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Mit den Landesparteitagen in Nordrhein-Westfalen und
Baden-Württemberg vom 20./21.Oktober endete die formale Gründungsphase der Partei Die Linke (DL).
Das erste Zwischenergebnis: Die Zielsetzung, den anmaßenden Namen Die Linke politisch und als
Wortmarke in den Medien und den Köpfen zu etablieren, wurde ziemlich verfehlt. Weder die Medien noch
der alltägliche Sprachgebrauch unter den Mitgliedern und Anhängern haben diesen Begriff
angenommen und die damit verbundenen politischen und sprachlichen Probleme geschluckt. Für eine so
penibel auf Form, zentrales Management und "corporate design" erpichte Kraft wie das Berliner
Parteiestablishment ist das kein kleines Fiasko.
Die Parteigründung spielte sich auf
Bundesebene als die vorhergesagte geräuschlose Übernahme der WASG durch die Linkspartei.PDS ab.
Der Apparat in der DL-Zentrale führte reibungslos die Geschäfte fort. Die Arbeit der Zentrale und
hauptamtlichen Posten wurden auf Parteivorstandsebene nicht debattiert. Als allein formaler Akt wurde
registriert, dass die WASG offensichtlich mit 30% weniger Mitglieder in die Vereinigung gegangen ist.
Selbst die Blockierung von gut 200000 Euro WASG-Geldern auf alten Konten scheint in der DL-Zentrale
niemanden gestört zu haben.
Als apparatives Schmankerl wurde der WASG
das Projekt Westaufbau unter der Verantwortung von Uli Maurer angetragen. Hier wird eifrig ein kleines
Nebenzentrum aufgebaut, mit Hauptamtlichen und viel Geld. Die Konzeption dieses Westaufbaus wurde niemals
diskutiert, sie läuft als geheime Kommandosache von Uli Maurer und seinen Getreuen. Es gab keinerlei
Rückkoppelung mit den Landesverbänden, außer mit ausgewählten Kräften, die als
Vollstrecker der zentralen Absichten auserkoren wurden.
In Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland-
Pfalz und Nordrhein-Westfalen kam es zu ersten heftigen Reibereien. Die in den Augen der DL-Zentrale
missglückte Wahl des Spitzenkandidaten für die Hessenwahl wurde in sehr bedenklicher Weise
"korrigiert". In schamloser Unterstützung und Ausnutzung einer öffentlichen und
parteiinternen Kampagne wurde Pit Metz als gewählter Spitzenkandidat zum Rücktritt getrieben. Das
gesamte Politikverständnis der DL-Zentrale, einschließlich der Mehrheit des Parteivorstands,
orientiert sich an zentralen Kampagnen (allen voran Wahlkämpfe).
Gesamtpolitisch hat all dies der
öffentlichen Ausstrahlung der DL kaum geschadet. Ein wachsender Teil der Bevölkerung will eine
neue linke Kraft. Dass die dazu angetretene wirkliche Organisation jedoch die Aufgabe hat, zu beweisen, was
dies genau bedeutet, dass eine neue politische Kraft die alten, linken Kräfte ansprechen, einbinden
und weitertreiben sollte, wird kaum in der Praxis wahrgenommen. Die Partei DL ist heute, mehr als vor sechs
Monaten, von einander taktisch und strategisch misstrauisch beäugenden Strömungen geprägt.
Die "Antikapitalistische Linke"
konnte ihre Hochburg NRW ausbauen, was die Parteizentrale mit deutlicher Abscheu registrierte. Auch in
Schleswig-Holstein hat eine den Parlamentarismus relativierende Linke die Mehrheit. In Rheinland-Pfalz und
Saarland dominierten Realos. Aus dem Saarland ertönte zudem der mit Abstand schrillste falsche Ton in
der DL-Gründungsphase. Die familienpolitische Sprecherin, die Lebensgefährtin des
Parteivorsitzenden, tobte sich mit erzreaktionären Forderungen zur Kinder- und Familienpolitik aus. Im
Saarland missglückte auch die mit viel Geld und Aufwand betriebene Testwahl in einer kleinen
Provinzstadt. Auch dort schaffte die DL nicht, neue Wähler zu mobilisieren und erreichte weniger
Stimmen als zur Bundestagswahl 2005.
Die Devise für die nächsten
Monate: der Aufbau einer neuen linken Partei als eine Mischung aus einer geschickten zentralen
Werbekampagne und einem gut geölten alten Apparat genügt mit Sicherheit nicht. Millionen
Wähler und Tausende Mitglieder müssen praktisch eingebunden und zu einer wirklichen kulturellen
Gegenbewegung in dieser Gesellschaft zusammengeführt werden. Betriebsgruppen, Stadtteilverankerung und
eine systematische Streuung von Funktionsträgern in der Partei wären dafür überaus
wichtig, sind aber leider keine Handlungsmaximen in den meisten Parteigliederungen. Und ein großer,
träger, aber politisch entmündigter Parteivorstand wird auch kaum der Übermacht der
Bundestagsfraktion entgegentreten können.
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