SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2008, Seite 02

Schwarzer Montag

Für die Krise sollen die Couponschneider zahlen

Das war zu erwarten: Am 21.Januar brachen weltweit die Aktienkurse ein. Der Dax stürzte an einem Tag um 7,3% ab — so stark wie zuletzt nach den Anschlägen auf das World Trade Center am 11.September 2001. 63 Mrd. Euro Börsenwert der 30 größten deutschen Aktiengesellschaften wurden auf einen Schlag vernichtet. Mit dem Dax rauschten auch die Aktienindizes des europäischen Stoxx 50 (—6,4%), des japanischen Nikkei (—4%), des britischen FTSE (—4%) und der chinesischen Börse (—5%) in die Tiefe. Der indische Sensex-Index erlitt den zweitgrößten Verlust der indischen Wirtschaftsgeschichte. Die US-Börsen blieben an dem Tag verschont, weil es ein Feiertag war. Börsenanalysten sprachen von einem "Schwarzen Montag" — in Anlehnung an den Schwarzen Freitag 1929.
Die Kursstürze folgten der Veröffentlichung der Ergebnisse des 4.Quartals 2007 einiger US-Banken sowie des Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate, der SachsenLB und der WestLB in Deutschland in der vorangegangenen Woche . Eine Rezession in den USA gilt jetzt als sicher — die kann auch das von George W. Bush angekündigte Konjunkturprogramm von 145 Mrd. US-Dollar nicht mehr aufhalten. Niemand glaubt mehr, dass die Wirtschaftswunderkinder China und Indien ein Übergreifen der Rezession auf Europa noch aufhalten könnten — trotz ihrer wirtschaftlichen Schwäche sind die USA immer noch für 60% der weltweiten Nachfrage verantwortlich.
Und das ist erst der Anfang: Längst noch nicht alle Großbanken haben ihre Schlussbilanzen für 2007 veröffentlicht. Schätzungen gehen davon aus, dass die Banken weltweit durch die Immobilienkrise 300 Mrd. US-Dollar verloren haben. "Davon ist in den bislang bekannten Bilanzen der Kreditinstitute noch nicht einmal die Hälfte aufgetaucht", zitiert die Süddeutsche Zeitung (22.1.) Aussagen aus Börsenkreisen.
Die in der Tagespresse veröffentlichten Kommentare von Wirtschaftsfachleuten reagieren darauf mit einem Pfeifen im Wald: Dies sei eine normale, wenn nicht gar notwendige Reaktion auf "Exzesse", die böse, gierige Spekulanten zu verantworten hätten. Der "gute Kern" des seriösen Kapitalismus, der produzieren will und nicht mit Geld spielt, sei unschuldig. Das ist ein Märchen. Der "gute" (produzierende) Kapitalismus leidet seit Jahrzehnten an Überkapazitäten und daran, dass zuviel Geld im Umlauf ist — Geld, das profitable Anlagemöglichkeiten sucht. Dieses Geld hat sich zu Beginn des Jahrtausends auf den Immobiliensektor gestürzt, und die Politik wie auch die Zentralbanken haben mit extrem billigen Krediten ein Nachfragepotenzial dafür geschaffen.
Das Nachfragepotenzial basierte auf einer Rekordverschuldung der privaten Haushalte. Nachdem die Subprimekrise diesen Weg verstopft hat, ist dieses Geld längst weiter gezogen und hat sich auf Öl und andere Rohstoffe geworfen — mit der Folge drastischer Preiserhöhungen, die wiederum in erster Linie die abhängig Beschäftigten und die Armen zu tragen haben. Diesen Mechanismus analysieren die beiden Beiträge zur kapitalistischen Ökonomie von Ingo Schmidt und Robert Brenner, die wir auf Seite 17 und 18 dieser Ausgabe veröffentlichen.
Lässt man den Kapitalismus gewähren, werden die Kosten auch dieser Krise wieder auf die Lohnabhängigen abgewälzt werden. Rezession bedeutet Konkurse und Arbeitslosigkeit. Gleichzeitig aber zeichnet sich ab, dass der Kapitalismus noch einen anderen Weg sucht, Kapital in Größenordnungen zu vernichten, um eine neue Runde der Kapitalakkumulation zu ermöglichen: die Inflation. Die Teuerung, die wir im vergangenen Jahr erlebt haben, wird ebenfalls nur ein Anfang gewesen sein. Das bedeutet für die Haushalte hierzulande, dass nicht nur die Ersparnisse von Erwerbslosen und Niedriglöhnern aufgefressen werden (daran ist die Regierung schuld), sondern auch die von Facharbeitern und Angestellten. Der Absturz der Mittelschicht, der in den USA längst Realität ist, droht nun auch hier.
Das alles ist kein Schicksal und man kann etwas dagegen tun, sofern man nur den Schritt wagt sich einzugestehen, dass die Geschehnisse auf den Märkten keinem Sachzwang folgen, sondern der Jagd der einzelnen Kapitalanleger nach möglichst hohem Profit.
Die Existenzmittel der arbeitenden Bevölkerung und die Zukunftsaussichten der jungen Generation dürfen nicht länger von den Finanzentscheidungen der Aktionäre abhängen! Die Regierung darf sich nicht damit begnügen, gegen die Preistreiberei z.B. der Energiekonzerne das Kartellamt anzurufen. Für die grundlegenden Lebensmittel müssen Preishöchstgrenzen festgelegt werden. Das Lohnniveau muss drastisch angehoben werden — ein gesetzlicher Mindestlohn (1500 Euro brutto im Monat bei einer 37-Stunden-Woche) ist gerade jetzt hoch aktuell, die Anpassung an die Inflationsrate muss automatisch erfolgen und darf nicht mehr Gegenstand von Tarifverhandlungen sein. Der ALG-II-Regelsatz muss sofort und in einer ersten Stufe auf 500 Euro angehoben werden.
Landauf, landab muss die drohende Wirtschaftskrise und die angemessene Antwort darauf im Mittelpunkt der Debatte stehen.

Angela Klein


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