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Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2007, Seite 26

Klaus Täubert: "Unbekannt verzogen..."

Der Lebensweg des Suchtmediziners, Psychologen und KPD-Gründungsmitglieds Fritz Fränkel, Berlin: Trafo 2005, 166 S., 14,80 Euro

von Dieter Bräg

Klaus Täubert, Jahrgang 1940, lebt in Berlin und hat mit dieser kleinen, sehr persönlich beschriebenen Lebensweg des Suchtmediziners Fritz Fränkel (1892—1944) der auch KPD-Gründungsmitglied war, eine Arbeit veröffentlicht, die mehr Aufmerksamkeit verdienen würde. Fritz Fränkel war gemeinsam mit Ernst Joël Autor des Buches Der Codcainismus das 1924 erschien und sich mit der grundlegenden Geschichte und Psychopatholgie der Rauschgifte beschäftigte. Fränkel war als Aufsichtsperson an den Rauschgiftexperimenten von Walter Benjamin und Ernst Joël beteiligt und mit den Geschwistern von Benjamin, Dora und Georg, sehr gut befreundet.
Heute in dieser großen Zeit, die so klein ist, dass sie die Freiheit mit der Abschaffung des Grundgesetzes verwechselt, nur um Fluglotsen der Privatisierung zuführen zu können, oder den Pissstrahl eines jeden aufzuzeichnen, weil der das Urinal sprengen könnte, wird Geschichte so unwichtig wie ein Kropf. Umso mehr muss man Klaus Täubert dankbar sein — er hat aus den wenigen Spuren ein Leben entstehen ließ, das trotz der Ermordung, Verfolgung und Vertreibung der Juden nicht ausgelöscht werden konnte.
Fritz Fränkel der 1915 sein Medizinstudium abgeschlossen hatte und sich freiwillig zum Kriegsdienst meldete, war an der Ostfront Bataillonsarzt. Die dort gemachten Erfahrungen radikalisierten ihn, und der Königsberger Soldatenrat schickte ihn als Delegierten zur Konferenz des Spartakusbunds im Dezember 1918, aus der dann der Gründungskongress der KPD wurde.
Da Fränkel dort nicht nur für die Demokratisierung des Bildungssystems eintrat, sondern auch die Agrarfrage geklärt haben wollte und meinte die Hochschulen, ja die gesamte Wissenschaft, seien dienstbare Geister der Reaktion und Voraussetzung für die Lebensfähigkeit eines kapitalistischen Staates, bot man ihm an, sich ins Zentralkomitee wählen zu lassen. Er lehnte ab, ihm war klar, dass er sich nicht zum linientreuen Funktionär eignen würde.
Nach einer kurzen Tätigkeit in Stuttgart, eröffnete Fränkel in Berlin-Wilmersdorf seine eigene Praxis als Nervenarzt und Suchtmediziner. Er veröffentlichte viele Fachartikel und war im "Proletarischen Gesundheitsdienst" tätig, einer Abspaltung vom Arbeiter-Samariter-Bund. Diese Tätigkeit reichte aus, um ihn mit einem Parteiausschlussverfahren zu bedrohen.
Fränkel machte reichlich negative Erfahrungen mit der Parteibürokratie der KPD, die ihm Hochstapelei, Quertreiberei und Strebertum vorwarf. Vor dem Ausschluss rette ihn der Reichtagsabgeordnete und Historiker Arthur Rosenberg, der später selbst Opfer ähnlicher Verleumdungen wurde.
Zum Freundeskreis von Fränkel gehörten Ruth Fischer, Willi Münzenberg und nach seiner Emigration auch Hannah Arendt, Gustav Regler und Victor Serge.
Trotz Frontdienst und Eisernem Kreuz hatte die SA Fränkel im Visier. Nach dem Reichstagsbrand wurde er verhaftet und in verschiedenen SA- Folterkellern in Berlin schwer misshandelt.
Nach seiner Flucht in die Schweiz machte er die Misshandlungen öffentlich: "Mit Peitschen und Gummiknüppeln" sei er misshandelt worden, selbst während er Mitgefangenen ärztlich half, sei er gepeinigt worden und musste ständig mitteilen, dass er "ein stinkender Jude" sei.
Um Vermögen und die Früchte seiner Arbeit gebracht, verließ Fränkel mit Frau und Sohn Deutschland. Ein Flüchtlingsschicksal folgte — Schweiz, Frankreich, Spanien und Trinidad und zum Schluss Mexiko. Fränkel versuchte immer zwischen Politik und Medizin eine Brücke zu schlagen.
Er kämpfte aktiv im spanischen Bürgerkrieg und erkannte früh, dass dieser Kampf mit einer Niederlage enden würde. Dies brachte ihm, der sich immer mit seiner Meinung zwischen die Stühle setzte, den Vorwurf ein, ein Deserteur zu sein und dazu Morphinist und Trotzkist. Außerdem habe er Verbindung zu Anarchisten gehabt und deutsche Kommunisten an die französische Polizei verraten. Damit wurde er 1937, als er in Paris lebte, konfrontiert und lebte dementsprechend gefährlich.
1938 bürgerten ihn die Nazis aus, und bei Kriegsbeginn wurde Fränkel von den Franzosen als Staatenloser interniert. Nach schrecklichen Erfahrungen in mehreren französischen Lagern gelang es ihm, sich nach Übersee abzusetzen. Er lebte zum Schluss in Mexiko-Stadt, wo er 1944 starb.
Täuberts Biografie dokumentiert ein wirklich nicht alltägliches Leben. Jener Kleingeisterei die Fritz Fränkel sehr oft das Leben zur Qual werden ließ, der begegnen wir heute wieder. Man muss Hochachtung haben vor einer Generation, die viel erdulden musste, und doch dem Kommunismus nicht abschwor.


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