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Ihr ehemaliger Kollege Alan Greenspan von der Fed ist dafür gescholten
worden nachdem er zuvor dafür gerühmt worden war , dass er auf die Rezession im
Gefolge von 9/11 mit einer langen Periode von Zinssenkungen reagiert hat, die im Juni 2003 mit 1% ihren
Tiefpunkt erreichte. Man wirft ihm vor, die jetzigen Immobilienkrise hervorgerufen zu haben. Uns scheint,
da sitzt jemand im Glashaus und wirft mit Steinen.
Ohne die Intervention der Fed hätte
die US-Wirtschaft sich in der Tat nicht so rasch und so spektakulär von der Rezession 2001 erholt. Das
Problem liegt jedoch nicht so sehr darin, dass Herr Greenspan damals mit unerhört zinsgünstigen
Krediten eine Starthilfe gegeben hat ebenso wenig wie Ihnen jetzt vorzuwerfen, dass Sie jetzt
Hunderte von Milliarden in den Geldmarkt pumpen; nur Zyniker vom Schlage der Financial Times Deutschland
schreiben: "Lass es krachen, die anderen zahlen" (15.8.07). Das Problem liegt darin, dass diese
Starthilfe keine Binnenmarktkonjunktur angeworfen hat, die auf einer Ausweitung des Wohlstands der
Bürger basierte, sondern eine, die auf einer Schuldenexplosion basierte und zwar im Bereich des
Konsums. "80% der amerikanischen Wirtschaft werden vom Konsum getrieben", schrieb der Economist
Mitte 2005. 90% des Wachstums der letzten vier Jahre gingen auf eine hemmungslose private Verschuldung
zurück.
Die Verschuldung der US-amerikanischen
Haushalte in den USA ist zwischen 2001 und 2005 von 7500 Mrd. Dollar auf über 12000 Mrd. Dollar
gestiegen. Das sind unvorstellbare Summen. Das Bruttosozialprodukt der USA liegt niedriger, es beträgt
"nur" 13000 Mrd. Dollar. Umgerechnet auf 300 Millionen offiziell in den USA lebenden Personen
macht das im Durchschnitt 40000 US-Dollar Schulden pro Kopf vom Baby bis zum Greis.
Warum aber haben sich so viele US-
Bürger verschuldet? Das Angebot von billigem Geld allein ist noch kein Grund. Es muss auf der anderen
Seite auch die Not da sein es aufzunehmen. Warum konnte eine Ausweitung des Konsums vorausgesetzt,
das sei eine unter allen Umständen wünschenswerte Größe nicht aus eigener Arbeit
und dem Lohn, den man dafür erhält, erwirtschaftet werden?
Die Antwort darauf finden Sie in den
Statistiken der Einkommensverteilung: Die Schere hat sich ungeheuer geöffnet. Die Lohnquote war seit
Bestehen der Einkommensstatistik noch nie so gering wie heute. Der Anteil der Gewinne hingegen liegt so
hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr. Die ärmere Hälfte der US-Bürger besitzt heute nur 2,5%
des Volksvermögens, das reichste Zehntel 70%.
Vor allem die Tatsache, dass es in den USA
so gut wie keine funktionierende öffentliche Gesundheitsversorgung gibt, reißt große
Löcher in die privaten Haushaltskassen. Im Jahr 2005 haben über 2 Millionen Privatleute Insolvenz
angemeldet; der größte Teil davon hatte krankheitsbedingte Schulden in Höhe von mehreren
tausend Dollar. Kein Wunder, dass Geld verleihen so ein lukratives Geschäft geworden ist, dass
Tausende von sog. Finanzdienstleistern seither aus dem Boden gesprossen sind. Früher nannte man sie
Wucherer. Und Wucherzinsen erheben sie manchmal auch bis zu 500%; es gibt immer noch US-
Bundesstaaten, die kein Gesetz haben, das Wucher verbietet.
Jetzt ist die Blase geplatzt und die
Weltwirtschaft droht, in eine Rezession zu rutschen. Sie, Herr Trichet, gehören zu denen, die dennoch
meinen, das US-Modell sei auch für uns in Europa nachahmenswert. Die EU-Kommission, deren Kurs Sie
stützen, hat mit ihrer Liberalisierung der Finanzmärkte und der Dienstleistungen den
europäischen Markt für in- und ausländische Heuschrecken geöffnet. Die kaufen auf Pump
Unternehmen auf und zerlegen sie. Sie drängen aber auch auf den Immobilienmarkt und schlachten die
Geldnöte der Kommunen aus, um billig an öffentliches Wohneigentum heranzukommen, das sie dann mit
hohem Gewinn weiterverkaufen, womit sie die Immobilienpreise in die Höhe treiben. So treiben auch die
EU-Regierungen Menschen in Verschuldung. In Deutschland ist mittlerweile zwar nicht jeder Fünfte
überschuldet, aber jeder Zehnte schon.
Ihrem und Ihresgleichen Treiben kann man
nicht tatenlos zusehen. Wir werden deshalb alle Hebel in Bewegung setzen, damit die Privatisierung
öffentlichen Wohneigentums gestoppt wird. Im Jahr 2009 wollen Sie, wie auch Frau Merkel, einen EU-
Vertrag verabschieden, in dem alles das, was in den USA falsch gelaufen ist und was auch bei uns
seit Jahren falsch läuft , zementiert und zum Gesetz erhoben wird. Die Zurückweisung dieses
Vertrags wäre ein erster Schritt umzulenken. Auf dem Sozialforum in Cottbus und im kommenden Jahr in
Malmö werden wir uns darüber zu verständigen haben.
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