SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2007, Seite 15

Der globale Arbeitsmarkt

Bringt er Entwicklung oder Zerstörung?

Das Beispiel der Philippinen

von Eva Olaer

Arbeitsmigration ist die profitabelste Form des Welthandels, mit geringen Investitionen in Kapital und geringen Risiken für das entsendende Land. Die Hoffnungen auf Geldrückflüsse in Form von Überweisungen sind groß.
Die philippinische Regierung unter Präsidentin Gloria Arroyo setzt die Arbeitsmigration als zentrales Mittel ein, um gegen die von der neoliberalen Politik verursachte ökonomische Krise vorzugehen. Menschen sind jetzt die bedeutendste Exportware, der größte Teil der verschickten Arbeitskräfte besteht aus Frauen. Die Regierung reagiert damit auf den Bedarf nach Arbeitskräften in den entwickelten Ländern — in Bereichen wie Hausarbeit, Versorgung der älteren Bevölkerung und anderen Dienstleistungen. Wie aggressiv dieser Menschenhandel betrieben wird, wurde während der Kriege im Libanon und im Irak deutlich, als Präsidentin Arroyo ankündigte, sie werde weitere "Supermaids" in Länder des Nahen Ostens schicken, während andere Regierungen ihre Bürger aus diesen Ländern evakuierten.
Die wirtschaftlichen Indikatoren der Philippinen zeigen, dass die Überweisungen der im Ausland lebenden Filipinas höher sind als die ausländischen Direktinvestitionen im Land. Die jährlichen Überweisungen belaufen sich auf 12—14 Milliarden US-Dollar. Diese Zahl berücksichtigt nur diejenigen, die legal im Ausland arbeiten, dabei bleiben viele Filipinas, die in Haushalten oder anderen Dienstleistungsbereichen arbeiten, unberücksichtigt.
Die philippinische Regierung benötigt diese Überweisungen dringend als Ausgleich für die fehlende Finanzierung sozialer Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Erziehung, um die Inlandsnachfrage anzuregen und um die jährlichen Haushaltsdefizite auszugleichen. Da die Einkommen aus dem Geschäft mit der Arbeitsmigration nicht produktiven Investitionen zugute kommen, bedeutet dies, dass die Arbeitsmigranten für immer im Ausland bleiben müssen, damit ihre Familien überleben können; ihre Chancen auf Rückkehr in ein wirtschaftlich korruptes und bankrottes Land werden immer geringer.

Feminisierung

Im Jahr 2003 waren 70% der philippinischen Arbeitsmigranten Frauen. Die meisten von ihnen sind zwischen 25 und 29 Jahren alt und leben und arbeiten in mehr als 192 Ländern. Viele sind in traditionellen Frauenberufen beschäftigt. In der Mehrzahl lassen sie ihre Familie zurück, die Kinder werden von den Großeltern, männlichen Partnern und weiblichen Verwandten aufgezogen. Das Paradox der Feminisierung der Arbeitsmigration ist, dass Frauen, die ihre reproduktive Funktion in der eigenen Familie aufgegeben haben, um ihre Arbeitskraft auf dem Weltmarkt anzubieten, diese Funktion nun in Familien der Ersten Welt ausüben. In ihren Heimatfamilien haben nun Männer das Sagen. Untersuchungen zeigen, dass sich das Kaufverhalten dieser Familien ändert: Es gibt Shoppingtouren und höhere Ausgaben für Luxusgüter und andere Waren, die nicht zum grundlegenden Bedarf gehören.
Arbeitsmigrantinnen, die in Privathaushalten in Europa, dem Nahen Osten, den USA und Asien arbeiten, tun dies größtenteils inoffiziell. Ihnen werden grundlegende Arbeits- und Menschenrechte verweigert. Immer mehr von ihnen werden Opfer von sexuellem Missbrauch, Menschenhandel und Prostitution.
Die philippinische Regierung stilisiert die Arbeitsmigrantinnen zu den neuen Heldinnen des Landes, weil sie die abflauende Wirtschaft retten und sich selbst dem globalen Kapitalismus zum Opfer bringen. Tatsächlich nutzen ihre Überweisungen nur dem Staat, der die Sozialleistungen kürzt, und den weltweiten Kapitalisten, die ihre Waren leichter in den liberalisierten Ökonomien von Drittweltländern absetzen können.

Soziale Kosten

Die Überweisungen von Arbeitsmigranten spielen für die Ökonomien vieler Entwicklungsländern eine weitaus höhere Rolle als die offizielle Entwicklungshilfe oder ausländische Direktinvestitionen. 167 Milliarden US-Dollar werden schätzungsweise jährlich weltweit von Arbeitsmigranten überwiesen, etwa 60% davon gehen in Entwicklungsländer. Die Schätzungen sind allerdings ungenau, denn viele Überweisungen laufen über private, inoffizielle Kanäle.
Trotz dieses enormen Geldstroms verbessern sich die Entwicklungsperspektiven des Heimatlandes dadurch nicht besonders. Die Philippinen haben große Schwierigkeiten, die Überweisungen nachhaltig produktiv anzulegen. Wie die meisten Drittweltländer haben sie nur eine geringe Kontrolle über die Zusammensetzung des Exports von Arbeitskräften. Sie sind vielmehr von der Nachfrage ausländischer Arbeitsmärkte abhängig, die möglicherweise keinen Bezug zur "überschüssigen" Arbeitskraft im Inland hat. Die Philippinen haben sich darauf konzentriert, ausgebildete Arbeitskräfte für ausländische Märkte zu "produzieren", beeinflussen aber nicht das internationale Angebot und die internationale Nachfrage.
Die durchschnittliche Überweisung aus Europa oder den USA beträgt 150-200 US-Dollar monatlich. Nur ein sehr geringer Teil davon geht in die Schaffung von Arbeitsplätzen oder in den Erwerb von Eigentum.
Weit davon entfernt produktiv zu sein, erhöhen Überweisungen die Ungleichheit, sie stimulieren den Konsum importierter Güter, treiben die Preise für Erziehung und Gesundheit in die Höhe und führen zu Abhängigkeit. Der reale Wert des Geldes wird darüber hinaus reduziert, denn die Wechselkurse sind zu niedrig für schwache Währungen. Hinzu kommen die Überweisungsgebühren. So steigern Überweisungen vornehmlich die Profite ausländischer Banken und unterstützen die Verbreitung von Unternehmen im Bereich des Währungsumtauschs und des Geldtransfers.
Globale Kapitalisten sind die Hauptnutznießer der Arbeit der Migrantinnen in privaten Haushalten, denn sie müssen kaum etwas für die Reproduktion der Arbeitskraft bezahlen. Dies gilt insbesondere für Migrantinnen ohne Papiere, deren Bezahlung extrem niedrig ist und die keine Sozialleistungen beziehen — weder Krankenversicherung, noch Krankengeld, Rentenversicherung oder bezahlten Urlaub.
Illegale Arbeitsmigranten organisieren sich jetzt in vielen Ländern. Die Bewegung der "Sans Papiers" in Frankreich begann vor zehn Jahren. Vor kurzem gab es massive Demonstrationen in den USA und in Großbritannien. In den Niederlanden entsteht eine Kampagne zur Anerkennung der zum allergrößten Teil weiblichen Hausarbeit als Erwerbsarbeit und für eine Regulierung der Arbeit ausländischer Hausangestellter. Es ist von großer Wichtigkeit, dass diese Arbeiterinnen und Arbeiter die volle Unterstützung der Linken und der Arbeiterbewegung erhalten.

Eva Olaer ist geschäftsführende Direktorin von Stichting Sumpay Mindanao International, Amsterdam (Übersetzung: Harald Etzbach).





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