SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2007, Seite 04

"Die Linke"

Eine ganz normale Partei?

von Arno Klönne

"Es läuft ja doch alles" — so der Tenor vieler Aktivisten der neuen linken Partei. Sie sind ein bisschen erleichtert, weil sie mehr Streit beim Zusammenschluss von PDS und WASG erwartet hatten, auch mehr Gegenwind bei den Massenmedien. Nun ist der Start geschafft, alle Landesverbände im Westen sind gegründet, und die Worte in der Wählergunst nehmen sich ganz ordentlich aus. In NRW hat die SPD- Landeschefin der linken Konkurrenz bereits ein kaum verdecktes Koalitionsangebot gemacht. Der DGB- Vorsitzende in NRW riet der Linkspartei beim NRW-Gründungsparteitag, pragmatisch wie er ist, sich aufs Mitregieren auszurichten, was nur mit seiner Partei, der SPD, eine realistische Perspektive sei.
Die Linke nennt sich die neue Partei, und Gregor Gysi freut sich, weil dieser Name "schön frech" sei. Aber Spaß beiseite — will die Partei eine Alleinvertretung der vielgestaltigen linken politischen Kultur in der BRD für sich beanspruchen? Das denn doch wohl nicht, und insofern ist ihr Name ziemlich irreführend. Außerdem legt er das Missverständnis nahe, mit der Existenz und Betätigung einer Partei sei schon ein gesellschaftlicher Faktor etabliert, der die Kräfteverhältnisse in Deutschland nach links hin verändere.
Die Formierung einer Linkspartei war unter den derzeit gegebenen politischen Bedingungen notwendig. Man kann das einen "historischen Schritt" nennen, einen, der vorwärts führt. Allerdings ist die Geschichte keine Einbahnstraße. Parteien können die Richtung wechseln, manchmal auf eine Weise, die zunächst kaum auffällt. Und sie können auf der Stelle treten oder sich ins Abseits begeben. Die SPD hat einen solchen Richtungswechsel über einen langen Zeitraum vollführt, die Partei der Grünen hat ihre Ziele in ein paar Jahren vertauscht. Solche Umorientierungen von Parteien verändern nicht nur das politische Spektrum, sie enttäuschen auch Menschen, bringen Resignation hervor, legen politische Energie lahm. Deshalb ist es wichtig, sich rechtzeitig über innerparteiliche Strukturen, über Prozesse der Willensbildung in einer Partei kritische Gedanken zu machen und darüber offen zu reden. Die weit verbreitete Meinung, bei parteipolitischer Aktivität dürfe "dem eigenen Nest nicht am Zeuge geflickt werden", ist demokratieschädlich.
Der Linkspartei kommt zugute, dass eine Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der BRD der Demontage des Sozialen, wie sie mit verteilten Rollen von SPD/CDU/CSU/FDP und Grünen betrieben wurde und weiter angestrebt wird, misstrauisch und ablehnend gegenübersteht. Das Auftreten der Linkspartei hat dazu geführt, dass die etablierten Parteien einige symbolische Zugeständnisse nach links machen und unter Umständen soziale Häppchen verteilen. Das gehört zum normalen politischen Geschäft.
Gut so, wenn dadurch ein paar soziale Grausamkeiten vermieden werden. Aber es wäre töricht, wenn die Linkspartei nun darauf hoffte, dass SPD und Grüne, womöglich sogar CDU/CSU, von der neuen Konkurrenz beeindruckt, zu einem gesellschaftspolitischen Erweckungserlebnis kämen. Eine solche Fehleinschätzung mag allerdings — selbstlegitimierend — naheliegen, wenn im Profipersonal der Linkspartei die Neigung stärker wird, sich an Regierungen in Bundesländern zu beteiligen und längerfristig auf die Rolle eines Juniorpartners beim Regieren im Bund vorzubereiten.
Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen eine oppositionelle Partei im Hinblick auf die herrschenden Parteien überlegen muss, wie sie dem kleineren Übel gegenüber dem größeren zum Vorteil verhelfen kann. Aber gesellschaftliche Opposition verliert ihren Charakter, wenn sie bei solchen Gelegenheiten sich selbst weismacht, das kleinere sei überhaupt kein Übel.
Auch in manchen linksparteilichen Köpfen hat sich die Legende eingenistet, Politik könne nur nur durch "Mitverantwortung und Mitgestaltung" effektvoll betrieben werden, d.h. durch Mitregieren. Wer so denkt, hat keine Ahnung vom historischen Vorgang der Demokratisierung und versteht wenig von politischen Entscheidungsprozessen heute. Ohne entschiedene Opposition ist ein demokratisches Staatswesen nur eine Hülle ohne Substanz. Opposition wiederum wird kraftlos, wenn sie möglichst rasch in ministeriellen Würden "ankommen" will.
Immer weniger Bürgerinnen und Bürger trauen den Methoden, mit denen heute Politik gemacht wird, noch über den Weg, und für diese Abneigung haben sie triftige Gründe. Macht die Linkspartei das zu ihrem Thema? Versucht sie, die Regeln des "heimlichen Lehrplans" der Entdemokratisierung zu durchbrechen? Unternimmt sie in ihrer Praxis etwas, um mit den "Wahlverweigerern" und "Politikverdrossenen" in Kommunikation zu kommen?
Als "Partei für Demokratisierung" kann die Linkspartei nur auftreten und wirksam werden, wenn sie sich in ihrem eigenen Alltag von den "Kartell"-Parteien ganz deutlich abhebt. Das betrifft insbesondere den Umgang mit außerparlamentarischen Bewegungen, Basisinitiativen, lokalen politischen und sozialen Bündnissen. Die Linkspartei muss sich mit diesen vernetzen, ohne sie zu instrumentalisieren. Die Organisationsinteressen der Partei dürfen den vielfältigen Aktivitäten außerhalb des Parteirahmens nicht den Atem wegnehmen.
Kurzum: als ganz normale Partei hätte Die Linke eine Zukunft, die die Grünen schon erreicht haben, nämlich die einer Dienstleistungsfirma für den Koalitionsbedarf beim Parteienkartell. Und die SPD wird nicht dadurch wieder sozialdemokratisch, dass eine Linkspartei ihr grummelnd unter die Arme greift.


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