SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2008, Seite 14

Antikapitalistische Linke in Europa, Teil IV

England: Spaltung von Respect

von Alan Thornett

Im Jahr 2003 bildete sich im Gefolge der Antikriegsbewegung ein linkes politisches Bündnis, RESPECT, aus Kräften der radikalen Linken, Gewerkschaftsaktiven und linken Labour-Aktivisten (siehe SoZ 2/04 und SoZ 9/06). Im November 2007 hat sich das Bündnis gespalten.
Im vergangenen August schrieb George Galloway, der Parlamentsabgeordnete von Respect, der Leitung von Respect, dem National Council, einen Brief. Zu der Zeit wurde allgemein erwartet, dass Premierminister Gordon Brown vorgezogene Parlamentswahlen ankündigen würde. Galloway machte sich Sorgen über die mangelnde Vorbereitung von Respect, sinkende Mitgliederzahlen und den katastrophalen Zustand zahlreicher Ortsgruppen. Er stellte auch die Hegemonie der Socialist Workers Party (SWP) über die Leitungsgremien von Respect zur Debatte und ihre negative Wirkung auf die Entwicklung von Respect als pluralistischer Organisation.
Damit sollte keine Spaltung provoziert werden. Tatsächlich warf Galloway nur Fragen auf, die schon lange gestellt wurden. Doch die SWP betrachtete diesen Brief als eine Kriegserklärung und antwortete, sie sei Opfer einer Hexenjagd, weil sie für den Sozialismus eintrete. Sie hielt Versammlungen ab, auf denen Galloway heftig angegriffen wurde, den sie bislang auch gegenüber legitimer Kritik immer in Schutz genommen hatte. Innerhalb des National Council (NC) bildeten sich zwei Lager: einerseits die Mitglieder der SWP, andererseits Galloway und 19 Mitglieder des NC, die nicht der SWP angehören — darunter Alan Thornett und John Lister, Mitglieder der International Socialist Group (ISG, britische Sektion der IV.Internationale), sowie Ken Loach. Es war praktisch ein Gegensatz zwischen SWP- und Nicht-SWP-Mitgliedern.
Die Vorbereitungen der für den 17. und 18.November vorgesehene Nationalen Konferenz von Respect wurde zu einem Zankapfel. Die Ortsgruppen der SWP erhielten die Anweisung, soviel Delegierte wie möglich wählen zu lassen, unter Ausgrenzung anderer Auffassungen. Ein weiteres Streitobjekt war die Bestellung einer großen Anzahl von Studierenden als Delegierte, die nicht regelmäßig Beiträge für Respect entrichtet hatten.
Das Resultat war, dass am 17.November zwei getrennte Konferenzen stattfanden, jede mit etwa 300 Teilnehmenden. Die Anhänger von Socialist Resistance, einer u.a. mit Unterstützung der ISG herausgegebene Monatszeitung, nahmen an der Konferenz von Respect Renewal teil. Der Morning Star, eine Tageszeitung, die die Positionen der Communist Party of Britain (CPB) widerspiegelt, beschrieb die Teilnehmenden folgendermaßen: "Der Saal war voll mit sehr unterschiedlichen Leuten — Junge und Alte, Männer und Frauen, Schwarze und Weiße, Asiaten, Muslime, Christen und Atheisten, Gewerkschaften und Revolutionäre aus verschiedenen Traditionen."
Linda Smith, die Vorsitzende von Respect Renewal und Funktionärin der Gewerkschaft der Feuerwehrleute, eröffnete die Konferenz, indem sie erklärte, die andere Konferenz habe keinerlei Legitimität: "Das wirkliche Respect ist hier versammelt." Galloway bemerkte in seiner Rede, Respect habe vier Jahre nach seiner Gründung die Hälfte der Mitglieder verloren. Die SWP habe sich gegen die Weiterentwicklung von Respect gestellt, weil sie fürchtete, die Kontrolle über eine breitere Organisation zu verlieren. "Wir wollen eine breite Partei schaffen, eine Massenpartei, eine Partei für die Arbeiterklasse. Eine solche Partei braucht Demokratie und Pluralismus."
In dem Fazit, das Nick Wrack, ein ehemaliges Mitglied der SWP, aus der Debatte zog, stellte er ein "Gefühl der Befreiung" fest. Er bezeichnete Respect Renewal als Etappe im Prozess des Aufbaus einer breiten Partei, die von der kommunistischen Linken über Mitglieder der Labour-Party bis zu Umweltschützern reicht. Trotz der Spaltung waren die Menschen im Saal — zu denen auch eine große Anzahl von Bengalis aus Tower Hamlets zählte, darunter gewählte Gemeinderäte — dazu fest entschlossen.
Im Namen von Socialist Resistance verkündete John Lister, dass diese Publikation eingestellt wird, um finanzielle und redaktionelle Ressourcen für die Herausgabe einer Monatszeitung von Respect Renewal frei zu machen. Deren erste Ausgabe erschien am 8.Dezember aus Anlass der Demonstration gegen den Klimawandel.
Die Spaltung bedeutet eine Niederlage. Aber es gab nur die Wahl zwischen Trennung oder einem endlosen schleichenden Niedergang. An den meisten Orten trafen sich die Mitglieder von Respect nur noch selten oder nur, um Delegierte für nationale Konferenzen zu wählen. Viele Mitglieder dachten — ob zu Recht oder Unrecht —, die SWP betrachte Respect als ihr Eigentum. Aus ihrer Sicht war die Spaltung der zu zahlende Preis, um eine Weiterentwicklung von Respect zu ermöglichen. Eine pluralistische Partei war unmöglich, solange die SWP ihre Vormachtstellung aufrechterhielt — die SWP war deshalb zu einem Hindernis für ein weiteres Wachstum von Respect geworden.
Die Konferenz von Respect Renewal war ein großer Erfolg. Salma Yaqoob — die bekannteste Persönlichkeit von Respect nach Galloway — bekannte, sie sei mit schwerem Herzen gekommen, aber mit leichtem Herzen wieder gegangen. Sie hat Recht.


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