SoZ - Sozialistische Zeitung |
Im öffentlichen Dienst hat der Kampf um neue Tarife begonnen. Die
Zeichen stehen auf Sturm und Streik. Es wird keine alltägliche Auseinandersetzung werden. Das
Samenkorn für eine neuen gewerkschaftlichen Kampfgeist ist gelegt. Ob sich das zu einer Frucht
entwickelt, ist nur schwer prophezeibar, aber die Möglichkeit ist da und verlangt von jenen, die nach
Gegenmacht für eine andere Politik streben, aktives Engagement in diesem Frühjahr.
Die Forderungen lassen schon aufhorchen.
8%, mindestens aber 200 Euro für die Auszubildenden wird 120 Euro und verbesserte
Übernahmeregelungen fordert Ver.di für die rund 1,3 Millionen Kolleginnen und Kollegen bei
den Kommunen und im Bund.
Schon im Vorfeld gab es die
"Vorgabe" nach einer deutlichen Einkommenserhöhung. Bundesweit wurde eine Kampagne
"Genug gespart" gestartet und rechtzeitig begann man mit einer so seit langen nicht mehr
gekannten Diskussion zur Tarifrunde. Und während dieser Diskussion in den Betrieben und in der
Gewerkschaft wurde die Forderung von ehemals etwa 6% deutlich in die Höhe diskutiert und mit der
Festgeldforderung auch seit langem wieder die Problematik Schere zwischen niedrigem und hohem Lohn auf die
Tagesordnung gesetzt. Sicher hat dann Erhöhung der Diäten der Bundestagsabgeordneten um 9,4% die
Diskussion auch noch angeheizt.
Entscheidend ist aber nicht die Höhe
der Forderung, sondern die bewusst geführte Diskussion, dass man nur durch Arbeitskampf etwas
erreichen kann. Es gibt nicht den gerechten Lohn, sondern nur den erkämpften. Allein diese Diskussion
hat schon zu selbstbewussteren Belegschaften geführt.
Einiges ist neu bei dieser Tarifrunde.
Erstmals tritt Ver.di gemeinsam mit dem Beamtenbund auf. Gemeinsam mit Pflegeberufsverbände
organisiert Ver.di eine Protestkampagne in den Krankenhäuser und steigert so das Selbstbewusstsein der
Krankenschwestern und korrigiert damit auch Fehler, die die Gewerkschaft im Umgang mit den besonderen
Ärzteinteressen begangen hat. Ein Streik.tv im Internet mobilisiert jeweils donnerstags mit neuen
Sendungen. In den Betrieben wird der Streik konkret vorbereitet. Überall finden Abfragen statt, wer
ist bereit zu kämpfen, wie soll die Notdienstvereinbarung aussehen, wer wird wann in den Streik
gerufen.
Der Tarifkampf ist hochpolitisch. Es geht
um Grundsätzliches. Drohen die Arbeitgeber doch mit Stellenabbau, Outsourcing und Privatisierung.
Besonders den Beschäftigten in den Krankenhäusern will man gar nichts geben bzw. sogar etwas
wegnehmen, denn schließlich sei ja kein Geld da. Die Krankenhausfinanzierung sieht nun mal keine
Entgeltentwicklung vor. Die Budgets sind gedeckelt. Um dagegen zu argumentieren, muss man sich mit den
Grundzügen der neoliberalen Politik auseinandersetzen. Man muss diese legalistische Logik, es
gäbe doch keine Alternative, im eigenen Kopf brechen.
Diese notwendige politische
Auseinandersetzung wird zunehmen, zumal die öffentliche Arbeitgeber ja auch als Teil des politischen
Systems wahrgenommen werden. Und dieser Kampf wird Millionen Menschen erfassen, zumal die aktuelle Umfrage
unter der Bevölkerung erfreulicherweise auf eine großen Zustimmung verweist.
Nun wird kritisiert, die Fokussierung auf
den Lohn würde nicht ausreichen, insbesondere müssten weitere Forderungen zur Arbeitszeitfrage
und zur Korrektur des TVöD gestellt werden. So richtig diese Ansichten auch sein mögen, sie gehen
an den Köpfen der Menschen vorbei. Gerade die Konzentration auf die Einkommensfrage wird die Menschen
in Gang und damit auch die anderen Fragen mit auf die weitere Agenda setzen.
Diese Tarifauseinandersetzung hat in sich
die Chance , dass Gewerkschaften aus ihrer Defensive herauskommen. Das alles ist nicht ohne
Widersprüche und natürlich sind jene, die auf Sozialpartnerschaft setzen, immer noch keine
Minderheit. Aber im Moment scheinen die kämpferischen Kräfte immer mehr an Einfluss zu gewinnen.
Eine Mehrheit in Ver.di bereitet ernsthaft eine große Auseinandersetzung vor. Diese wird angesichts
der Hegemonie der neoliberalen Ökonomie und der Gedankenwelt nicht leicht sein. Und ob die Chancen
ergriffen werden, ist auch nicht klar.
Klar ist allerdings, dass nach wie vor die
Gewerkschaften die gesellschaftliche Kraft darstellen, die die Angriffe des Kapitals auf soziale Rechte
abwehren können. Ein Politikwechsel ist nur vorstellbar, wenn sich Gewerkschaften für eine
Politik einbringen, die politische und ökonomische Macht von Konzernen beschneiden, und sich nicht zu
deren Verbündeten zu machen. Und der Anfang, der könnte mit dieser Tarifrunde beginnen. Von ihr
können entscheidende Impulse für eine Wechselstimmung ausgehen.
Deswegen allen Linken ins Stammbuch: Raus
aus den Debattierzimmern, rein ist reale Leben. Bewusstsein entseht durch eigenes Handeln. Unterstützt
Ver.di. Unterstützt die Krankenschwester, wenn diese ihre eigenen Interessen in die Hand nimmt. Und
die anderen natürlich auch.
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