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Nicht nur
Oskar Lafontaine von der Linken und nun auch der DGB fordern eine Begrenzung der hohen Einkommen der
Unternehmensvorstände. Selbst wirtschaftsfreundliche CDU-Ministerpräsidenten sehen sich zu der
Forderung gezwungen: Im Interesse des sozialen Friedens muss notfalls der Staat eingreifen.
Möglicherweise ist das, im besten
Falle, gut gemeint. Doch es geht an der kapitalistischen Realität vorbei und gerät bei den
Verteidigern der neoliberalen Praktiken zur Demagogie.
Die Empörung, die Wut, die Kritik, der
Zorn in großen Teilen der Bevölkerung, der eine rigide Spar- und Lohnsenkungspolitik
aufgenötigt wird, richtet sich nicht mehr nur gegen die selbstbestimmten Einkommen der Abgeordneten,
sondern inzwischen verstärkt auch gegen die viel höheren Einkommen der Spitzenmanager von Banken
und großen Aktiengesellschaften.
Die 20 Millionen Euro Jahreseinkommen des
Vorstandssprechers der Deutschen Bank, Josef Ackermann ("Mein Einkommen liegt so zwischen 15 und 20
Millionen Euro im Jahr", sagte er beim Mannesmann-Prozess aus), sind ein häufig wiederholter
Aufhänger öffentlicher Kritik. Das scheint nahe liegend, denn Ackermanns Einkommen beträgt
mehr als das Hundertfache des Einkommens eines Bundestagsabgeordneten.
Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich
die Kritik als naiv, harmlos, ablenkend. Fangen wir bei den Peanuts an. Die öffentlich ausgewiesenen
Einkommen der Topmanager sind ein immer geringerer Teil ihrer tatsächlichen Einkommen. Aktienoptionen,
also vom Unternehmen subventionierte Aktienkäufe, vom Unternehmen bezahlte Wohnungen, Autos, Handys,
Golfclubgebühren, Versicherungen, Pensionsansprüche, Abfindungen kommen hinzu.
Das ist aber keineswegs alles. Im
Geschäftsbericht der Deutschen Bank stehen neben dem Einkommen Ackermanns nicht die Tantiemen, die er
aus seinen verschiedenen Aufsichtsratsposten bei VW, Siemens und so weiter bezieht. Von Karstadt/Quelle-
Vorstandschef Middelhoff etwa ist bekannt, dass er Miteigentümer diverser Immobilienfonds wie der
Kölner Messehallen oder von Kaufhäusern des eigenen Konzerns ist: Diese Einkommen stehen auch
nicht im Geschäftsbericht seines Unternehmens. Die Topmanager und ihre Anwälte und Steuerberater
haben viel Mühe darauf verwendet, die Publizitätspflichten im anachronistisch gewordenen
Aktiengesetz zu unterlaufen.
Aber bekanntlich sind die Mitglieder eines
Unternehmensvorstands ja nur die Angestellten der Eigentümer. Da müsste doch auch die Frage
auftauchen: Wieviel verdienen eigentlich die Großaktionäre und warum?
Nehmen wir einige Beispiele für das
Jahr 2005: Johanna Klatten erhielt aus ihrem Aktienpaket bei BMW und Altana 127 Millionen Euro Dividende,
Stefan Quandt 70 Millionen, Johanna Quandt 67 Millionen, Otto Beisheim von Metro 62 Millionen, Familie Mohn
40 Millionen, Friede Springer 30 Millionen und so weiter und so fort.
Dabei ist noch zu berücksichtigen,
dass es sich bei den genannten Summen nur um die Dividenden-Ausschüttungen der großen
Aktienpakete bei BMW, Metro, Bertelsmann und Springer-Verlag handelt, pro Jahr. Gleichzeitig haben die
Genannten weitere Millioneneinkommen aus den Geldanlagen, die sie aus den früheren Dividenden und
anderem Vermögen gebildet haben.
Die Kritik der kümmerlichen
Großeinkommen der Ackermänner tut so, als lebten wir noch im Shareholder-value-Kapitalismus. Doch
die große Zeit der bisherigen Aktiengesellschaften und ihrer Großaktionäre ist längst
vorbei.
Die hohen Gewinne werden heute von anderen
gemacht. Schon in den Banken selbst sind die Vorstände nicht mehr die Großverdiener. Ein
Mehrfaches des Ackermann-Einkommens verdienen die Mitglieder der Spezialteams "Mergers &
Acquisitions", auch bei der Deutschen Bank, die die großen Unternehmensfusionen arrangieren.
Doch diese Einkommen werden in den
Geschäftsberichten nicht veröffentlicht, denn das Aktiengesetz schreibt eben nur die
Veröffentlichung der Gehälter der Vorstandsmitglieder vor.
Den Ton in Finanz- und Wirtschaftswelt
geben heute Unternehmen an, die keine Aktiengesellschaften sind, z.B. Hedgefonds und Private-Equity-Fonds.
Sie haben nur ein paar Dutzend Manager, die gleichzeitig Eigentümer sind. Ihre Einkommen unterliegen
keiner Publizitätspflicht, ihre juristischen Sitze sind auf die Finanzoasen dieser Welt zwischen den
Cayman Islands und der englischen Kanalinsel Guernsey verkauft. Gleichzeitig ist bekannt, dass hier ein
Mehrfaches dessen verdient wird, was die kritisierten Ackermänner und die nicht kritisierten Quandts
nach Hause tragen. 500 Millionen Euro im Jahr sind keine Seltenheit.
Und die Folgen der Spekulationen dieser
Eigentümer-Manager und der von ihnen organisierten Ausschlachtungen von aufgekauften Unternehmen
bedrohen die Sicherheit und die Arbeitsplätze von Millionen Menschen. Der Private Equity-Investor
Blackstone hat bekanntlich schon mit seinem 5% Anteil bei der Telekom bewirkt, dass 50000 Beschäftigte
ausgelagert und schlechter bezahlt werden und demnächst sowieso an die Luft gesetzt werden sollen.
Und Blackstone-Chef Schwartzmann gab der
New Yorker Börsenaufsicht für 2006 ein Gehalt von 398 Millionen US-Dollar an: Das ist mehr, als
alle Vorstandschefs der 30 deutschen DAX-Unternehmen zusammen, Josef Ackermann eingeschlossen.
Übrigens: Wer sich prinzipiell gegen
Höchstlöhne wehrt, wehrt sich auch gegen Mindestlöhne. Professor Wolfgang Wiegard, ein sog.
"Wirtschaftsweiser", der von der Bundesregierung berufen wurde, erklärt uns: "Der Staat
soll sich aus der Preisbildung auf funktionierenden Märkten heraushalten!" Mindestlöhne
würden das Funktionieren von Märkten stören, Höchstlöhne ebenfalls. Nach dieser
menschenverachtenden Lehre funktionieren Märkte also dann, wenn die einen ein Milliardeneinkommen
haben und andere als Tagelöhner verhungern.
Wer aber die Einkommen der Manager
begrenzen will, die Einkommen ihrer Herren und der neuen Großspekulanten jedoch nicht einmal
erwähnt, der mogelt sich und uns an der Wirklichkeit vorbei.
Angst, Unkenntnis und Demagogie sind keine
Ratgeber, auf die wir hören sollten.
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