sie noch nicht einmal das Kantholz dafür auftreiben kann oder auch nur den Eingang zum Baumarkt
findet. So werden nur verbale Peinlichkeiten produziert, die von einem wohl bald nur noch medizinisch zu
lösenden Verlust an Selbstbewusstsein bei der SPD zeugen.
Der zeitgleich mit dem
Gründungsparteitag im Estrel-Hotel stattfindende Kongress des Bundesverbands der Gerichtsvollzieher
hätte gut auch als etwas überdimensionierte Antragsberatungskommission der Linken durchgehen
können. "Willy Brandt würde sich angewidert abwenden, wenn er erleben müsste, wie
antiaufklärerische Linkspopulisten versuchen, ihn zu vereinnahmen", stammelt einmal mehr der SPD-
Sekretär Hubertus Heil. Dass sich in Wahrheit gerade die SPD-Mitglieder in Scharen abwenden, die unter
Brandt in die Partei kamen, wird er dadurch auch nicht wegzaubern. Wir würden die verbalen
Ausbrüche der SPD-Oberen ja mit keiner Zeile erwähnen, frei nach Helmut Kohls Motto, der Hund
bellt, die Karawane zieht weiter, wenn nicht Siegmar Gabriel bei all dem Gestochere auch an seine Kindheit
gedacht hätte: "Lafontaine ist der Scheinriese der deutschen Politik, wie der Turtur aus der
Augsburger Puppenkiste." Daran ist alles falsch, denn der Turtur, auf die Person Lafontaine
gemünzt und vor der Puppenkiste, wurde in einem Buch von Michael Ende ersonnen, das dem kleinen
Siegmar aber wohl zu dick zum Lesen war.
Aber auf die Partei Die Linke bezogen und
in Bezug auf ihr reales Potenzial, nicht nur die Medien und das Parlament, sondern die Gesellschaft zu
verändern, stimmt das Bild vom Scheinriesen, der kleiner wird, je näher er kommt, sehr wohl. Das
haben wir schon vor einiger Zeit in dieser Zeitung analysiert. Aus der SoZ die guten Bilder klauen und sie
verdreht und verstümmelt dem Stammtisch vorhalten, an dem kaum noch einer am Bier kaut das,
lieber Gabriel, gibt einen Satz warme Ohren. Danach bitte abtreten.
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