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Die Streiks bei der Bahn sind zwar das gewerkschaftspolitisch absolut beherrschende Thema in
der Öffentlichkeit, aber was Dauer und Beteiligung der Beschäftigten anbetrifft, ist die Tarifrunde im Einzelhandel
ebenfalls beachtlich. Auch sie ist noch nicht beendet. Ähnlich wie vor zwei Jahren sind die Positionen zwischen dem
Einzelhandelsverband und Ver.di nicht vereinbar.
Die Unternehmer wollen mit ihrer zentralen Forderung nach
Abschaffung oder zumindest starker Reduzierung der Spätzuschläge die verlängerten Ladenöffnungszeiten
billiger machen, während Ver.di versucht, nach dem Lohnabbau der letzten Jahre eine "spürbare"
Einkommenserhöhung, bessere Regelungen der Arbeitszeiten und einen Sicherheitstarifvertrag durchzusetzen. Verhandlungen
über einen Abbau oder die Streichung der Zuschläge, die eine reale Arbeitszeitverlängerung bedeuten
würden, lehnt Ver.di prinzipiell ab.
Die Unternehmer hatten in dieser Tarifrunde bisher nur Anfang
September ein "Angebot" vorgelegt, indem sie eine Einkommenserhöhung nach fünf Nullmonaten von 1,7%
anboten, bei gleichzeitiger Streichung der Zuschläge bis 20 Uhr und einer Reduzierung der Zuschläge für die
Zeit von 2022 Uhr von 55% auf 20%. Dieses "Angebot" hatten die Unternehmer nach einer guten Beteiligung an
den von Ver.di zahlreich organisierten Streiks unterbreitet. Nachdem Ver.di dieses "Angebot" abgelehnt hat, sind
die Bedingungen die gleichen wie vorher: Verhandlungen gibt es keine und es herrscht offiziell Funkstille zwischen Ver.di und
dem Einzelhandelsverband.
Nachdem der Bundeskongress von Ver.di zu Ende ist, ist wieder
Leben in die Tarifrunde gekommen. Im Pilotbezirk Nordrhein-Westfalen wurden im Oktober erneut Urabstimmungen
durchgeführt und Aktivitäten vorbereitet. Wenn auch zäh, kamen diese ab Mitte Oktober auch wieder in die
Gänge. Anfangs mit einer eher kleinen Anzahl von Streikenden, aber mit mehr Streiktagen. In der Düsseldorfer
Innenstadt streikten Mitte Oktober 250 Beschäftigte vier Tage lang. Anfang November beteiligten sich rund 4000
Beschäftigte an Streikaktionen gegen die Metro-Tochter Real in 80 Filialen; die Streiks dauerten bis zu fünf Tagen.
In einer eindrucksvollen Demonstration durch die Düsseldorfer Innenstadt zur Metro-Zentrale nach Grafenberg ließen
die Streikenden mächtig Dampf ab.
Auch in anderen Tarifbezirken lebte die Tarifrunde wieder
auf. In Hamburg und Berlin, in Brandenburg, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern gab es z.T. sehr beachtliche Aktionen.
So haben am 13.November 4000 Streikende in Berlin den Auftritt der Bundeskanzlerin beim Deutschen Handelstag
"begleitet", um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen.
In Baden-Württemberg streikten die Beschäftigten
der Warenhäuser bis zu sieben Tage lang, das ist absolut ungewöhnlich. In Hamburg holten sich 1000 Streikende den
Segen der Kirche, um mit Unterstützung von "oben" die Unternehmer zu einem Abschluss zu zwingen. Insgesamt
haben sich nach Angaben von Ver.di bisher 100.000 Beschäftigte an den Streiks im Einzelhandel beteiligt. Damit
dürfte der Einzelhandel in diesem Jahr bei der Anzahl der Streiktage die Spitzenstellung einnehmen.
Trotzdem beharren die Unternehmer auf ihrer Forderung, die
Zuschläge zu schleifen. Ihre Vertreter beten es rauf und runter, dass es ohne eine Reduzierung dieser Zuschläge
keinen Abschluss geben wird. Ver.di und den Beschäftigten bleibt keine andere Wahl, als die Tarifauseinandersetzung auch
ins Weihnachtsgeschäft zu tragen. Die harte Haltung der Unternehmer wird letzten Endes nur durch spürbare
(Erzwingungs-)Streiks gebrochen werden.
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