SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2008, Seite 04

Managergehälter

begrenzen?

von WERNER RÜGEMER

Nicht nur Oskar Lafontaine von der Linken und nun auch der DGB fordern eine Begrenzung der hohen Einkommen der Unternehmensvorstände. Selbst wirtschaftsfreundliche CDU-Ministerpräsidenten sehen sich zu der Forderung gezwungen: Im Interesse des sozialen Friedens muss notfalls der Staat eingreifen.
Möglicherweise ist das, im besten Falle, gut gemeint. Doch es geht an der kapitalistischen Realität vorbei und gerät bei den Verteidigern der neoliberalen Praktiken zur Demagogie.
Die Empörung, die Wut, die Kritik, der Zorn in großen Teilen der Bevölkerung, der eine rigide Spar- und Lohnsenkungspolitik aufgenötigt wird, richtet sich nicht mehr nur gegen die selbstbestimmten Einkommen der Abgeordneten, sondern inzwischen verstärkt auch gegen die viel höheren Einkommen der Spitzenmanager von Banken und großen Aktiengesellschaften.
Die 20 Millionen Euro Jahreseinkommen des Vorstandssprechers der Deutschen Bank, Josef Ackermann ("Mein Einkommen liegt so zwischen 15 und 20 Millionen Euro im Jahr", sagte er beim Mannesmann-Prozess aus), sind ein häufig wiederholter Aufhänger öffentlicher Kritik. Das scheint nahe liegend, denn Ackermanns Einkommen beträgt mehr als das Hundertfache des Einkommens eines Bundestagsabgeordneten.
Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich die Kritik als naiv, harmlos, ablenkend. Fangen wir bei den Peanuts an. Die öffentlich ausgewiesenen Einkommen der Topmanager sind ein immer geringerer Teil ihrer tatsächlichen Einkommen. Aktienoptionen, also vom Unternehmen subventionierte Aktienkäufe, vom Unternehmen bezahlte Wohnungen, Autos, Handys, Golfclubgebühren, Versicherungen, Pensionsansprüche, Abfindungen kommen hinzu.
Das ist aber keineswegs alles. Im Geschäftsbericht der Deutschen Bank stehen neben dem Einkommen Ackermanns nicht die Tantiemen, die er aus seinen verschiedenen Aufsichtsratsposten bei VW, Siemens und so weiter bezieht. Von Karstadt/Quelle- Vorstandschef Middelhoff etwa ist bekannt, dass er Miteigentümer diverser Immobilienfonds wie der Kölner Messehallen oder von Kaufhäusern des eigenen Konzerns ist: Diese Einkommen stehen auch nicht im Geschäftsbericht seines Unternehmens. Die Topmanager und ihre Anwälte und Steuerberater haben viel Mühe darauf verwendet, die Publizitätspflichten im anachronistisch gewordenen Aktiengesetz zu unterlaufen.
Aber bekanntlich sind die Mitglieder eines Unternehmensvorstands ja nur die Angestellten der Eigentümer. Da müsste doch auch die Frage auftauchen: Wieviel verdienen eigentlich die Großaktionäre und warum?
Nehmen wir einige Beispiele für das Jahr 2005: Johanna Klatten erhielt aus ihrem Aktienpaket bei BMW und Altana 127 Millionen Euro Dividende, Stefan Quandt 70 Millionen, Johanna Quandt 67 Millionen, Otto Beisheim von Metro 62 Millionen, Familie Mohn 40 Millionen, Friede Springer 30 Millionen und so weiter und so fort.
Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass es sich bei den genannten Summen nur um die Dividenden-Ausschüttungen der großen Aktienpakete bei BMW, Metro, Bertelsmann und Springer-Verlag handelt, pro Jahr. Gleichzeitig haben die Genannten weitere Millioneneinkommen aus den Geldanlagen, die sie aus den früheren Dividenden und anderem Vermögen gebildet haben.
Die Kritik der kümmerlichen Großeinkommen der Ackermänner tut so, als lebten wir noch im Shareholder-value-Kapitalismus. Doch die große Zeit der bisherigen Aktiengesellschaften und ihrer Großaktionäre ist längst vorbei.
Die hohen Gewinne werden heute von anderen gemacht. Schon in den Banken selbst sind die Vorstände nicht mehr die Großverdiener. Ein Mehrfaches des Ackermann-Einkommens verdienen die Mitglieder der Spezialteams "Mergers & Acquisitions", auch bei der Deutschen Bank, die die großen Unternehmensfusionen arrangieren.
Doch diese Einkommen werden in den Geschäftsberichten nicht veröffentlicht, denn das Aktiengesetz schreibt eben nur die Veröffentlichung der Gehälter der Vorstandsmitglieder vor.
Den Ton in Finanz- und Wirtschaftswelt geben heute Unternehmen an, die keine Aktiengesellschaften sind, z.B. Hedgefonds und Private-Equity-Fonds. Sie haben nur ein paar Dutzend Manager, die gleichzeitig Eigentümer sind. Ihre Einkommen unterliegen keiner Publizitätspflicht, ihre juristischen Sitze sind auf die Finanzoasen dieser Welt zwischen den Cayman Islands und der englischen Kanalinsel Guernsey verkauft. Gleichzeitig ist bekannt, dass hier ein Mehrfaches dessen verdient wird, was die kritisierten Ackermänner und die nicht kritisierten Quandts nach Hause tragen. 500 Millionen Euro im Jahr sind keine Seltenheit.
Und die Folgen der Spekulationen dieser Eigentümer-Manager und der von ihnen organisierten Ausschlachtungen von aufgekauften Unternehmen bedrohen die Sicherheit und die Arbeitsplätze von Millionen Menschen. Der Private Equity-Investor Blackstone hat bekanntlich schon mit seinem 5% Anteil bei der Telekom bewirkt, dass 50000 Beschäftigte ausgelagert und schlechter bezahlt werden und demnächst sowieso an die Luft gesetzt werden sollen.
Und Blackstone-Chef Schwartzmann gab der New Yorker Börsenaufsicht für 2006 ein Gehalt von 398 Millionen US-Dollar an: Das ist mehr, als alle Vorstandschefs der 30 deutschen DAX-Unternehmen zusammen, Josef Ackermann eingeschlossen.
Übrigens: Wer sich prinzipiell gegen Höchstlöhne wehrt, wehrt sich auch gegen Mindestlöhne. Professor Wolfgang Wiegard, ein sog. "Wirtschaftsweiser", der von der Bundesregierung berufen wurde, erklärt uns: "Der Staat soll sich aus der Preisbildung auf funktionierenden Märkten heraushalten!" Mindestlöhne würden das Funktionieren von Märkten stören, Höchstlöhne ebenfalls. Nach dieser menschenverachtenden Lehre funktionieren Märkte also dann, wenn die einen ein Milliardeneinkommen haben und andere als Tagelöhner verhungern.
Wer aber die Einkommen der Manager begrenzen will, die Einkommen ihrer Herren und der neuen Großspekulanten jedoch nicht einmal erwähnt, der mogelt sich und uns an der Wirklichkeit vorbei.
Angst, Unkenntnis und Demagogie sind keine Ratgeber, auf die wir hören sollten.


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