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Die Initiative für die Mobilisierung am 20.10. ging von den
Tageszeitungen Il Manifesto und Liberazione sowie von der Wochenzeitung Carta aus. Sie fand breite
Unterstützung, u.a. bei den beiden Regierungsparteien PdCI und PRC (Rifondazione Comunista).
"Die Linke gibt es noch", schrieb
tags darauf Il Manifesto. Die Zeitungen der gemäßigten Linken einigten sich auf die Schlagzeile:
"Eine Million, aber nicht gegen Prodi". Zwischen 700000 und einer Million Teilnehmende waren aus
ganz Italien angereist. Aus Sardinien war eine in rote Fahnen getauchte Fähre im römischen Hafen
Ostia eingelaufen, über zwölf Sonderzüge brachten vor allem unzufriedene Italiener aus dem
Süden des Landes. Unter den vielen, die extra nach Rom angereist waren, war auch Pietro Ingrao, 92
Jahre alt, eine historische Figur der italienischen Linken.
Der Fraktionsvorsitzende der PRC, Gennaro
Migliore, bemühte sich zu betonen, die Kundgebung richte sich nicht gegen die Regierung Prodi, wolle
dieser jedoch "die Kraft geben, gegen die prekären wirtschaftlichen Verhältnisse
vorzugehen". Ein wichtiger Faktor bei der Bestimmung dieser Verhältnisse, der Gewerkschaftsbund
CGIL, hatte seinen Mitgliedern untersagt, an der Demonstration teilzunehmen. Ohne große Wirkung.
Hunderte CGIL-Fahnen waren weithin sichtbar. "Jeden Tag stehe ich um 3 Uhr morgens auf, um zur Arbeit
zu gehen", erklärte ein 25-jähriger Fiat-Arbeiter aus der Region Kampanien, "ich bin
die CGIL". "Epifani [Vorsitzender der CGIL] sollte sich besser daran erinnern, dass es die
Mitglieder sind, die eine Gewerkschaft tragen und ausmachen", sagte ein anderer Teilnehmer, der die
Anstecknadeln "Io, CGIL" ("Ich bin die CGIL") trug.
Die Stimmung war trotz vier Stunden
Demonstration ausnehmend fröhlich. Viele Wagen spielten laute Musik, keineswegs nur die Internationale
oder "Bandiera rossa", sondern Twist, "La Bamba", alte Schlager. In Rom wehte an diesem
Tag ein eisiger Wind, vielleicht wurde auch deshalb am Ende des Zuges, vor der Reihe der Carabinieri,
ausgiebig getanzt.
Unter den Teilnehmern waren ganz viele
junge Leute, ihr Anliegen war u.a. die Freigabe von Marihuana. Vodafone-Beschäftigte, die tags zuvor
gestreikt hatten, wandten sich gegen die Auslagerung von 914 Beschäftigten in die Firma
"Comdata", sie alle trugen das Schild "Vendesi" (Zu verkaufen) um den Hals. Neben den
Eisenbahnern demonstrierten die Flugbegleiter, die Bauern, die sich in "Altragricoltura"
("Andere Landwirtschaft", eine aus dem Sozialforum hervorgegangene Initiative von Landwirten, die
für faire Preise und bessere Bedingungen kämpfen) zusammengeschlossen haben, die Arbeitslosen aus
Scampia bei Neapel, die Aktiven gegen die Militärbasis in Vicenza und die gegen den Bau der
Hochgeschwindigkeitsstrecke im Val di Susa bei Turin. Die Frauen waren stark vertreten, ebenso wie eine
Sammelbewegung von Schwulen, Lesben und Transsexuellen. Migranten forderten Bürgerrechte und die
rasche Verabschiedung eines neuen Einwanderungsgesetzes, das das Bossi-Fini-Gesetz aus der vorhergehenden
Regierung Berlusconi ablösen soll. Neben dem "Nein zur Schwarzarbeit" bezogen sich die
meisten Spruchbänder auf die prekären Beschäftigungsverhältnisse, gegen die sich wenige
Tage zuvor sogar der Papst ausgesprochen hatte.
Neben den Gewerkschaftsvertretern sprachen
sich die anderen in der Regierung vertretenen Parteien gegen die Demonstration aus. Der frühere PRC-
Vorsitzende Fausto Bertinotti warnte die Minister seiner Partei vor einer Teilnahme, eine Warnung, die
seine eigene Frau, Lella Bertinotti, freudig missachtete.
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