SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2007, Seite 06

Drei auf einen Streich

In Berlin laufen drei Volksbegehren gegen die Privatisierungspolitik des Senats

von Hermann Werle

Mitte Juni starteten drei Volksbegehren gegen den neoliberalen Ausverkauf öffentlicher Güter in Berlin. Getragen werden die Begehren von dem im Februar 2006 gegründeten "Berliner Bündnis gegen Privatisierung". Mit den Begehren verstärkt sich der Druck auf die Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik des Berliner Senats und damit auf die mitregierende "Die Linke".
Das "Berliner Bündnis gegen Privatisierung" startete gemeinsam mit dem "Berliner Wassertisch" und der "Initiative Berliner Bankenskandal" zeitgleich zwei Volksbegehren zu den Themenfeldern "Wasser" und "Sparkasse" um so die vielfältigen kritischen Positionen gegenüber der Senatspolitik besser bündeln und in eine breite Öffentlichkeit zu tragen. Mit der Initiative der Studierenden gegen die Einführung von Studiengebühren erweiterte sich das thematische Terrain und der Kreis der Aktiven. Diese drei Volksbegehren sind der "umfassendste Versuch in einer Großstadt auf unterschiedlichen Politikfeldern über das Instrument Volksbegehren die bürgerschaftliche Wiederaneignung öffentlicher Güter voranzutreiben", betont der emeritierte FU-Professor Peter Grottian.
Das studentische "Bündnis für Solidarität und freie Bildung" setzt sich in diesem Rahmen zudem für den unbeschränkten Zugang zum Masterstudiengang und für demokratischere Strukturen an Berlins Universitäten ein. Mit dem Kampf gegen die Einführung von Studiengebühren wendet es sich grundsätzlich gegen "den Trend, Bildung als Ware zu begreifen".
Das zweite Volksbegehren thematisiert die seit 1999 teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe und damit einen stadtpolitischen Dauerbrenner. Während die Konzerne (RWE und Veolia) in den letzten Jahren ihre Gewinne aus dem Wassergeschäft fortlaufend steigern konnten, sanken die Anzahl der Beschäftigten und die Summe der Aufwendungen für notwendige Investitionen. Die Quittung der Privatisierung bekommen die Berliner Haushalte in Form jährlicher Preiserhöhungen serviert. Zwar versprechen SPD und Linkspartei regelmäßig die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe prüfen zu wollen, es passiert jedoch nichts in dieser Hinsicht. Mit dem Volksbegehren soll Bewegung in diese Debatte kommen. Angestrebt wird die Offenlegung jener geheimen Verträge, die den privaten Konzernen üppige Gewinne garantiert, während die Wasserpreise in die Höhe schnellen. Damit könnte die Voraussetzung für eine Klage auf Nichtigkeit der Verträge und dann auch für eine Rekommunalisierung geschaffen werden.
Den aktuellsten Anlaß für ein Volksbegehren gibt der Verkauf der Berliner Landesbank samt Berliner Sparkasse, mit dem Berlin zum bundesweiten Vorreiter der Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Bankensektors zu werden drohte. Schlussendlich ging die Sparkasse an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) und blieb damit unter öffentlich-rechtlicher Kontrolle, was die Linke und ihr Vorsitzender Klaus Lederer als Riesenerfolg des "rot-roten" Senats feierte.
Dass ein Volksbegehren zur Novellierung des Berliner Sparkassengesetzes dennoch sinnvoll ist, erklärt Benedict Ugarte von der Initiative Bankenskandal: "Das deutsche Bankensystem mit seiner Trennung von Privatbanken, Genossenschaftsbanken und öffentlich-rechtlichen Banken ist sowohl der EU als auch dem Privatbankensektor ein Dorn im Auge." Es ist aber nicht so, "dass die Gefahr eines Aufbrechens dieses Systems mit dem Berliner Landesbank-Verkauf an den DSGV abgewendet wäre", so Ugarte. "Denn das unter rot-roter Verantwortung von einer internationalen Kanzlei geschriebene Berliner Sparkassengesetz macht den Verkauf der Sparkasse an einen privaten Investor nach wie vor möglich — und deshalb ist es ein Modellgesetz für die ganze Bundesrepublik."
Es bliebe also nur abzuwarten, wann das nächste Bundesland seine Sparkassen privatisieren möchte und sich dabei auf das Berliner Sparkassengesetz berufen wird. Um die Berliner Sparkasse auf soziale Belange zu verpflichten, soll mit dem dritten Begehren das Sparkassengesetz im Interesse der Beschäftigten und Bürger novelliert werden. Vorgesehen ist dabei u.a. die Festschreibung eines "Girokonto für jedermann" sowie der Erhalt der Filialen und Arbeitsplätze.
Dass die Volksbegehren auf große Resonanz stoßen, zeigt die Liste prominenter Erstunterzeichner sowie die solidarische Unterstützung aus anderen Bundesländern. Sehr treffend — nicht nur für die Situation in Berlin — bemerkt Mag Wompel, Chefredakteurin bei LabourNet Germany: "Jeder Schritt der Privatisierung ist ein Schritt zur weiteren Unterwerfung aller Lebensbereiche unter das Diktat des Kapitals. Jeder Schritt des Widerstands dagegen bringt uns näher an das, was die Menschen brauchen: bedingungslose, unentgeltliche soziale Infrastruktur für alle!"
Zur Begleitung der Volksbegehren hat das "Berliner Bündnis gegen Privatisierung" die zweite Ausgabe der Antiprivatisierungszeitung Privare herausgegeben. Die Zeitung, die Liste der Erstunterzeichner sowie Unterschriftenbögen und weitergehende Informationen finden sich unter: www.unverkaeuflich.org .


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