SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar 2008, Seite 21

Österreich

Rentnerkampf

von Dieter Braeg

In Österreich wird gekämpft während in Deutschland die Einkommenseinbußen der Rentnerinnen und Rentner immer weiter anwachsen.
Man stelle sich es gäbe in Deutschland etwa 5500000 organisierte Rentnerinnen und Rentner von denen bei einer Unterschriftenaktion 3200000 per Unterschriftenaktion eine Rentenerhöhung von mindestens 2,1% fordern würden. Das wäre soziale Science Fiction und unerfüllbarer Traum all jener die für gesellschaftliche Veränderung kämpfen.
In Österreich (etwa 8,3 Millionen Einwohner) organisieren die zwei großen Parteien SPÖ und ÖVP insgesamt im SPÖ nahen Pensionistenverband 385000 Mitglieder, während beim konservativen Seniorenbund der der ÖVO nahe steht mehr als 300000 Seniorinnen und Senioren organisiert sind. Dazu gibt es noch den Seniorenrat. Er ist die gesetzliche Interessenvertretung der Pensionisten in Österreich, überparteilich und Dachverband aller Seniorenorganisationen.
Im Kampf für die Sicherung eines lebenswerten Lebens im Alter haben die beiden Vorsitzenden Karl Blecha vom Pensionistenverband und Andreas Kohl vom Seniorenverband ein gemeinsames Ziel. Es muss entgegen des Angebots der Regierung eine Rentenerhöhung geben die nicht bei 1,7% liegt. Die Seniorenvertreter verlangen gemeinsam trotz völlig unterschiedlicher politischer Standorte bis zu 3,3% plus für die alten Menschen in Österreich. Beide Spitzenfunktionäre erwarten mehr als eine halbe Million fordernde Protestunterschriften der Mitgliedschaft für eine der Entwicklung der Wirtschaft angepasste Erhöhung der Altersbezüge.
Was in Deutschland ein Traum ist ist in Österreich politische Wirklichkeit. Die alten Menschen sind politisch organisiert und verfügen über schlagkräftige Interessenvertretungen. Die Pensionistenverbände der beiden großen Parteien haben die Möglichkeit politischen Druck auszuüben. Der SPÖ-Pensionistenverband verfügt über mehr als 20000 ehrenamtliche Funktionäre, die sich persönlich um die Renterinnen und Rentner kümmern. Dabei gibt es Tierbetreuung, Klubs für Gleichgesinnte, Kultur für alte Menschen und sogar Partnervermittlung.
Wer es sich in Österreich mit den Pensionistinnen und Pensionisten verscherzt, der hat bei Wahlen kaum Chance. Dass Gusenbauer Bundeskanzler wurde und die letzte Nationalratswahl gewann, hat der den Seniorinnen und Senioren der SPÖ zu verdanken. Das die beiden Vorsitzenden Blecha und Khol in früheren Jahren in der Politik wichtige Funktionen bekleideten hilft auch der Durchschlagkraft bei Forderungen und deren Durchsetzung. Die Krankenkassenbeiträge, die alte Menschen in Österreich bezahlen müssen, liegen derzeit noch immer unter 4%.
Karl Blecha hat ein halbes Jahrhundert Politik hinter sich als SPÖ-Zentralsekretär, Abgeordneter und Innenminister. Andreas Khol saß 23 Jahre für die ÖVP im Nationalrat, davon 4 Jahre als Erster Präsident.
Die Mobilisierungsstärke der alten Menschen ist für den Chef der Sozialistischen Jugend ein Problem. Er sei "neidig" darüber und die Spitzenfunktionärin der Jungen ÖVP meint: "Senioren haben mehr Zeit sich zu engagieren. Die Jungen stehen mitten im Job oder in der Familiengründung." "Beinharte Klientelpolitik ohne Rücksicht auf die Jugend" wirft sie jenen vor, die nach 1945 jene Scheiße beiseite räumen mussten, die Eltern und Großeltern nach zwei Weltkriegen und Faschismus zu verantworten hatten.
Seniorenbundvorsitzender Andreas Khol bewertet das als "törichte Bemerkungen" und bemüht Goethe: "Schnell ist die Jugend mit dem Wort. Da sind wir nicht nachtragend."
Während sich in Österreich "Altenwiderstand" entwickelt, geht in Deutschland der ungebremste Umbau des Staates weiter. Die Verelendung der Rentner, der Abbau der Bürgerrechte, Vorratsdatenspeicherung. Alles um endlich mit der Diktatur des Kapitals einen neuen Staat entstehen zu lassen, der nicht mehr den Interessen seiner Bewohner dient, sondern nur dem Gott der Profitmaximierung.
Die "Opferrolle" der Rentner, der Jugend und der abhängig Beschäftigten muss ein Ende haben und dazu scheint es nötig zu sein, sich anders als bisher zur Wehr zu setzen.

Dieter Braeg


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