| SoZ - Sozialistische Zeitung |
Wenn am 8.Dezember die Partei der kommunistischen Neugründung (PRC Partito della Rifondazione
Comunista) mit anderen kleinen Parteien über die Bildung einer "Cosa Rossa" (einer roten
Sache) berät, legt der linke Parteiflügel zeitgleich die Grundlagen für eine politische
Existenz außerhalb der Partei. Mit FRANCO TURIGLIATTO, Senator für die PRC, der Anfang dieses
Jahres aus der Partei ausgeschlossen wurde, weil er dem Militäreinsatz in Afghanistan und der
Erweiterung der Militärbasis in Vicenza nicht zustimmen wollte, sprach Angela Klein.
Wie haben sich die Rahmenbedingungen für die antikapitalistische Linke in Italien seit dem
Regierungsantritt Prodis verändert?
Dazu müssen wir zunächst
beleuchten, was sich für die abhängig Beschäftigten geändert hat. Und da ist es so,
dass die Regierung Prodi die neoliberale Politik ihrer Vorgängerregierung fortsetzt entlang der
Linie, für die Prodi schon zu seiner Zeit als Präsident der EU-Kommission stand. Gegen die
Prekarisierung der Arbeits- und Lebensbedingungen wird nichts unternommen das berüchtigte
"Gesetz 30", das prekäre Beschäftigung auf niedrigem Niveau regelt, wird leicht
verändert fortgeschrieben, einschließlich der Kürzungen der Sozialleistungen; ebenso die
Einwanderungsgesetze von Berlusconi. Die Sicherheitsgesetze entsprechen gleichfalls dem europäischem
Standard und belohnen Polizeifunktionäre, die an der Schlächterei von Genua beteiligt waren, mit
hohen Regierungsposten. Die Regierung Prodi ist ein treuer Verbündeter der USA und setzt gegen
großen Widerstand die Erweiterung der Militärbasis in Vicenza durch; sie unterstützt die
Militärinterventionen im Irak und in Afghanistan und die Aufrüstung der italienischen Armee.
Mit dem Zusammenschluss des
größeren Teils der früheren Linksdemokraten (DS) und der bürgerlichen Margherita zur
neuen Demokratischen Partei (PD) ist eine neue bürgerliche Partei entstanden, die die Gesamtinteressen
des italienischen Kapitals besser vertritt als Berlusconi vorher. Wo dieser hauptsächlich
Klientelpolitik machte, ist die neue Regierung eng mit den Interessen des Finanzkapitals verbunden
einer ihrer größten Erfolge war die Fusion der Banca Intesa mit San Paolo Imi zur
zweitgrößten Bank Italiens und siebtgrößten Europas im Herbst letzten Jahres.
Die Politik der neuen Regierung
unterscheidet sich von der Berlusconis hauptsächlich formal. Wo letzterer die Konfrontation mit den
Gewerkschaften gesucht hat, versucht erstere, die Gewerkschaften unmittelbar in die Gesetzesvorbereitungen
einzubinden. Das skandalöseste Beispiel dafür ist das sog. Protokoll über den Sozialstaat:
es setzt das Renteneintrittsalter auf 60 Jahre herauf, nicht in einem großen Schritt, aber in vielen
kleinen Schritten verbunden mit einer Absenkung des Rentenniveaus; nur Beschäftigte, die
besonders schwere Arbeiten verrichten (Nachtarbeit, Fließbandarbeit etc.), können drei Jahre
früher in Rente gehen. Dieses Gesetz ist mit den Vorständen der großen Gewerkschaften
ausgemauschelt und in einer "Urabstimmung" der gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten
"verabschiedet" worden, bevor es durch das Parlament ging. Das ist eine perfide Form der
institutionalisierten Klassenkollaboration und Unterstützung einer "befreundeten Regierung".
Wie hat sich denn Rifondazione gewandelt?
Rifondazione Comunista ist in diese Form
der Zusammenarbeit vollständig eingebunden, bestenfalls enthält sich die Partei an einigen
Punkten. Als Oppositionskraft auf der Linken fällt sie vollständig aus.
Das ist das herausragende Merkmal der
aktuellen Situation: die Linke ist keine Opposition mehr, d.h. es gibt keine Kraft mehr mit
parlamentarischer Vertretung, die gegen die Politik der Regierung von links mobil machen würde. Die
italienische Linke durchläuft einen historischen Wandel, möchte man sagen. So schnell hat sich
noch keine Partei sozialdemokratisiert wie die PRC in den letzten drei Jahren. Die Partei ist jetzt ganz
auf die Besetzung von Posten in den Gemeindeverwaltungen und im Staatsapparat orientiert es geht da
ums Regieren, nicht allein um Sitze in den Parlamenten. Rifondazione beantwortet die Gründung der
Demokratischen Partei mit einer Stärkung ihrer institutionellen Macht durch enge Kooperation mit
anderen linksreformistischen Kräften: dazu gehören die Grünen, der kleine linke Flügel
der Linksdemokraten, der den Weg in die DP nicht mitgemacht hat, und die PdCI.
Diese Parteien werden am 8.Dezember
zusammenkommen, um ein Netzwerk zu bilden es nennt sich Cosa Rossa (Rote Sache). Sie bilden noch
keine gemeinsame Partei, aber inhaltlich haben sie große gemeinsame Schnittmengen. Sie verstehen sich
alle zusammen als das linke Bein im Mitte-Links-Bündnis und peilen deshalb eine strategische
Zusammenarbeit mit den restlichen Parteien des regierenden Koalitionsbündnisses an.
An der inneren Struktur der Partei hat sich
wenig geändert, aber die aktive Parteibasis spielt keine Rolle mehr. Auf die Eigenaktivität der
Mitglieder vor Ort greift die Parteiführung nicht mehr zurück. Die Parteigremien entscheiden auch
immer weniger; wichtiger werden mehr und mehr die Rats- und Parlamentsfraktionen, die geben jetzt den Ton
an.
Die einfachen Mitglieder sind sehr
frustriert, einige treten aus, andere ziehen sich resigniert zurück.
So etwas wie einen Bruch einer Schicht von Aktiven in Partei und Gewerkschaften mit ihrer Partei, die
ihre Ziele verraten hat, wie es in Deutschland die WASG darstellte, gibt es also in Italien nicht?
Die Schichten der abhängig
Beschäftigten, die sich noch links verstehen, sind völlig desorientiert, konfus, zersplittert,
aber auch zutiefst unzufrieden. Dazu trägt auch die Politik der Gewerkschaften bei. Sie hat das
Vertrauen in den Kampf als entscheidendes Mittel, um gesellschaftlichen Fortschritt zu erreichen,
gründlich unterminiert. Die Funktionäre, die hier entscheiden, schauen vor allem auf die
Konkurrenzfähigkeit einzelner Betriebe und auf den Fortbestand ihrer eigenen Rolle als
Verhandlungspartner. Darüber geht auch der Begriff der Arbeiterklasse selber flöten.
Klasseninteressen die Grundlage für die Herstellung einer Einheit im Kampf gegen die Interessen
des großen Kapitals werden ersetzt durch die Interessen von einzelnen Sektoren der
abhängig Beschäftigten.
Man muss aber auch sehen, dass wegen der
Selbstaufgabe einer klassenkämpferischen Linken ein bedeutender Teil der Arbeiterklasse heute für
die Rechten stimmt und ihrer Ideologie aufsitzt.
Sinistra Critica verstand sich bisher als linker Flügel der PRC. Führt ihr noch einen
innerparteilichen Kampf?
Wir sind schon mit einem halben Bein
draußen. Einige haben das Mitgliedsbuch schon zurückgegeben, der größte Teil noch
nicht, aber das wird jetzt schnell gehen. Rifondazione gibt es nicht mehr jedenfalls nicht mehr das
Projekt, was einmal damit verbunden war, nämlich das einer kommunistische Neugründung. Das
Projekt ist gescheitert, aus dem einfachen Grund, weil die Partei die Aufgaben nicht gemeistert hat,
für die sie gegründet worden ist.
Wir stehen für eine
antikapitalistische Orientierung, die sich auf die gesellschaftlichen Kämpfe gründet. Wir
versuchen deshalb, jetzt eine stabile Zusammenarbeit mit all den Kräften aufzubauen, die Widerstand
leisten: die Aktiven gegen die Militärbasis in Vicenza oder gegen die Hochgeschwindigkeitstrasse durch
die Val di Susa; die Metallarbeiter, die gegen die Rentenkürzungen und die Aushöhlung des
Flächentarifs Sturm laufen; die sozialen Zentren, die das Herz der Disobbedienti waren. Für all
diese sind wir der einzige Bezugpunkt, der übrig geblieben ist. Es ist noch zu früh, über
eine neue Partei zu reden, deshalb beschränken wir uns derzeit auf die Bildung eines Vereins, der vor
allem die aktive Zusammenarbeit festigen will. Aber früher oder später brauchen wir
natürlich ein neues politisches Projekt...
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten
und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo
|
Sozialistische Hefte für Theorie und Praxis Sonderausgabe der SoZ 42 Seiten, 5 Euro, |
|||
|
Der Stand der Dinge Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität | ||||