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Seit 1954 gibt es eine US-amerikanische Militärbasis in Vicenza, die Caserma Ederle. Seit 1965 ist
dort die Southern European Task Force (SETAF) stationiert. Die amerikanische Präsenz teilt sich auf
mehrere Orte auf, die jeweils durch ein großes unterirdisches Netzwerk miteinander verbunden sind. Vor
einigen Jahren stellten italienische Behörden eine erhöhte radioaktive Strahlung nahe den
unterirdischen Depots fest. Zudem gab es eine außergewöhnliche hohe Anzahl von
Leukämieerkrankungen in der Gegend. Man vermutet unterirdisch gelagerte Atomwaffen als Ursache.
Ein sehr großer Teil der Bürger von Vicenza schätzt die US-Army als wichtigsten
Arbeitgeber der Stadt. Nach langjährigen Planungen wurde im Sommer 2006 das Projekt Ausbau der
Militärbasis auf dem Gelände "Dal Molin" bekannt gegeben. Im Herbst 2006 stimmte die
Stadtregierung zu. Die Amerikaner wollen mit dem Neubau ihre 173.Brigade an einem Ort zusammen legen,
derzeit teilt sie sich auf Italien und Deutschland auf.
Mit der Zustimmung der Stadtverwaltung
begann auch der Protest. Im Dezember demonstrierten rund 20000 Menschen. Als am 16.Januar 2007
Ministerpräsident Prodi die Entscheidung seines Vorgängers Berlusconi bestätigte und die
Basis befürwortete, bauten Bürgerinitiativen ein Zelt, das sog. "presidio", auf einem
Maisfeld nahe des Flughafens auf. Das Zelt ist ständig besetzt, zweimal wöchentlich gibt es
Versammlungen von 200300 Menschen. Die Protestgruppen sind nach Stadtteilen organisiert, die Bewegung
ist sehr vielfältig, und man bemüht sich sehr, jede politische Vereinnahmung zu verhindern.
Der Protest richtet sich gegen mehrere Aspekte, u.a. den Ort und die Dimension der neuen Basis. Nur 2,5
km ist "Dal Molin" vom berühmten Dom des Renaissancearchitekten Palladio entfernt. Vicenza
ist Unesco-Kulturerbe. Die Basis würde, zusammen mit der bereits bestehenden Basis Ederle, den
größten Militärstützpunkt in Europa bilden. Es werden auch große
Umweltschäden befürchtet, nicht zuletzt aufgrund bisheriger Erfahrungen (siehe oben). Zudem liegt
unter dem Flughafen eines der größten Grundwasserreservoire, das nicht nur Vicenza, sondern auch
Padua und Rovigo versorgt.
Die Ironie des Schicksals will es, dass das Gelände des geplanten Neubaus und die mittlerweile
eingemeindeten Ortschaften rund um Vicenza im Zweiten Weltkrieg Opfer massiver Bombardierungen durch die
Alliierten wurden. Die Engländer verwechselten die Gegend um Vicenza mit Kroatien, aber auch die
Amerikaner warfen ihre Bomben auf Vicenza ab. Das hat sich tief ins Gedächtnis der Stadt eingegraben.
Ausdrückliches Ziel der Protestbewegung ist es, mit allen nur erdenklichen friedlichen Mitteln die
Arbeiten zu verzögern, zu behindern und wenn irgend möglich zu verhindern. Die Amerikaner haben
es eilig. Anfang November sollten die sog. "Reinigungsarbeiten" beginnen, die Säuberung des
Gebiets von den alliierten Bomben. Die Bewegung "No Dal Molin" reagierte prompt. Sie blockierte
die Einfahrt zum Gelände. Einer der Protestierenden wurde dabei von einem italienischen Soldaten mit
dem Auto angefahren und leicht verletzt. Drei Tage lang dauerte die Blockade, und sie hatte Erfolg. Die
Arbeiter machten kehrt. Zwei Monate vorher hatte man, unbehelligt von der Polizei, die den Protestierenden
(rund 4000) den Zugang zum Gelände gewährte, 150 Bäume auf dem Flughafengelände
gepflanzt begleitet von einem Camp und einem Festival mit Konzerten und verschiedenen kulturellen
Aktivitäten.
Bei der Blockadeaktion im November wurde
die Bewegung erweitert um Aktivisten aus den Städten, aus denen die Firmen kommen, welche die
Bombenräumung vornehmen. In Vicenza trainierte man in den letzten Monaten den gewaltlosen Widerstand.
Mitte November wurde eine Projektänderung bekannt gegeben. Statt der Ostseite des Flughafens soll
nun die Westseite genutzt werden. Dafür muss eine Landepiste verlegt werden, was den Flughafen
über Jahre hinweg unbenutzbar macht das macht mittlerweile auch die vor allem auf ihr Geld
bedachten Vicentiner nervös. Der Hauptaktionär der Flughafenunternehmens, Dino Menarin, seines
Zeichens auch "Commissario" der örtlichen Handelskammer, hat mit Schadenersatzforderungen
gedroht.
Das zuständige "Komitee der
Region" hat eine erste inoffizielle Zustimmung gegeben, ebenso die Amerikaner. 170 Parlamentarier
sprechen sich gegen den Bau der neuen Militärbasis aus, überlassen es aber der
Bürgerbewegung, mit einer Unterschriftenaktion soviel Druck zu entfalten, dass der Protest vors
Parlament kommt.
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