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Auf einem Workshop des Alternativgipfels zu G8, der von der Basisinitiative
Solidarität (BaSo), der Ökumenischen Initiative Mittelamerika und Kolumbiengruppen aus
verschiedenen Städten organisiert wurde, berichtete Edgar Páez, internationaler Sekretär der
kolumbianischen Lebensmittelgewerkschaft Sinailtrainal, über die Situation in Kolumbien. Beatrix
Sassermann, eine der Organisatorinnen der Veranstaltung, sprach mit ihm für die SoZ.
Edgar, eure Gewerkschaft ist Mitorganisatorin einer Anhörung im Rahmen des Ständigen
Tribunals der Völker (STV) in Kolumbien. Was ist dieses Tribunal, und was wollt ihr mit der
Anhörung erreichen?
Kolumbien ist ein an natürlichen Ressourcen sehr reiches Land, die besonders von multinationalen
Konzernen ausgebeutet werden. Um sich Zugang zu den natürlichen Reichtümern zu sichern, begehen
die Konzerne Verbrechen gegen die Menschheit oder profitieren zumindest von ihnen. Ermordungen,
Vertreibungen, Kriminalisierung der sozialen Proteste sind ein Dauerzustand in unserem Land. Die Rohstoffe
werden durch den sog. schmutzigen Krieg (Terror durch paramilitärische Gruppen) oder durch den Staat
das nennen wir Staatsterror auf Kosten weiter Teile der Bevölkerung gewonnen.
Diese Politik wird von transnationalen wie von nationalen Konzernen wie auch von der kolumbianischen
Regierung betrieben. Dabei hilft ihnen, dass seit vielen Jahren Tausende Verbrechen fast vollständige
straffrei bleiben. Die Justiz funktioniert im Interesse der Reichen, was verheerende Auswirkungen auf
unsere Organisationen hat.
Aufgrund dieser Situation hat sich eine bedeutende Anzahl von Organisationen an die Lelio-Basso-
Stiftung in Italien gewandt und darum gebeten, in Kolumbien eine Session des Ständigen Tribunals der
Völker (STV) einzuberufen. In öffentlichen Anhörungen soll über das Vorgehen der
transnationalen Konzerne Gericht gehalten werden. Die Stiftung hat sechs Anhörungen einberufen. Die
Themen sind Nahrungsmittel und Landwirtschaft, Bergbau, biologische Vielfalt, Erdöl, öffentlicher
Dienst und die Ausrottung der indigenen Bevölkerung. Am Ende wird es ein abschließendes Urteil
über die vorgetragenen Verbrechen geben.
Was ist das Ständige Tribunal der Völker?
Das STV ist ein Gericht mit Nichtregierungscharakter. Es geht auf das Russell-Tribunal zurück, das
geholfen hat, die US-amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam aufzuklären. Es ist ein juristisches
Instrument zur Wahrheitsfindung, Erlangung von Gerechtigkeit und vollständiger Entschädigung der
Opfer. Es besteht aus rund 130 Frauen und Männern mit hoher moralische Reputation. Es handelt sich um
Soziologen, Indígenas, Politiker, Intellektuelle, Menschenrechtsvertreter und andere, die durch den
Rat der Lelio-Basso-Stiftung für das Recht und die Befreiung der Völker bestellt werden.
Das STV fällt seine Urteile auf der
Grundlage der Menschenrechtskonventionen und des Internationalen Rechts ohne Rücksicht auf die
Interessen der politisch Mächtigen, seien es nationale Eliten oder imperialen Herrscher. Sie werden
außerhalb des üblichen juristischen Apparats der jeweiligen Länder gefällt und
repräsentieren in gewisser Weise das ethische Bewusstsein der Völker bzw. der Menschheit.
Das STV ist bisher einunddreißigmal
zusammen getreten, es hat sich immer mit gravierenden Leiden der Bevölkerung oder mit der
Unterdrückung durch fremde Regierungen befasst. Neben dem Verhalten von multinationalen Konzernen
wurden auch über die Politik von Weltbank und IWF gerichtet.
Vom 2. bis 4. August wird das STV in
Bogotá ein Erdöl-Hearing durchführen, bei dem Anklagen gegen die Unternehmen Occidental
Petroleum (OXY), Repsol und BP präsentiert werden.
Was sind die größten Probleme im Erdölsektor?
Die erwähnten Konzerne werden in mehreren Fällen der Verbrechen gegen die Menschheit und
gegen die Umwelt beschuldigt. Dazu gehören die Auslöschung indigener Bevölkerungen (Guajivos
und Uwas), die Zerstörung der biostrategischen Lagune del Lipa, systematische
Menschenrechtsverletzungen und die Auslöschung von sozialen Bewegungen, besonders in den Provinzen
Casanare, Arauca, Boyaca, Santander.
Andere wichtige Themen, die vorgebracht
werden, sind die Deregulierung der Arbeitsbedingungen, die Prekarisierung, die Massenentlassung von
Streikenden, die Ermordung und das Verschwindenlassen von Hunderten Gewerkschaftern der
Erdölgewerkschaft USO auch mit dem Ziel, den Widerstand gegen die Privatisierung der
Erdölproduktion (Ecopetrol) zu brechen und transnationalen Firmen noch stärker Zugriff auf
kolumbianisches Erdöl zu verschaffen. Die USO ist entstanden im Kampf für die Verstaatlichung der
Erdölproduktion. Heute ist sie mit der Privatisierung der zweiten Raffinerie im Norden Kolumbiens
konfrontiert.
Der kolumbianische Staat hat diesen Prozess
nicht nur durch Gesetzesänderungen, sondern auch durch den Aufbau und das Training
paramilitärischer Gruppen und die Komplizenschaft bei Menschenrechtsverletzungen gefördert.
Dafür wird vor dem Tribunal auch der kolumbianische Staat angeklagt werden.
Wer wird an dem Hearing teilnehmen?
Es werden Menschen aus den verschiedenen Regionen Kolumbiens, aber auch aus anderen Teilen der Welt
zugegen sein.
Du warst auch bei Veranstaltungen des Gegengipfels dabei. Was war dein Eindruck?
Für mich war das eine sehr schöne Erfahrung: Große Demonstrationen, die die kriminelle
Politik der Mächtigen, der Konzerne, den Kapitalismus angreifen. Tausende Menschen sind aus
verschiedensten Ländern zusammengekommen, um gemeinsam für eine bessere Zukunft zu kämpfen,
Alternativen zu entwickeln und Aktionen zu koordinieren, damit unsere Träume von der anderen Welt ein
Gesicht bekommen.
In Deutschland ist deine Gewerkschaft hauptsächlich durch die Kampagnen gegen Coca Cola und
Nestlé bekannt. Wie ist der Stand bei diesen Kampagnen?
Sie gehen weiter und weiten sich aus zu einer allgemeinen Solidarität mit unseren Kämpfen.
Der Einfluss der Konzerne und die Umweltprobleme werden immer größer. Immer weniger Arbeiter
haben vernünftige Beschäftigungsverhältnisse. Die Abhängigkeit bei der
Nahrungsmittelversorgung wächst, der Abbau der demokratischen Rechte schreitet voran und die
Menschenrechte werden weiter verletzt. Deshalb sollte die Solidarität sich nicht nur auf einen Konzern
beschränken, sondern wir sollten gemeinsam weitere Initiativen ergreifen.
Am 22. Juli 2008 wird in Bogotá das
letzte zusammenfassende Tribunal stattfinden. Wir möchten gerne, dass ihr uns bei diesen
Aktivitäten begleitet und uns helft, unsere gravierende Situation sichtbar zu machen. Gemeinsam kommen
wir besser voran auf der Suche nach sozialer Gerechtigkeit, Souveränität und einem würdigen
Leben. Lasst uns unsere gemeinsamen Bemühungen des Widerstands und für das Leben verstärken.
Vielen Dank dafür, und wir sehen uns in Kolumbien!
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