SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Dezember 2007, Seite 20

Tribunal der Völker in Bogotá, Kolumbien

Die Verbrechen der Ölkonzerne

von Ralf Haeussler

Vom 2. bis 4.August 2007 tagte in Bogotá das Permanente Tribunal der Völker. Es untersuchte die Vorwürfe, internationale Konzerne seien für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich.Der gewinnträchtige kolumbianische Ölkonzern Ecopetrol wird verkauft. Das gab die Regierung Uribe zum gleichen Zeitpunkt bekannt, wo in Bogotá die Verbrechen der Ölkonzerne untersucht wurden. Aus Ecopetrol wird keine "Volksaktie" — schon jetzt haben die internationalen Ölfirmen einen Fuß im Konzern. Und nimmt der Einfluss der internationalen Konzerne zu, dann steigt die Gewalt. Dann werden noch mehr Menschen bedroht, vertrieben und umgebracht. Noch mehr Natur wird unwiederbringlich zerstört.
Das Tribunal der Völker führen Nichtregierungsorganisationen durch. Es steht in der Tradition des Russell-Tribunals von 1967 in London (Vietnamkrieg) und Völkertribunalen in Lateinamerika zu den Verbrechen von Militärdiktaturen. In Kolumbien gab es seit April 2006 mehrere Sitzungen des Tribunals gegen internationale Konzerne, u.a. zu den Themen Ernährung, Biodiversität und Abbau von Edelmetallen.
Das Tribunal arbeitet die Fakten soweit auf, dass sie internationalen Rechtsansprüchen genügen und bei nationalen und internationalen Verfahren verwendet werden können; in der Vergangenheit hatte dies bei Coca Cola und Nestlé bereits Erfolg. Mit Hilfe von Zeugenaussagen, politischen und sozialen Analysen wurden auch diesmal wieder Menschenrechtsverletzungen und die Auswirkungen der in Kolumbien tätigen internationalen Ölkonzernen OXI (USA), Repsol (Spanien) und BP (Großbritannien) auf die Umwelt untersucht. Zudem wurde geprüft, ob die Konzerne mit dem staatlichen Repressionsapparat oder den Paramilitärs zusammenarbeiten.
Die Anhörung zu den internationalen Ölkonzernen war gut vorbereitet. In letzter Zeit wurden immer mehr Vertretern der kolumbianischen Gesellschaft enge Verbindungen zur Drogenmafia und den Paramilitärs nachgewiesen. Laut Gustavo Petro, Senator des Alternativen Demokratischen Pols, betrifft dies ein Drittel der kolumbianischen Gesellschaft. "Dieselben Leute machen morgens Gesetze, verkaufen am Nachmittag Kokain und schicken in der Nacht die Todesschwadronen zur Ermordung unliebsamer Persönlichkeiten. Es geht dabei nicht nur um die Ermordung einzelner. Ein Klima des Terrors und der Angst wird gesät, um die Menschen einzuschüchtern; niemand soll den Mut haben, sich gegen das Unrecht und die Ausbeutung zu stemmen." Kein Wunder, dass Gustavo Petro vom Präsidenten als Staatsfeind Nr.1 angesehen wird — im heutigen Sprachgebrauch also als "Terrorist".
Die Gewerkschaft der Erdöl- und Minenarbeiter ist praktisch ausgelöscht. Bei der Ermordung und Repression von Gewerkschaftsführern liegt Kolumbien weltweit an erster Stelle. In den letzten 20 Jahren wurden 3000 gewerkschaftlich Organisierte ermordet.
Paramilitärs und Eliteeinheiten des kolumbianischen Staats finanzieren sich aus Mitteln des offiziell zur Drogenbekämpfung bestimmten Plan Colombia der USA. Sie sorgen dafür, dass die Gebiete, in denen nach Erdöl gesucht werden soll, von der Zivilbevölkerung "gereinigt" werden. Das Tribunal zeigte eindeutig den Zusammenhang der Ermordungen mit den wirtschaftlichen Interessen auf.
Die Anhörungen waren öffentlich. Ein internationales Gremium aus den Bereichen der Menschenrechtsarbeit, Justiz, Ethnologie und Soziologie nahm die Anklagen auf und erarbeitete ein Schlussdokument, das massive Menschenrechtsverletzungen nachwies, die unter die Kategorien Völkermord und Vertreibung von Volksgemeinschaften fallen; ebenfalls nachgewiesen wurde die enge Zusammenarbeit der US-Firma OXY, der spanischen Repsol und der britischen BP mit dem Repressionsapparat des kolumbianischen Staates. Deutlich wurde durch die Berichte auch die Zerstörung ganzer Ökosysteme.
Der Richterspruch dient nun als Grundlage für weitere Untersuchungen und Anklagen auf nationaler und internationaler Ebene.
In der nächsten Zeit sind Audienzen zu den Themenbereichen Öffentlicher Dienst und Finanzwesen geplant. Das Abschlusstribunal findet im Juli 2008 statt.

Ralf Haeussler ist Pfarrer der Württembergischen Landeskirche; auf Einladung der Gewerkschaft Sinaltrainal nahm er am Tribunal als beisitzender Richter teil.


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