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SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2007, Seite 08

Tarifrunde

Streiks im Einzelhandel beleben das Weihnachtsgeschäft

von Helmut Born

Die Streiks bei der Bahn sind zwar das gewerkschaftspolitisch absolut beherrschende Thema in der Öffentlichkeit, aber was Dauer und Beteiligung der Beschäftigten anbetrifft, ist die Tarifrunde im Einzelhandel ebenfalls beachtlich. Auch sie ist noch nicht beendet. Ähnlich wie vor zwei Jahren sind die Positionen zwischen dem Einzelhandelsverband und Ver.di nicht vereinbar.
Die Unternehmer wollen mit ihrer zentralen Forderung nach Abschaffung oder zumindest starker Reduzierung der Spätzuschläge die verlängerten Ladenöffnungszeiten billiger machen, während Ver.di versucht, nach dem Lohnabbau der letzten Jahre eine "spürbare" Einkommenserhöhung, bessere Regelungen der Arbeitszeiten und einen Sicherheitstarifvertrag durchzusetzen. Verhandlungen über einen Abbau oder die Streichung der Zuschläge, die eine reale Arbeitszeitverlängerung bedeuten würden, lehnt Ver.di prinzipiell ab.
Die Unternehmer hatten in dieser Tarifrunde bisher nur Anfang September ein "Angebot" vorgelegt, indem sie eine Einkommenserhöhung nach fünf Nullmonaten von 1,7% anboten, bei gleichzeitiger Streichung der Zuschläge bis 20 Uhr und einer Reduzierung der Zuschläge für die Zeit von 20—22 Uhr von 55% auf 20%. Dieses "Angebot" hatten die Unternehmer nach einer guten Beteiligung an den von Ver.di zahlreich organisierten Streiks unterbreitet. Nachdem Ver.di dieses "Angebot" abgelehnt hat, sind die Bedingungen die gleichen wie vorher: Verhandlungen gibt es keine und es herrscht offiziell Funkstille zwischen Ver.di und dem Einzelhandelsverband.
Nachdem der Bundeskongress von Ver.di zu Ende ist, ist wieder Leben in die Tarifrunde gekommen. Im Pilotbezirk Nordrhein-Westfalen wurden im Oktober erneut Urabstimmungen durchgeführt und Aktivitäten vorbereitet. Wenn auch zäh, kamen diese ab Mitte Oktober auch wieder in die Gänge. Anfangs mit einer eher kleinen Anzahl von Streikenden, aber mit mehr Streiktagen. In der Düsseldorfer Innenstadt streikten Mitte Oktober 250 Beschäftigte vier Tage lang. Anfang November beteiligten sich rund 4000 Beschäftigte an Streikaktionen gegen die Metro-Tochter Real in 80 Filialen; die Streiks dauerten bis zu fünf Tagen. In einer eindrucksvollen Demonstration durch die Düsseldorfer Innenstadt zur Metro-Zentrale nach Grafenberg ließen die Streikenden mächtig Dampf ab.
Auch in anderen Tarifbezirken lebte die Tarifrunde wieder auf. In Hamburg und Berlin, in Brandenburg, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern gab es z.T. sehr beachtliche Aktionen. So haben am 13.November 4000 Streikende in Berlin den Auftritt der Bundeskanzlerin beim Deutschen Handelstag "begleitet", um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
In Baden-Württemberg streikten die Beschäftigten der Warenhäuser bis zu sieben Tage lang, das ist absolut ungewöhnlich. In Hamburg holten sich 1000 Streikende den Segen der Kirche, um mit Unterstützung von "oben" die Unternehmer zu einem Abschluss zu zwingen. Insgesamt haben sich nach Angaben von Ver.di bisher 100.000 Beschäftigte an den Streiks im Einzelhandel beteiligt. Damit dürfte der Einzelhandel in diesem Jahr bei der Anzahl der Streiktage die Spitzenstellung einnehmen.
Trotzdem beharren die Unternehmer auf ihrer Forderung, die Zuschläge zu schleifen. Ihre Vertreter beten es rauf und runter, dass es ohne eine Reduzierung dieser Zuschläge keinen Abschluss geben wird. Ver.di und den Beschäftigten bleibt keine andere Wahl, als die Tarifauseinandersetzung auch ins Weihnachtsgeschäft zu tragen. Die harte Haltung der Unternehmer wird letzten Endes nur durch spürbare (Erzwingungs-)Streiks gebrochen werden.


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