SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2008, Seite 02

Legal, illegal, scheißegal

Steuerhinterziehung hat im Kapitalismus System

von Angela Klein

Liechtenstein ist der Buhmann. "Mit vollem staatlichen Unrechtsbewusstsein stellt es einen klandestinen Finanzplatz zur Verfügung, der zur systematischen Steuerhinterziehung zulasten der umliegenden Länder einlädt, ja anstiftet", klagt die Süddeutsche Zeitung. Die Steueroasen sind schuld, dass dem Fiskus hierzulande Gelder in Milliardenhöhe entgehen. Was der deutsche Staat und die EU selber dazu getan haben, rückt dem gegenüber in den Hintergrund. Holen wir es aus dem Dunkeln etwas hervor:
Die Größenordnung: Vielleicht 900, vielleicht aber auch "Tausende", wie die SZ mit Berufung auf Regierungskreise am 16.2.08 schrieb, haben ihr Geld nach Liechtenstein getragen, um es vor der deutschen Steuer zu verbergen. 3,4 Milliarden Euro sollen am Fiskus vorbei geschleust worden sein. Die nachzuzahlende Steuerschuld belaufe sich auf mehrere hundert Millionen Euro.
Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs — nämlich nur soviel, wie der Datensatz auf der DVD hergibt, die dem BND für 5 Millionen Euro verkauft wurde. "Selbst wenn die jetzt an Land zu ziehende Steuerbeute noch so reichhaltig ausfallen mag, es wird sich dabei letztlich doch stets nur um den geringsten Teil des Schatzes handeln, der nach Liechtenstein verbracht wurde", schreibt ein RA aus Liechtenstein, Spezialist im dortigen Stiftungsrecht, in der SZ. Und das ist nur eine von rund 40 Steueroasen auf der Welt.
Nach Angaben der Bochumer Staatsanwaltschaft soll nur ein Dax-Unternehmen, nämlich die Deutsche Post AG, in der jetzigen Liste der Steuersünder sein. In der Mehrzahl handele es sich um "mittelständische" Unternehmen und "regionale Größen" (Künstler und Sportler werden genannt), aber auch Privatbanken. Es ist zu vermuten, dass dies zweierlei bedeutet: Erstens, für die wirklich Großen ist Liechtenstein längst keine gute Adresse mehr — zu viele Skandale, und außerdem kam Liechtenstein 2005 auch noch unter die Zinsrichtlinie der EU. Zweitens, die wirklich Großen können leichter in die Ferne schweifen, wohin sie die Globalisierung eh verschlagen hat. Singapur wird immer beliebter. Und Zumwinkel wird nachgesagt, er habe zuletzt den Braten gerochen und sich schon mit dem Gedanken getragen, Liechtenstein zu verlassen.
Dieser größte bekannt gewordene Fall von Steuerhinterziehung in der deutschen Geschichte bestätigt schwarz auf weiß: Steuerhinterziehung ist kein Delikt von "schwarzen Schafen", wie Kapitalvertreter verzweifelt glaubhaft zu machen versuchen. Es die alltägliche Übung der Besserverdienenden — von Elite mag man hier nicht reden. Auf der Anklagebank stehen die deutschen Kapitalbesitzer schlechthin, mindestens die größeren.

Die Kontrolle: Der Staat lässt gegenüber seinen Millionären große Milde walten. Die Steuererklärungen von Einkommensmillionären werden nur zu 15% überprüft. Die Bundesländer, denen diese Kontrolle obliegen, scheinen diese Laxheit als eine Form von Wirtschaftsförderung zu verstehen. Das ist nicht weiter verwunderlich in einer Zeit, in der Steuerdumping durch internationale Institutionen wie die EU oder die WTO geradezu gefördert wird. Wie soll man Konkurrenz unter den Staaten um die niedrigsten Steuersätze fördern, wenn man zugleich fällige Steuern rigoros eintreibt? Dem Steuerdumping durch eine Harmonisierung der Kapitalsteuern ein Ende zu bereiten, weigert sich die EU jedoch hartnäckig.
Steuerhinterziehung wird in Deutschland offiziell mit bis zu fünf, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren Haft bestraft. Lediglich durch Selbstanzeige kann man straffrei bleiben — und das nur, wenn die Steuerhinterziehung nicht bereits von den Behörden entdeckt worden ist. Die Praxis aber zeigt: Die gesetzliche Höchststrafe — zehn Jahre Knast — wird nahezu nie verhängt. Meistens kommen große Steuerbetrüger mit einer Geldstrafe oder einer Bewährungsstrafe davon. Einer wie Zumwinkel kann Nachforderung plus Geldstrafe aus der Portokasse zahlen — er hat die nach seiner Festnahme die geforderten 4 Millionen Euro umgehend locker gemacht. Hier wie überall sonst gilt: Je größer das Vergehen, desto geringer die Aussicht auf Strafe. Weder schärfere Gesetze noch großzügige Amnestieangebote haben die Steuerflucht bisher eindämmen können.

Die Geschenke: Die illegale Steuerhinterziehung wird durch die überwiegende Passivität des Staates begünstigt. Daneben gibt es aber eine ganz legale Steuerhinterziehung: das ist die Verschiebung von Gewinnen aus Aktien, Immobilienfonds, Optionsscheinen u.ä., welche die EU-Richtlinie nicht erfasst — welche die EU also offiziell genehmigt. Es wäre interessant zu wissen, wie viele Steuern dem Staat denn auf diesem Weg entgehen.
Und es kommen noch die ganz legalen Steuergeschenke, vor allem der Regierung Schröder, hinzu. Die Deutsche Steuergewerkschaft hat errechnet, dem Fiskus würden jährlich durch Steuerhinterziehung 30 Mrd. Euro verloren gehen. Die Zahl ist wahrscheinlich zu niedrig angesetzt. Nimmt man sie aber als Maßstab, stehen die legalen Steuergeschenke diesem Betrag wenig nach: Allein im Jahr 2002 machten diese Geschenke 28,4 Mrd. Euro aus. Ein Einkommensmillionär musste im Jahr 2005, im Vergleich zu 1998, 100000 Euro jährlich weniger Steuern zahlen. Ausgezahlt in Form von mehr Steuerehrlichkeit hat sich das nicht.


Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo

  Sozialistische Hefte 17   Sozialistische Hefte
für Theorie und Praxis

Sonderausgabe der SoZ
42 Seiten, 5 Euro,

Der Stand der Dinge
Perry Anderson überblickt den westpolitischen Stand der Dinge   Gregory Albo untersucht den anhaltenden politischen Erfolg des Neoliberalismus und die Schwäche der Linken   Alfredo Saa-Fidho verdeutlicht die Unterschiede der keynsianischen und der marxistischen Kritik des Neoliberalismus   Ulrich Duchrow fragt nach den psychischen Mechanismen und Kosten des Neoliberlismus   Walter Benn Michaelis sieht in Barack Obama das neue Pin-Up des Neoliberalismus und zeigt, dass es nicht reicht, nur von Vielfalt zu reden   Christoph Jünke über Karl Liebknechts Aktualität





zum Anfang