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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2007, Seite 16

Ölprivatisierung im Irak

Die Ernte des Krieges

von Ron Jacobs

Die Mehrheit der irakischen Bevölkerung ist gegen die Privatisierung der Ölfelder. Aber die US-Konzerne wollen jetzt die Ernte des Kriegszugs einfahren. Es sieht so aus, als wollten die US-Truppen solange im Land bleiben, bis ein entsprechendes Ölgesetz durchgesetzt ist.
Kürzlich führte die Nachrichtenagentur OneWorld im Irak eine repräsentative Umfrage durch. Sie wurde von Nonprofit-Organisationen aus Großbritannien und den USA finanziert: Oil Change International, Institute for Policy Studies, Global Policy Forum, Jubilee Iraq. Alle Religionen, sozialen und ethnischen Gruppen waren vertreten. Ergebnis: Die überwältigende Mehrheit ist gegen eine Privatisierung der Ölressourcen des Landes. 66% der Sunniten, 62% der Schiiten und 52% der Kurden sind demnach für eine nationale Kontrolle über das Öl im Land.
Kurdische Behörden ignorieren diesen Wunsch, und sie ignorieren die Regierung in Bagdad. Sie treiben Pläne voran, ausländischen Firmen 40 neue Rohölreservoire (Ölblocks) anzubieten.
Dow Jones Newswire berichtete im August 2007: "Die Ölgiganten Total SA und Chevron Corp. haben wechselseitige Service-Verträge unterschrieben, um gemeinsam die Kohlenwasserstoffe in einem der größten irakischen Ölfelder zu untersuchen und zu entwickeln, sobald das Land ein Ölgesetz beschlossen hat." Wie der Bericht weiter feststellt, ist noch kein Fördervertrag (PSA) mit den Behörden in der Grünen Zone zustande gekommen, doch das Abkommen zwischen den beiden Firmen sei "ein großer Vorsprung" für beide Unternehmen, was die künftige Ausbeutung des Ölfeldes betreffe. Dieses trägt den Namen "Majnoon" und liegt an der Grenze zum Iran. Das Feld wird auf 12 Milliarden Barrel geschätzt und wäre somit das viertgrößte Ölfeld im Irak überhaupt. Die beiden Firmen interessieren sich zudem für ein Abkommen über ein kleineres Ölfeld in derselben Region.
Noch hat der Irak kein Ölgesetz. Geht es nach Washington und dessen Klienten in der Grünen Zone (amerikanisches Sperrgebiet in Bagdad), so wird das Gesetz, das jetzt beraten wird, noch im September verabschiedet werden. Das jetzt vorgesehene Gesetz entzöge dem Irak die Kontrolle über sämtliche noch nicht erschlossenen Ölressourcen des Landes, diese Kontrolle würde an Meistbietende im Ausland gehen. Amerikanische und britische Firmen wären in einer vorherrschenden Position. Das Rahmenwerk für diese Transaktion nennt sich Production Sharing Agreements (PSA).

Fremdbestimmte Ölgesetzgebung

Entworfen wurde das Ölgesetz zu gleichen Teilen in Bagdad und dort, wo sich die Washingtoner Bürokratie mit den Wall-Street-Kapitalisten trifft, um zu konspirieren wie man sich den Reichtum der Erde am besten aneignen kann. Das Ölgesetz ist für sie ein Meilenstein ersten Ranges. Praktisch alle Regierungsvertreter in Washington bestehen darauf, dass die Klientelregierung in Bagdad sich so bald wie möglich darauf verständigt.
Unglücklicherweise — für Washington und für den Kongress — ist die Mehrheit der Abgeordneten im irakischen Parlament jedoch dagegen. Das irakische Parlament weigert sich beständig, Washington diesen ultimativen Lohn für den Einmarsch zu gewähren und die irakische Infrastruktur zu zerschlagen. Was wird passieren, wenn das Gesetz bis Ende September noch nicht durch ist? Das bleibt abzuwarten.
In der irakischen Regierung gibt es Leute, die alles in ihrer Macht stehende tun, um das Ölgesetz schnellstmöglich und ohne substanzielle Änderungen voranzutreiben. Zu diesen Leuten zählt auch Ölminister Hussein Shahranstani. Sein jüngster Schritt zur Unterstützung des Gesetzes ist ein Verbot der irakischen Ölarbeitergewerkschaft. Die irakische Verfassung von 2005 garantiert zwar "das Recht auf Bildung von Berufsgenossenschaften und -gewerkschaften und die Mitgliedschaft in ihnen", doch gibt es noch kein Gesetz, wie diese Arbeiterorganisationen gebildet und verwaltet werden sollen.
Das Ölministerium nutzt diese Tatsache. Es stellt sich auf den Standpunkt: Erst wenn es derartige Gesetze gibt und vom Parlament verabschiedet sind, wären Gewerkschaften möglich. Shahranstani hat ein altes Gesetz aus der Zeit Saddam Husseins ausgegraben, das Gewerkschaftsbildung in jeder Form verbietet. Er entzieht der Ölarbeitergewerkschaft schlicht die Existenzberechtigung.
Die Ölarbeiter stehen zu ihrer Gewerkschaft — trotz dieser Spiegelfechterei. Und sie organisieren sich weiterhin gegen das neue Ölgesetz. Laut der oben erwähnten Umfrage deckt sich die Haltung der Ölarbeiter weit eher mit der Position der irakischen Bevölkerung als mit der der Männer in der Grünen Zone.
Der Schritt der kurdischen Behörden erscheint auf den ersten Blick als ein weiterer Versuch, die Unabhängigkeit der Kurden zu betonen. Doch die Tatsache, dass die meisten Kurden gegen die Beendigung der nationalen irakischen Kontrolle über die Ölressourcen sind, lässt die Sache in einem anderen Licht erscheinen. Anscheinend versuchen hier einige Leute aus der kurdischen Oberschicht, sich im Namen der kurdischen Nation massiv zu bereichern.

Die irakischen Ölarbeiter brauchen internationale Solidarität. Kontakt: info@basraoilunion.org


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