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Eine "Tochter des Ostens" nannte sich Benazir Bhutto in ihrer
Autobiografie. Im Westen wurde sie als demokratische Hoffnung Pakistans im Gegensatz zu
Militärherrschaft und islamischem Fundamentalismus gehandelt. Tariq Ali beschreibt demgegenüber
eine Politikerin zwischen Korruption, Machtspielen und feudalem Herrschaftsanspruch. Der nachstehende
Artikel entstand vor dem tödlichen Attentat auf Benazir Bhutto Ende Dezember. Wenige Tage später
fügte der Autor einen kurzen Nachtrag hinzu.
Arrangierte Hochzeiten können eine anstrengende Angelegenheit sein. Hauptsächlich zur
Anhäufung von Reichtümern gedacht, funktionieren sie oftmals nicht. Wo bekannt ist, dass beide
Seiten einander verabscheuen, werden nur unbesonnene Eltern, die von der Aussicht auf einen kurzfristigen
Gewinn verblendet sind, diesen Prozess fortsetzen, wohl wissend, dass alles in Elend und
möglicherweise in Gewalt enden wird.
Den Part des alleinerziehenden und
verzweifelten Elternteils spielte in diesem Fall das US-Außenministerium. Die Braut war offensichtlich
in großer Eile, der Bräutigam weniger. Unterhändler beider Seiten verhandelten
ausführlich über die Größe der Mitgift. Die Abneigung, die das Paar füreinander
empfand, führte zu einer beiderseitigen Abhängigkeit von den USA. Keine Partei konnte nein sagen,
obwohl General Musharraf darauf hoffte, die Verbindung könne unauffällig eingegangen werden.
Beide Seiten machten Zugeständnisse.
Sie stimmte zu, dass er seine Uniform nach seiner "Wiederwahl" durch das Parlament ausziehen
könne. Aber es sollte vor den nächsten allgemeinen Wahlen geschehen. Er peitschte ein Gesetz
durch, mit dem alle laufenden Korruptionsverfahren gegen Politiker, die öffentliche Gelder
geplündert hatten, zurückgezogen wurden. Diese Regelung war für sie entscheidend, da sie
hoffte, dass die Verfahren wegen Geldwäsche und Korruption, die vor drei europäischen
Gerichtshöfen Valencia, Genf und London gegen ihre Familie anhängig waren,
eingestellt würden. Dies scheint nicht geschehen zu sein.
Viele Pakistanis fühlten sich
abgestoßen, und die Berichterstattung der pakistanischen Medien über den "Deal" war
allgemein feindlich; eine Ausnahme bildete das staatliche Fernsehen. Der "Durchbruch" wurde im
Westen trotzdem lautstark gefeiert, und eine weißgewaschene Benazir Bhutto wurde auf US-
Fernsehkanälen und in der BBC als die Heldin der pakistanischen Demokratie präsentiert. Sie hatte
sich bereits im Vorfeld erkenntlich gezeigt, indem sie ihre Sympathie für die US-Kriege im Irak und in
Afghanistan ausdrückte, mit dem israelischen UN-Botschafter zu Mittag aß und versprach, den
Terrorismus in ihrem eigenen Land "auszulöschen". 1979 hatte ein anderer militärischer
Diktator ihren Vater mit Washingtons Zustimmung gestürzt, und vielleicht dachte sie, es sei sicherer,
dauerhaften Schutz unter einem imperialen Schirm zu suchen.
Was den General anging, so hatte er wie
seine Vorgänger versprochen, nur eine begrenzte Zeit an der Macht zu bleiben. 2003 erklärte er,
ein Jahr später als Oberbefehlshaber der Armee zurücktreten zu wollen. Wie seine Vorgänger
ignorierte er sein Versprechen. Das Kriegsrecht beginnt immer mit dem Versprechen einer neuen Ordnung, die
den Filz und die Korruption der alten beseitigen wird. In diesem Fall wurden die zivilen Regierungen von
Benazir Bhutto und Nawaz Sharif gestürzt. Aber "neue Ordnungen" sind keine nach vorne
gerichteten Bewegungen, sondern eher militärische Umwege, die die unsicheren Grundlagen eines Landes
und seiner Institutionen weiter schwächen. Innerhalb eines Jahrzehnts wurde der uniformierte Herrscher
dann von einem neuen Aufstand gestürzt.
Benazir Bhutto träumte von ihren glorreichen Tagen im letzten Jahrhundert und wollte bei ihrer
Rückkehr einen großen Empfang. Der General war unglücklich. Die Geheimdienste (wie auch ihre
eigenen Sicherheitsberater) warnten sie vor den Gefahren. Sie hatte den Terroristen den Krieg erklärt,
und diese hatten gedroht sie zu töten. Aber sie war hartnäckig. Sie wollte ihre Popularität
demonstrieren, gegenüber der Welt und gegenüber ihren politischen Rivalen auch
gegenüber denen in den eignen politischen Reihen, der Pakistan Peoples Party (PPP).
Einen ganzen Monat, bevor Bhutto das
Flugzeug von Dubai nach Karatschi bestieg, war die PPP damit beschäftigt gewesen, überall im Land
Freiwillige zu rekrutieren, um sie willkommen zu heißen. Über 20000 Menschen säumten die
Straßen, aber das war weit entfernt von der Million, die 1986 in Lahore zusammengekommen war, als eine
ganz andere Benazir Bhutto zurückkehrte, um General Zia ul-Haq herauszufordern.
Es war geplant, sich langsam mit dem
Bhuttomobil vom Flughafen zum Grab von Mohammed Ali Jinnah, dem Gründer des Landes, zu bewegen, wo
Bhutto eine Rede halten sollte. Es sollte anders kommen. Als es dunkel wurde, schlugen die Attentäter
zu. Wer sie waren und wer sie schickte, bleibt ein Geheimnis. Bhutto blieb unverletzt, aber 130 Menschen
starben, darunter einige Polizisten. Der Hochzeitsempfang hatte ins Chaos geführt.
Während der General versprochen hatte,
mit Bhutto zusammenzuarbeiten, traf er zugleich Vorkehrungen, um seinen Verbleib im Präsidentenpalast
zu verlängern. Bereits vor ihrer Ankunft hatte er drastische Maßnahmen in Erwägung gezogen,
um die Hindernisse zu beseitigen, die ihm dabei im Wege standen. Aber seine Generäle (und die US-
Botschaft) schienen nicht überzeugt. Der Bombenanschlag auf Bhuttos Kavalkade entfachte die Debatte
erneut.
Die Juristen des Landes, aufgebracht durch
die kurz zuvor erfolgte Entlassung des Obersten Richters durch Musharraf, hatten einen zeitweiligen Sieg
errungen, was dazu führte, dass der Oberste Gerichtshof wild entschlossen seine Unabhängigkeit
demonstrierte. Unabhängige Fernsehstationen strahlten weiterhin Sendungen aus, die die offizielle
Propaganda herausforderten.
Investigativer Journalismus ist niemals
beliebt bei Regierungen, und der General verglich oftmals die Rücksichtnahme, mit der ihm die US-
Sender und die BBC begegneten, mit den "undisziplinierten" Fragen pakistanischer Journalisten. Er
wurde besessen von der Berichterstattung über den Streik der Anwälte. Der Niedergang seiner
Popularität verstärkte die Paranoia. Seine Berater waren von ihm gefördert worden.
Generäle, die abweichende Meinungen geäußert hatten, waren in den Ruhestand versetzt worden.
Seine politischen Verbündeten waren
beunruhigt, dass ihre Möglichkeiten, sich zu noch mehr zu bereichern, beschränkt werden
würden, wenn sie die Macht mit Bhutto zu teilen hätten. Was würde geschehen, wenn der
Oberste Gerichtshof die Wiederwahl Musharrafs durch ein nicht repräsentatives Parlament für
illegal erklären würde?
Das übliche Verfahren in solchen Fällen ist die Verhängung des Kriegsrechts. Aber was tut
man, wenn das Land bereits vom Oberbefehlshaber der Armee regiert wird? Die Lösung ist einfach. Man
verdreifacht die Dosis und organisiert einen Staatsstreich innerhalb des Staatsstreichs. Washington wurde
einige Wochen im Voraus informiert, Downing Street ein wenig später. Benazir Bhuttos Unterstützer
im Westen sagten ihr, was geschehen würde, und sie töricht für eine politische
Führerin, die gerade in ihr Land zurückgekehrt war floh nach Dubai.
Am 3.November setzte Musharraf die
Verfassung von 1973 außer Kraft und rief den Notstand aus. Alle nichtoffiziellen Fernsehkanäle
wurden geschlossen, die Mobilfunknetze wurden gekappt, paramilitärische Einheiten umstellten den
Obersten Gerichtshof. Der Oberste Richter berief eine Notversammlung des Gerichtshofs ein, die die
Aussetzung der Verfassung für illegal erklärte. Die Mitglieder des Richterkollegiums wurden ohne
großes Aufheben abgesetzt und unter Hausarrest gestellt.
Erregte Telefonanrufe aus Karatschi
überzeugten Bhutto, nach Pakistan zurückzukehren. Ihre Kollegen in der PPP sagten ihr, wenn sie
den Notstand nicht verurteile, werde es eine Spaltung in der Partei geben. Nachdem sie von Musharraf
ausgetrickst worden war, konnte sie nicht riskieren, zentrale Vertreter ihrer Partei zu verlieren, und
erklärte, sie werde den Kampf zur Beseitigung des Diktators anführen.
Die Intervention Washingtons erfolgte kurze
Zeit später. Der stellvertretende US-Außenminister Negroponte verbrachte einige Zeit mit
Musharraf und sprach mit Bhutto, um dann darauf zu bestehen, dass beide zusammenkommen und ihren Deal
fortsetzen sollten. Bhutto schwächte ihre Kritik sofort ab, aber der General reagierte vernichtend und
sagte öffentlich, dass sie die Wahlen im Januar keinesfalls gewinnen könne.
Es ist kaum ein Geheimnis, dass der
Geheimdienst ISI und die zivile Bürokratie entscheiden werden, wer wo die Wahlen gewinnen wird, und
einige Oppositionsparteien erwägen klugerweise einen Boykott. Washingtons Einfluss in Islamabad ist
begrenzt, deshalb wollten sie Bhutto dabei haben. "Es ist immer besser", sagte der US-Botschafter
halb scherzhaft auf einem Empfang, "zwei Telefonnummern in einer Hauptstadt zu haben."
Worum geht es für Washington in Pakistan? "Meine Befürchtung ist", sagte US-
Verteidigungsminister Robert Gates vor kurzem, "je länger die internen Probleme andauern, umso
mehr werden die pakistanische Armee und die Geheimdienste von der terroristischen Bedrohung im Grenzgebiet
abgelenkt." Aber ein Grund für die interne Krise ist Washingtons übermäßiges
Vertrauen in Musharraf und das pakistanische Militär. Es ist die Unterstützung und Finanzierung
durch Washington, die Musharraf das Selbstbewusstsein gegeben haben, zu operieren wie es ihm passt. Die
gedankenlose militärische Besetzung Afghanistans ist dabei offensichtlich von herausragender
Bedeutung, denn die Instabilität in Kabul schwappt nach Peschawar herüber und in die
Stammesgebiete zwischen den beiden Ländern.
Die Ausrufung des Notstands zielte auf die
Anwälte, Oppositionspolitiker und die unabhängigen Medien. Alle drei Gruppen haben auf
unterschiedliche Weise Kritik an der Regierungslinie zu Afghanistan und dem "Krieg gegen den
Terror", am Verschwinden von politischen Häftlingen und an der weit verbreiteten Folter in
pakistanischen Gefängnissen geübt. Die Themen wurden im Fernsehen in einer weit offeneren Form
als irgendwo im Westen debattiert. Musharraf befürchtete, dass die Zivilgesellschaft den "Krieg
gegen den Terror" behindern würde, daher die Ausrufung des Notstands.
Westliche Experten faseln weiterhin vom
Finger der Heiligen Krieger am nuklearen Abzug. Dies ist reine Fantasie und erinnert an eine ähnliche
Kampagne vor drei Jahrzehnten, als es nicht die heiligen Krieger waren, die zusammen mit dem Westen in
Afghanistan kämpften, sondern radikale nationalistische Militärs.
Während der Süden Afghanistans im
Chaos versinkt und sich Korruption und galoppierende Inflation verbreiten, gewinnen die Taliban immer mehr
Anhänger. Anstatt eine regionale Lösung zu unterstützen, die Indien, den Iran und Russland
einbeziehen würde, möchten die USA die pakistanische Armee als dauerhaften Aufpasser in Kabul.
Das wird nicht funktionieren.
In Pakistan selbst beginnt der Kreislauf
von neuem: Eine militärische Führung, die Reformen verspricht, degeneriert zur Tyrannei.
Politiker, die den Menschen soziale Unterstützung zusagen, degenerieren zu Oligarchen. Pakistan wird
zwischen diesen beiden Herrschaftsformen auf unbestimmte Zukunft hin- und herschwanken. Die Menschen, die
fühlen, dass sie alles versucht haben und gescheitert sind, werden in einen Halbschlaf
zurückfallen, bis etwas Unerwartetes sie wieder aufweckt. Das ist immer möglich.
Am 30.Dezember 2007 kam eine Versammlung von feudalen Potentaten im Haus der ermordeten Benazir Bhutto
zur Verlesung ihres Testaments zusammen, das kurz darauf auch den internationalen Medien bekannt gegeben
wurde. Ein Triumvirat, bestehend aus ihrem Ehemann, Ali Zardari (einer der korruptesten und
diskreditiertesten Politiker des Landes), und zwei Nullen wird die Partei führen, bis Benazirs
neunzehn Jahre alter Sohn, Bilawal, den Vorsitz übernimmt. Er wird dann Vorsitzender auf Lebenszeit
werden und dieses Amt ohne Zweifel an seine Kinder weitergeben. Benazir Bhuttos letzte Entscheidung war so
autokratisch wie die vorhergehenden was sie tragischerweise das Leben gekostet hat. Hätte sie
den Rat einiger Parteiführer befolgt und dem von Washington vermittelten Deal mit Musharraf nicht
zugestimmt oder sich später für einen Wahlboykott entschieden, wäre sie vielleicht noch am
Leben.
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