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Die Mehrheit der irakischen
Bevölkerung ist gegen die Privatisierung der Ölfelder. Aber die US-Konzerne wollen jetzt die Ernte des Kriegszugs
einfahren. Es sieht so aus, als wollten die US-Truppen solange im Land bleiben, bis ein entsprechendes Ölgesetz
durchgesetzt ist.
Kürzlich führte die Nachrichtenagentur OneWorld im
Irak eine repräsentative Umfrage durch. Sie wurde von Nonprofit-Organisationen aus Großbritannien und den USA
finanziert: Oil Change International, Institute for Policy Studies, Global Policy Forum, Jubilee Iraq. Alle Religionen,
sozialen und ethnischen Gruppen waren vertreten. Ergebnis: Die überwältigende Mehrheit ist gegen eine
Privatisierung der Ölressourcen des Landes. 66% der Sunniten, 62% der Schiiten und 52% der Kurden sind demnach für
eine nationale Kontrolle über das Öl im Land.
Kurdische Behörden ignorieren diesen Wunsch, und sie
ignorieren die Regierung in Bagdad. Sie treiben Pläne voran, ausländischen Firmen 40 neue Rohölreservoire
(Ölblocks) anzubieten.
Dow Jones Newswire berichtete im August 2007: "Die
Ölgiganten Total SA und Chevron Corp. haben wechselseitige Service-Verträge unterschrieben, um gemeinsam die
Kohlenwasserstoffe in einem der größten irakischen Ölfelder zu untersuchen und zu entwickeln, sobald das Land
ein Ölgesetz beschlossen hat." Wie der Bericht weiter feststellt, ist noch kein Fördervertrag (PSA) mit den
Behörden in der Grünen Zone zustande gekommen, doch das Abkommen zwischen den beiden Firmen sei "ein
großer Vorsprung" für beide Unternehmen, was die künftige Ausbeutung des Ölfeldes betreffe. Dieses
trägt den Namen "Majnoon" und liegt an der Grenze zum Iran. Das Feld wird auf 12 Milliarden Barrel
geschätzt und wäre somit das viertgrößte Ölfeld im Irak überhaupt. Die beiden Firmen
interessieren sich zudem für ein Abkommen über ein kleineres Ölfeld in derselben Region.
Noch hat der Irak kein Ölgesetz. Geht es nach Washington
und dessen Klienten in der Grünen Zone (amerikanisches Sperrgebiet in Bagdad), so wird das Gesetz, das jetzt beraten
wird, noch im September verabschiedet werden. Das jetzt vorgesehene Gesetz entzöge dem Irak die Kontrolle über
sämtliche noch nicht erschlossenen Ölressourcen des Landes, diese Kontrolle würde an Meistbietende im Ausland
gehen. Amerikanische und britische Firmen wären in einer vorherrschenden Position. Das Rahmenwerk für diese
Transaktion nennt sich Production Sharing Agreements (PSA).
Entworfen wurde das Ölgesetz zu gleichen Teilen in Bagdad und dort, wo sich die Washingtoner Bürokratie mit den
Wall-Street-Kapitalisten trifft, um zu konspirieren wie man sich den Reichtum der Erde am besten aneignen kann. Das
Ölgesetz ist für sie ein Meilenstein ersten Ranges. Praktisch alle Regierungsvertreter in Washington bestehen
darauf, dass die Klientelregierung in Bagdad sich so bald wie möglich darauf verständigt.
Unglücklicherweise für Washington und
für den Kongress ist die Mehrheit der Abgeordneten im irakischen Parlament jedoch dagegen. Das irakische
Parlament weigert sich beständig, Washington diesen ultimativen Lohn für den Einmarsch zu gewähren und die
irakische Infrastruktur zu zerschlagen. Was wird passieren, wenn das Gesetz bis Ende September noch nicht durch ist? Das
bleibt abzuwarten.
In der irakischen Regierung gibt es Leute, die alles in ihrer
Macht stehende tun, um das Ölgesetz schnellstmöglich und ohne substanzielle Änderungen voranzutreiben. Zu
diesen Leuten zählt auch Ölminister Hussein Shahranstani. Sein jüngster Schritt zur Unterstützung des
Gesetzes ist ein Verbot der irakischen Ölarbeitergewerkschaft. Die irakische Verfassung von 2005 garantiert zwar
"das Recht auf Bildung von Berufsgenossenschaften und -gewerkschaften und die Mitgliedschaft in ihnen", doch gibt
es noch kein Gesetz, wie diese Arbeiterorganisationen gebildet und verwaltet werden sollen.
Das Ölministerium nutzt diese Tatsache. Es stellt sich
auf den Standpunkt: Erst wenn es derartige Gesetze gibt und vom Parlament verabschiedet sind, wären Gewerkschaften
möglich. Shahranstani hat ein altes Gesetz aus der Zeit Saddam Husseins ausgegraben, das Gewerkschaftsbildung in jeder
Form verbietet. Er entzieht der Ölarbeitergewerkschaft schlicht die Existenzberechtigung.
Die Ölarbeiter stehen zu ihrer Gewerkschaft trotz
dieser Spiegelfechterei. Und sie organisieren sich weiterhin gegen das neue Ölgesetz. Laut der oben erwähnten
Umfrage deckt sich die Haltung der Ölarbeiter weit eher mit der Position der irakischen Bevölkerung als mit der der
Männer in der Grünen Zone.
Der Schritt der kurdischen Behörden erscheint auf den
ersten Blick als ein weiterer Versuch, die Unabhängigkeit der Kurden zu betonen. Doch die Tatsache, dass die meisten
Kurden gegen die Beendigung der nationalen irakischen Kontrolle über die Ölressourcen sind, lässt die Sache in
einem anderen Licht erscheinen. Anscheinend versuchen hier einige Leute aus der kurdischen Oberschicht, sich im Namen der
kurdischen Nation massiv zu bereichern.
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