SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2008, Seite 06

Vor der Hessenwahl

"Die SPD ist zur Kooperation mit uns nicht fähig"

Interview mit Willi van Ooyen, Spitzenkandidat der Linken


In Hessen hat Die Linke bei der bevorstehenden Landtagswahl erstmals die Chance, in einem Flächenstaat über 5% zu kommen. Das Gespräch fand eine Woche vor der Wahl statt. Willi van Ooyen ist im Hauptberuf pädagogischer Leiter der Praunheimer Werkstätten in Frankfurt am Main. Er ist parteilos und Spitzenkandidat der Partei Die Linke für den hessischen Landtag.

Was wirst du anziehen, wenn du zum ersten Mal in den Hessischen Landtag gehst? Die Grünen haben in der Kleiderordnung ja Maßstäbe gesetzt...
Ich werde das blaue Hemd der Friedensbewegung anziehen. Aber ich bin gar nicht sicher, dass wir den Sprung schaffen. Im Moment spielt sich die Polarisierung zwischen Koch und Ypsilanti ab, und es wird der Versuch gemacht, von den eigenen politischen Positionen abzulenken: Hartz IV, Agenda 2010, die Steuerpolitik u.a. Die Eskalation, die Koch betreibt, verstärkt die Wendestimmung im Land, und die SPD versucht nun, sich als die einzige Kraft darzustellen, die eine solche Wende schaffen kann.
Für uns ist es damit schwerer geworden. Deshalb führen wir einen politischen Wahlkampf, der sagt: Ohne eine Korrektur der SPD- Politik gibt es keinen Einstieg in einen Politikwechsel. Wir wollen erkennbar eine Alternative zur Politik von "Rot-Grün", SPD und CDU präsentieren.
nDer Zuspruch zur SPD hat aber doch früher eingesetzt, noch bevor Koch Ende Dezember die Polarisierung gesucht hat.
Ja, aber er hat zugenommen. Bis Dezember waren wir die erkennbaren Antipoden, die Herausforderung gegenüber Koch. Zu dem Zeitpunkt hat die SPD versucht, eine Moderationsrolle zu übernehmen. Das fing an mit der Kommunismuskampagne, die im Dezember begann; sie wurde unterbrochen durch Kochs Kampagne gegen die Ausländer, diese mündet jetzt aber wieder in eine Rote-Socken-Kampagne. Die schadet uns nicht, das ist Schnee von vorgestern.
Hat die SPD mit der Unterschriftenkampagne für den Mindestlohn denn punkten können? Oder ist ihr Aufschwung in den Wählerumfragen nur das Verdienst von Koch?
Das ist das Verdienst von Koch. Die Mindestlohnkampagne der SPD war sehr halbherzig, im Unterschriftentext steht nicht mal eine Lohnhöhe drin — da könnte es um 1-Euro-Jobs gehen, oder um die 4,50 Euro, die Rürup vorgeschlagen hat, oder die 7,50 Euro, die der DGB will — das hängt alles in der Luft. Es ist eine ganz vordergründige Kampagne, weil die SPD gemerkt hat, dass sie irgendwie soziale Töne anschlagen muss. In der Öffentlichkeit hat das verfangen, weil Zentralorgane der SPD wie die Frankfurter Rundschau massiv Werbung gemacht haben für die SPD und die "sozialen Anliegen", die mit Frau Ypsilanti jetzt zu machen wären. Es ist fraglich, ob das Position der SPD bleibt: Kurz vor Toresschluss ist ja nochmal Wolfgang Clement, ehemals Wirtschaftsminister unter Schröder, in die Arena gestiegen und hat sich grundsätzlich gegen einen Mindestlohn ausgesprochen.

Das schadet Frau Ypsilanti aber nicht?
Frau Ypsilanti schadet das nicht, aber es zeigt die Zerrissenheit der SPD in dieser Frage.
Kann die Linke das ausschlachten?
Wir versuchen es. Wir sagen klar, dass die SPD in der Frage des Mindestlohns springen muss und Taten folgen lassen muss, nicht nur eine Wahlkampfnummer abziehen.

Was sind da eure griffigen Losungen, die jedem klar machen: Ihr meint es ernst, und die SPD nicht?
Wir verlangen 8,44 Euro Mindestlohn und sagen: Das ist für uns der Einstieg. Löhne sind nur dann armutsfest, wenn sie hoch genug sind, dass Menschen selbstständig und souverän davon leben können. Diesen Punkt nehmen wir in der Endphase nochmal stark nach vorne.
Und wir betonen, dass es eine sichere Mehrheit gegen Koch nur geben wird, wenn Die Linke in den Landtag einzieht. Es kann sonst nämlich alle möglichen Konstellationen geben...

Welche Rolle spielt denn in der Partei die Frage nach einer evtl. Regierungsbeteiligung?
Das ist bei uns ziemlich geklärt. Wir sagen: Wir wollen in Fraktionsstärke in den Landtag einziehen. Wir werden Koch auf keinen Fall wählen. Die Stellung des Ministerpräsidenten ist in der Hessischen Verfassung relativ stark: Man kann ihn nicht einfach nur abwählen, man muss ihn mit Mehrheit wählen oder durch eine andere Person ersetzen. Das zwingt dazu, dass Frau Ypsilanti bereit sein muss, überhaupt gegen Koch anzutreten. Das ist aber nicht sicher. Es kann auch so kommen, dass die Stimmen, die wir zugunsten von Frau Ypsilanti in die Waagschale legen würden, am rechten Rand der SPD-Fraktion wieder abhanden kämen, weil hier eine labile Mehrheit nicht gewollt ist. Es gibt ja keine politische Kultur bei uns, eine Minderheitsregierung aufzustellen. Das ist den meisten viel zu wackelig.
Wir sagen: Wir sind gesprächsbereit über unsere politischen Forderungen. Unsere Kernpunkte sind: 25000 Arbeitsplätze im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor; die Gemeinschaftsschule; neue Perspektiven integrativer Bildungspolitik; keine Privatisierung; mehr Steuereinnahmen für soziale Ausgaben. Allein wenn wir das Steueraufkommen von 1997 wieder bekämen, hätten wir 1,2—1,6 Miliarden Euro mehr im Haushalt. Das wäre ein Einstieg, von dem wir sagen würden: Damit lässt sich ein Programm für mehr soziale Gerechtigkeit finanzieren. Beide Punkte müssen immer zusammengedacht werden: Es muss mehr Ausgaben für Soziales geben, und es müssen dafür die Steuern bei denen erhöht werden, die das leisten können.
Darüber sind wir gesprächsbereit, und dann wird man sehen, ob sich daraus etwas Gemeinsames ableiten lässt. Ein solches evtl. Gemeinsames würden wir der Mitgliedschaft der Partei zur Abstimmung vorlegen. Dann wird sich zeigen, ob es und ggf. unter welchen Bedingungen Verabredungen mit der SPD geben kann.

Verabredungen für was?
Für eine Kooperation oder Koalition oder was auch immer...
Du schließt eine Koalition nicht aus?
Nein, nein.

Das hörte sich vor ein paar Tagen noch anders an. Da sprachst du von bedingungsloser Wahl von Frau Ypsilanti, ohne inhaltliche Verabredungen daran zu knüpfen.
Das stand nur in der Taz, und das war interessegeleitet. Das haben wir nie gesagt. Wir haben seit Dezember genau die Linie wie von mir beschrieben.

Siehst du eine Chance dafür, dass die SPD mit euch eine Koalition bildet?
Das ist schwierig. Ich glaube nicht, es würde sie zerreißen. Andererseits würde sie auch zerrissen, wenn sie mit Koch eine Koalition einginge. Sie hat sich da ziemlich festgefahren. Ihre Chance ist, dass sie die Mehrheit bekommt und mit den Grünen und möglicherweise der FDP eine Regierung aufstellen kann. Dann sind solche Sachen wie Mindestlohn u.a. aber weg.

Vielleicht gibt es dann einen für 3,50 Euro.
Das könnte gehen. Ich sehe aber nicht, dass die SPD in der Lage wäre, mit uns eine Kooperation, geschweige denn eine Koalition zu entwickeln.


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