SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2007, Seite 09

Die LINKE zu Ende gegründet

von Thies Gleiss

Mit den Landesparteitagen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg vom 20./21.Oktober endete die formale Gründungsphase der Partei Die Linke (DL). Das erste Zwischenergebnis: Die Zielsetzung, den anmaßenden Namen Die Linke politisch und als Wortmarke in den Medien und den Köpfen zu etablieren, wurde ziemlich verfehlt. Weder die Medien noch der alltägliche Sprachgebrauch unter den Mitgliedern und Anhängern haben diesen Begriff angenommen und die damit verbundenen politischen und sprachlichen Probleme geschluckt. Für eine so penibel auf Form, zentrales Management und "corporate design" erpichte Kraft wie das Berliner Parteiestablishment ist das kein kleines Fiasko.
Die Parteigründung spielte sich auf Bundesebene als die vorhergesagte geräuschlose Übernahme der WASG durch die Linkspartei.PDS ab. Der Apparat in der DL-Zentrale führte reibungslos die Geschäfte fort. Die Arbeit der Zentrale und hauptamtlichen Posten wurden auf Parteivorstandsebene nicht debattiert. Als allein formaler Akt wurde registriert, dass die WASG offensichtlich mit 30% weniger Mitglieder in die Vereinigung gegangen ist. Selbst die Blockierung von gut 200000 Euro WASG-Geldern auf alten Konten scheint in der DL-Zentrale niemanden gestört zu haben.
Als apparatives Schmankerl wurde der WASG das Projekt Westaufbau unter der Verantwortung von Uli Maurer angetragen. Hier wird eifrig ein kleines Nebenzentrum aufgebaut, mit Hauptamtlichen und viel Geld. Die Konzeption dieses Westaufbaus wurde niemals diskutiert, sie läuft als geheime Kommandosache von Uli Maurer und seinen Getreuen. Es gab keinerlei Rückkoppelung mit den Landesverbänden, außer mit ausgewählten Kräften, die als Vollstrecker der zentralen Absichten auserkoren wurden.
In Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland- Pfalz und Nordrhein-Westfalen kam es zu ersten heftigen Reibereien. Die in den Augen der DL-Zentrale missglückte Wahl des Spitzenkandidaten für die Hessenwahl wurde in sehr bedenklicher Weise "korrigiert". In schamloser Unterstützung und Ausnutzung einer öffentlichen und parteiinternen Kampagne wurde Pit Metz als gewählter Spitzenkandidat zum Rücktritt getrieben. Das gesamte Politikverständnis der DL-Zentrale, einschließlich der Mehrheit des Parteivorstands, orientiert sich an zentralen Kampagnen (allen voran Wahlkämpfe).
Gesamtpolitisch hat all dies der öffentlichen Ausstrahlung der DL kaum geschadet. Ein wachsender Teil der Bevölkerung will eine neue linke Kraft. Dass die dazu angetretene wirkliche Organisation jedoch die Aufgabe hat, zu beweisen, was dies genau bedeutet, dass eine neue politische Kraft die alten, linken Kräfte ansprechen, einbinden und weitertreiben sollte, wird kaum in der Praxis wahrgenommen. Die Partei DL ist heute, mehr als vor sechs Monaten, von einander taktisch und strategisch misstrauisch beäugenden Strömungen geprägt.
Die "Antikapitalistische Linke" konnte ihre Hochburg NRW ausbauen, was die Parteizentrale mit deutlicher Abscheu registrierte. Auch in Schleswig-Holstein hat eine den Parlamentarismus relativierende Linke die Mehrheit. In Rheinland-Pfalz und Saarland dominierten Realos. Aus dem Saarland ertönte zudem der mit Abstand schrillste falsche Ton in der DL-Gründungsphase. Die familienpolitische Sprecherin, die Lebensgefährtin des Parteivorsitzenden, tobte sich mit erzreaktionären Forderungen zur Kinder- und Familienpolitik aus. Im Saarland missglückte auch die mit viel Geld und Aufwand betriebene Testwahl in einer kleinen Provinzstadt. Auch dort schaffte die DL nicht, neue Wähler zu mobilisieren und erreichte weniger Stimmen als zur Bundestagswahl 2005.
Die Devise für die nächsten Monate: der Aufbau einer neuen linken Partei als eine Mischung aus einer geschickten zentralen Werbekampagne und einem gut geölten alten Apparat genügt mit Sicherheit nicht. Millionen Wähler und Tausende Mitglieder müssen praktisch eingebunden und zu einer wirklichen kulturellen Gegenbewegung in dieser Gesellschaft zusammengeführt werden. Betriebsgruppen, Stadtteilverankerung und eine systematische Streuung von Funktionsträgern in der Partei wären dafür überaus wichtig, sind aber leider keine Handlungsmaximen in den meisten Parteigliederungen. Und ein großer, träger, aber politisch entmündigter Parteivorstand wird auch kaum der Übermacht der Bundestagsfraktion entgegentreten können.


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