SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2007, Seite 15

Verheerende Waldbrände in Griechenland

Das größte moderne griechische Drama

von Vaggelis Karageorgos

Die verheerenden Folgen der Brände in Griechenland waren größtenteils Folge von Entstaatlichung und damit einhergehender Verschlechterung der öffentlichen Einrichtungen. Die Brände verursachten auch eine Verschiebung der politischen Kräfte.
Am 23.August begann der Albtraum mit einem Feuer, das in der Region von Zaharo auf dem Peloponnes ausbrach. In der Woche vom 23. bis zum 31.August loderten 137 Feuer und zerstörten riesige Gebiete des Peloponnes in den Provinzen Elis, Messenien, Lakonien und Arkadien sowie die schöne Insel Euböa.
In den ersten drei Tagen glänzten die Behörden durch Abwesenheit. Als der Staat dann aktiv wurde, war er vollkommen unfähig, die Brände unter Kontrolle zu bringen, Rettung zu organisieren und den Menschen zu helfen, die vom Feuer angegriffen worden waren. Die einzige Hilfe kam von Regionalverwaltungen aus anderen Regionen des Landes und von einfachen Leuten, die eine ungeheure Solidarität bewiesen.
Nach zehn Tagen hörte es langsam auf zu brennen, es gab nichts mehr, was verbrannt werden konnte. Die Zerstörungen waren verheerend. 65 Menschen waren auf furchtbare Weise ums Leben gekommen, über 100000 Menschen verloren ihr Heim, Ackerland und Tiere. 120 Dörfer waren ganz oder größtenteils zerstört, und mehr als 1500 Häuser vollkommen abgebrannt.
Nach Angaben des griechischen Bauernverbands fielen dem Feuer riesige Ackerflächen und 73000 Tiere zum Opfer. Die Agrarwirtschaft des Peloponnes ist zerstört. Die ökologischen Schäden können noch nicht beziffert werden. Das ganze Land steht unter Schock und der Albtraum ist noch nicht vorbei — wegen der Waldschäden drohen nun vielen Regionen, einschließlich Athen, im Winter starke Überschwemmungen.

Der Regierung glaubt man nicht

Der große Schock ereignete sich fünfzehn Tage vor den Parlamentswahlen, er war in der Wahlkampfzeit das vorherrschende Thema. Die konservative Regierung sprach von einem organisierten Plan von Brandstiftungen und behauptete sogar, es könnte sich um einen Terrorangriff gehandelt haben — ein 11.September gegen Griechenland. Von wem? Ohne irgendeinen Beweis sprachen einige Minister von externen Drohungen, andere sprachen von anarchistischen Brandstiftern. Die Lüge war so groß, dass einige Leute daran glaubten. Die KP Griechenlands (KKE) war einer Meinung mit der Regierung, ebenso die extrem rechte Partei LAOS.
Glücklicherweise waren viele Menschen von den Lügen der Regierung nicht überzeugt. Zehntausende organisierten sich selbst per SMS und E-Mail und protestierten in vielen Städten. Sie trugen schwarze Kleidung, um ihrer Empörung Ausdruck zu verleihen, und stellten ein großes Warum in den Raum. Wer zerstört aus welchem Grund unsere Umwelt und unser Leben?

Warum?

Die Fragen und diese Empörung motivierten auch einige Zehntausende zur Teilnahme einer Demonstration, die das griechische Sozialforum, die Gewerkschaften und die Feuerwehrleute organisierten. Die Empörung wird bei den Wahlen die Stellung der beiden großen Parteien (die konservative Nea Dimokratia, ND, und die sozialdemokratische PASOK) schwächen und die der zwei linken Parteien, die KKE und die Koalition der radikalen Linken (Syriza) stärken, leider aber auch zum ersten Mal die rechtsextreme Partei LAOS ins Parlament bringen.
Warum gab es so viele und so zerstörerische Brände? Klimatische Veränderungen haben alle Standards auf den Kopf gestellt. Es würde nicht so viele und so zerstörerische Brände ohne die anhaltenden Hitzewellen und die abnormal starken Sommerwinde geben. Wald entzündet sich selbst bei Hitzewellen nicht von allein, aber Brände werden dann schnell unkontrollierbar.
Wer ist für den Klimawandel verantwortlich? Der Klimawandel ist von Menschen verursacht, aber wir tragen nicht alle dieselbe Verantwortung, auch wenn Al Gore uns dies weismachen will. Schuld sind die, die ungehindert Treibhausgase in die Atmosphäre pusten. Das ist die Industrie, allen voran die der USA, nicht weit dahinter die griechischen Industriellen. Komplizen des Verbrechens sind ND und PASOK, die trotz Unterzeichnung des (unzureichenden) Kyoto-Abkommens dieses nicht respektieren und Griechenland zu einem Vorreiter in Europa bei der Emission von Treibhausgasen gemacht haben.
Gibt es Brandstifter und einen organisierten Plan? Natürlich gibt es sie. Private Individuen bedrohen die Wälder und wollen dort Hotels und Wohnanlagen errichten. Mit Brandstiftung kommen sie am leichtesten an die Genehmigungen. Verbrannter Wald ist kein Wald mehr und muss nicht mehr geschützt werden. So kann er leicht in Baugrund verwandelt werden. Schwarzbauten lassen sich dann einfach legalisieren.
Die Regierung trägt auch eine unmittelbare Verantwortung für die Brände. Denn sie hat versucht, Artikel 24 der Verfassung zu ändern, der die Wälder schützt. Nicht nur Brandstifter sind für das Feuer verantwortlich. Die meisten Brände werden durch elektrische Anlagen verursacht, die von privatisierten Elektrizitätsfirmen nicht ordentlich gewartet werden. Die Anarchie des Marktes und die Profitkultur verbrennen unser Leben.
Die Brände waren für Griechenland wie Katrina, nicht wie der 11.September. Sie passierten nicht aus heiterem Himmel. Seit Jahrzehnten stellen sie im Sommer die größte Bedrohung dar. Unter den Bedingungen des Klimawandels würde ihre Bekämpfung ein koordiniertes Vorgehen einer handlungsfähigen Staatsmacht erfordern. Stattdessen propagieren die Neoliberalen weniger Staat.
Warum haben die Behörden versagt? Weil sie, statt den Brandschutz zu verbessern, die öffentliche Infrastruktur für die Prävention und die Unterdrückung von Feuer ausgedünnt haben:
Für die Schaffung von Brandschutzzonen in den Wäldern wurde kein Geld ausgegeben;
die Feuerwehr wurde personell ausgedünnt — es fehlen 4000 Feuerwehrleute, an ihrer Stelle werden Saisonarbeitskräfte und ungeschultes Personal eingesetzt;
es gibt keine Ausgaben für mehr und modernere Feuerwehrausrüstung.
Die griechische Regierung gibt viel Geld für Waffen und Militärflugzeuge aus, aber für die Anschaffung besonderer Flugzeuge zur Feuerbekämpfung gibt es kein Geld.
Mit anderen Worten: Menschen werden ernsthaft durch das Walten der "Marktgesetze" verletzt — die Griechen mussten das auf bittere Weise erfahren. Sehr bald wird das Dilemma "Ökosozialismus oder Barbarei" die öffentliche Debatte dominieren. Die Bedrohung durch Überschwemmungen und Verwüstung steht "ante portas", vor den Toren.

Der Autor ist Mitglied der revolutionär-marxistischen Organisation Kokkino ("Rot"), die Teil des linken Bündnisses Syriza ist. Bei den Wahlen am 16.September erzielten KKE und Syriza Stimmengewinne und erhielten 8,2 bzw. 5% der Stimmen (2004: 5,9 bzw. 3,2%). Während PASOK und ND Stimmenverluste hinnehmen mussten, zog die rechtsextreme Partei LAOS ("Volk") zum ersten Mal ins Athener Parlament ein.


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang