SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, November 2007, Seite 10

Kampf um die Landesbanken

Die Lust, es Privaten gleichzutun, treibt Landesbanken in die Krise

von Benedict Ugarte-Chacón

Bei den deutschen Landesbanken geht es derzeit hoch her. Was Politiker und Vertreter der Landesbanken als "Konsolidierung" bezeichnen, ist im Kern der Versuch, die deutschen Landesbanken als Gegenmacht insbesondere zu den privaten Großbanken zu erhalten. Die Fusionen einzelner Landesbanken zu großen bundesländerübergreifenden Konzernen haben dabei eine große strategische Bedeutung.
Derzeit gibt es in Deutschland elf Landesbanken, die teilweise über die Grenzen von Bundesländern hinweg agieren und mitunter über Beteiligungen miteinander verwoben sind. So hält z.B. die Landesbank Baden-Württemberg 100% der Anteile an der Landesbank Rheinland-Pfalz und bald 100% der Anteile an der Sachsen LB. Zusammen mit den regionalen Girozentralen, die als zentrales Institut der jeweiligen Sparkassen fungieren, bilden die Landesbanken Gemeinschaftsbanken.
Die Geschichte der Landesbanken reicht teilweise bis ins alte Preußen zurück. Traditionell ist ihre Aufgabe die Besorgung der Bankgeschäfte der Bundesländer sowie Förderbank für die ansässige Wirtschaft zu sein. Aus dieser Aufgabenstellung leitet sich ihr sog. öffentlicher Auftrag ab. Allerdings haben die Landesbanken schon immer alle Bankgeschäfte betrieben — welche genau, hängt von der jeweiligen Satzung ab; sie ließen sich nie auf die ausschließliche Rolle als brave Förderbank reduzieren. Auch ermöglichen sie als Gemeinschaftsbank den Sparkassenkunden Bankdienstleistungen, die eine einzelne Sparkasse größenbedingt gar nicht leisten könnte.
Als Anstalten des öffentlichen Rechts kamen die Landesbanken bis zum Jahr 2005 in den Genuss von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. Anstaltslast bedeutet: Die öffentliche Hand hat dafür zu sorgen, dass öffentlich-rechtliche Unternehmen finanziell so ausgestattet sind, dass sie funktionsfähig bleiben. Gewährträgerhaftung heißt: Wenn ein solches Unternehmen seine Gläubiger nicht mehr bedienen kann, springt die öffentliche Hand ein. Kurzum, ein solches Unternehmen kann nicht pleite machen. Dieser Umstand war der Grund dafür, dass den Landesbanken und Sparkassen stets eine hohe Kreditwürdigkeit bescheinigt wurde, ihre Refinanzierungskosten somit vergleichsweise niedrig lagen.
Diese Absicherung von Landesbanken und Sparkassen durch die öffentliche Hand hat immer wieder dafür gesorgt, dass die privaten Bankhäuser wie auch wirtschaftsliberale Ideologen empört ob der "Privilegien" der öffentlichen Banken aufschrien.
Die Privaten taten dies aus reinem Eigeninteresse, denn im sog. Drei-Säulen-System der deutschen Bankenlandschaft (private Banken — öffentlich-rechtliche Banken — Genossenschaftsbanken) besaßen und besitzen die Landesbanken und Sparkassen eine starke Marktposition. Nach Auskunft des Bundesverbands deutscher Banken betrug der Marktanteil der Landesbanken und Sparkassen im Jahr 2005 über 34%. Zusammen mit anderen öffentlich-rechtlichen Banken wie z.B. den Bausparkassen hielt die öffentliche Hand einen Marktanteil von etwa 45%. Hingegen lag der Marktanteil der genossenschaftlichen Institute 2005 bei etwa 13%. der der privaten Banken bei rund 42%.

Missbrauch durch die öffentliche Hand

Über den Umweg Brüssel haben es die privaten Banken mittlerweile geschafft, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zu kippen. Nach einer Beschwerde privater Banken bei der EU-Kommission verständigte sich letztere mit der Bundesregierung im Juli 2001 darauf, ab Juli 2005 die Gewährträgerhaftung abzuschaffen und die Anstaltslast "wettbewerbsfreundlich" zu gestalten — also so gut wie abzuschaffen. Begründet wurde dieses Vorgehen damit, der Schutz der Landesbanken und Sparkassen durch die öffentliche Hand sei ein Hemmnis für die heilige Institution des Wettbewerbs. Nachdem er sich durchgesetzt hatte, jubilierte der Bundesverband deutscher Banken in einer eigens zu diesem Zweck erstellten Publikation: "Öffentlich-rechtliche Kreditinstitute werden genauso dem Insolvenzrisiko ausgesetzt sein wie ihre privaten Konkurrenten." Vor diesem Hintergrund ist die gegenwärtige Situation bei den Landesbanken zu betrachten.
Die Gegner des bisherigen Landesbankensystems haben allerdings mit einem Kritikpunkt unzweifelhaft Recht: Unter dem Schutz der öffentlichen Hand haben sich nicht wenige Landesbanken zu verfilzten Gebilden im Dienste von Landespolitikern und Ministerpräsidenten entwickelt. Was von den einen als öffentlicher Auftrag verstanden wurde, sehen andere als Missbrauch eines wirtschaftspolitischen Steuerungsinstruments, das unter dem besonderen Schutz der öffentlichen Hand in der Welt umherspekulieren oder von Politikern und Managern als Selbstbedienungsladen genutzt werden konnte. Wenn etwas schief ging, musste die öffentliche Hand bzw. die steuerzahlende Bevölkerung dafür aufkommen.
Berlin: Die Bankgesellschaft Berlin ist von der Schadenssumme her vielleicht der größte, vom Prinzip her aber nicht der einzige Fall von Missbrauch einer Landesbank. Hier waren Politiker und McKinsey ganz besonders schlau. Sie unterstellten 1994 die öffentlich-rechtliche Landesbank einer Aktiengesellschaft und verwoben unter dem Dach dieser Holding auch privatrechtlich organisierte Banken mit der Landesbank. Dann versuchte man sich als Global Player, was aber nicht klappte, und schließlich stand 2001 der ganze Konzern vor dem Zusammenbruch.
Letztlich war aber die Bankgesellschaft so konstruiert, dass alle Risiken und Verluste irgendwie auf die Landesbank und damit auf das Land Berlin abgewälzt werden sollten. Das Land zahlte. Die EU-Kommission sah darin eine wettbewerbswidrige Beihilfe und forderte den Verkauf der Bankgesellschaft. Die Landesbank als Teil dieser Gesellschaft wurde zu dem Zwecke in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Im Juli dieses Jahres wurde sie samt zugehöriger Sparkasse an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) verkauft.
Sachsen: Vergleichbar mit den Berliner Vorgängen ist der aktuelle Fall der SachsenLB, auch wenn hier die Konstruktion eine andere war. Anteilseigner an der SachsenLB waren zu 62,96% die Sachsen-Finanzgruppe (ein Zusammenschluss von Sparkassenverbänden, Landkreisen und dem Freistaat Sachsen) und zu 37,04% der Freistaat Sachsen. Unter der Kontrolle der Landespolitik baute die Landesbank ihre Wertpapier-Spekulationen über eine Tochter in Dublin immer weiter aus. Als die US-Hypothekenkrise für Kursverluste und Refinanzierungsprobleme sorgte, brach die Bank zusammen und man entschloss sich zum Notverkauf an die Landesbank Baden- Württemberg (LBBW). Diese soll die Anteile des Freistaats an der SachsenLB zum 1.Januar 2008 übernehmen, deren Verluste bleiben den Sachsen allerdings erhalten.

Die WestLB

Einen etwas größeren Brocken bei der gegenwärtigen "Konsolidierung" der Landesbanken stellt die WestLB dar. Schon Jahre vor der Bankgesellschaft Berlin galt sie als ein Inbegriff des Filzes.
Die WestLB entstand 1969 aus einer Fusion der Düsseldorfer Rheinischen Girozentrale und Provinzialbank und der Münsteraner Landesbank für Westfalen. Unter ihrem legendären Vorstandschef Friedel Neuber, der von 1981 bis 2001 herrschte, entwickelte sie sich zur "roten Kasse der Genossen", wie der Spiegel einmal schrieb.
Johannes Rau als Ministerpräsident und Wolfgang Clement als Chef der Staatskanzlei missbrauchten die Landesbank als eine Art Nebenlandeskasse. Oder auch für so abwegige Dinge wie die Finanzierung des Wahlkampfs von Manfred Stolpe in Brandenburg 1990. Die sog. Flugaffäre, bei der ans Licht kam, dass nordrhein-westfälische Regierungsmitglieder mit Flugzeugen der WestLB nicht nur dienstlich durch die Gegend jetteten, war nur einer der größeren Skandale. Ermittlungen wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung 2002, eine unrühmliche Rolle bei der Pleite des Anlagenbauers Babcock Borsig im gleichen Jahr oder die hochriskanten und verlustreichen Geschäfte der WestLB-Bankerin Robin Saunders 2003 sind schon fast in Vergessenheit geraten.
Im Jahr 2007 verspekulierten sich ein paar WestLB-Manager im Eigenhandel mit Aktien und bescherten der Bank im ersten Halbjahr Verluste von über 600 Millionen Euro. Vorstandschef Thomas Fischer, der 2004 angetreten war, um die Bank nach verlustreichen Auslandsgeschäften zu sanieren, musste seinen Hut nehmen.
Doch schon vor der derzeitigen Krise galt die Bank als Übernahmekandidat. So wie es jetzt aussieht, läuft es auf eine Fusion mit der LBBW hinaus, zumindest die Sparkassenverbände als Mehrheitseigentümer drängen in diese Richtung. Das neue Institut wäre dann Deutschlands zweitgrößte Bank. Das Land Nordrhein-Westfalen will sich jedenfalls schon länger von seinem 38%igen Anteil trennen und prüft verschiedene Verkaufsszenarien, wobei sich Ministerpräsident Rüttgers noch nicht festlegen will. Auch ein möglicher Privatinvestor wird immer wieder ins Spiel gebracht. Beobachter sehen dahinter zwar ein politisches Spielchen von Rüttgers, der seinen Parteirivalen und Kollegen in Baden-Württemberg, Günter Oettinger, ärgern möchte. Jedoch ist diese Option nicht gänzlich abwegig. Vor gut einem Jahr veräußerte die WestLB ihre Anteile an der HSH Nordbank (26,58%) an eine undurchsichtige internationale Investorengruppe, die von J.C.Flowers beraten wird.
Das war das erste Mal, dass Privatinvestoren Zugriff auf eine Landesbank bekamen. Ein extremerer Fall eines privaten Engagements, bei dem ein Privater auch die Sparkasse hätte übernehmen können, wäre der Verkauf der Bankgesellschaft Berlin gewesen. Hier verhinderte der DSGV den Einfall der Privaten ins Sparkassenlager. Politiker der Partei Die Linke brüsten sich nun damit, die Privatisierung der Sparkasse verhindert zu haben. Doch muss man festhalten, dass das "rot-rote" Berliner Sparkassengesetz nach wie vor den Verkauf der Sparkasse an einen Privaten ermöglicht und deshalb von bundesweit beispielhafter Bedeutung ist. Irgendein klammes Land wird in den nächsten Jahren sicher auf die Idee kommen, aufgrund der Haushaltslage seine Sparkasse verkaufen zu wollen, und sich dabei auf das Berliner Gesetz berufen.
Bei den gegenwärtigen Vorgängen auf dem Sektor der Landesbanken haben wir es mit einem Prozess zu tun, der seit dem Fallen von Gewährträgerhaftung und Anstaltslast im Gang ist. Hierbei prallen verschiedene Interessen aufeinander: Die Landespolitiker wollen ihre Macht über die Geldinstitute so gut es geht erhalten, die Institute wollen ihren Geschäften nachgehen, die Anteilseigner — regionale Sparkassenverbände, Landkreise oder Städte — wollen ihren Einfluss behalten, und die Privaten wollen entweder Einfluss auf die Landesbanken gewinnen oder ihre Konkurrenz möglichst klein halten.
Natürlich entspricht dies alles nicht einer demokratischen und gemeinwohlorientierten Vorstellung von öffentlichen Banken, die als wirtschafts- und sozialpolitisches Steuerungsinstrument wirken. Eigentlich wäre dies ein hübsches Feld für eine linke Partei, um sich zu profilieren. Aber solange Vertreter dieser Partei daran beteiligt sind, Landesbanken in Aktiengesellschaften umzuwandeln und Sparkassen privatisierungstauglich zu machen, wird man diese Hoffnung wohl fahren lassen müssen.


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