SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2007, Seite 22

Roman

James Meek: Die einsamen Schrecken der Liebe, München: Knaur, 2007, 429 S., 8,95 Euro

Wir schreiben 1919, der russische Bürgerkrieg nähert sich dem Ende. In dem kleinem sibirischen Nest Jasyk haben sich tschechische Soldaten eingenistet und die lokale Kontrolle übernommen. Deren Kommandeur, der vor nicht all zu langer Zeit ein Massaker unter vermeintlich kommunistischen Widerständlern angerichtet hatte, träumt vom der Herrschaft über die Transsibirische Eisenbahn und verschweigt seiner geschrumpften Interventionstruppe, dass Prag das Expeditionskorps nach Hause berufen hat. Unter den Leuten rumort es, sie wollen in die Heimat, die nicht mehr zum Habsburgerreich gehört, einige fühlen sich von den Roten angezogen, die langsam die politische und militärische Oberhand gewinnen.
Fremd fühlen sich die Tschechen in dem Ort auch, weil hier merkwürdige Dinge vorgehen, heimliche Versammlungen der Dorfbewohner, denen die Kinder fehlen, derwischartige Trancetänze und eine seltsame Friedfertigkeit, die nicht zu den Wirren des Bürgerkriegs zu passen scheint. Eine instabile Situation, die sich mit dem Auftauchen eines Fremden und dem Kanonendonner der Roten Armee aufzulösen beginnt. Der Fremde heißt Samarin, er wird festgenommen und nach einem Tribunal soll entschieden werden, ob er als Spion erschossen wird oder ihm sein Leben geschenkt wird. Und er erzählt seine Geschichte, die eines Terroristen, der in den Weißen Garten verbannt wurde, dort nur mit Hilfe eines Schwerverbrechers überlebt — zu einem hohen Preis: Gemästet wie ein Schwein sollte er seinem Fluchtkumpanen, der als der "Mohikaner" auch unter den anderen Gefangenen berüchtigt war, als eiserne Reserve dienen.
Er warnt die Soldaten und die Dorfbewohner, denn der Mohikaner sinnt auf Rache, er wird niemanden schonen,ein Opfer hat er schon gefunden, am folgenden Tag wird eine zweite Leiche gefunden.
Anna Petranowa, die Dorfschönheit, deren Konterfei auf den Geldscheinen der Lokalwährung gedruckt ist, nimmt sich des Flüchtlings an, bei dem ihre Sehnsüchte auf Widerhall zu stoßen scheinen. Doch dies ist eine große Täuschung.
Obwohl James Meeks Roman die sprachliche Eleganz Pasternaks fehlt, die Geschichte lässt sich mit Doktor Schiwago vergleichen, wilder und ungestümer ist sie und merkwürdiger, führt sie doch auch in eine Welt, die die Hoffnung auf ein friedfertiges Leben durch Kastration zu erreichen sucht.

Udo Bonn


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