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Als kurz vor 18 Uhr am 27.Januar 2008 die Prognosen der beiden Landtagswahlen
bekannt gegeben wurden, gab es im Freizeitheim Linden in Hannovers Arbeiterviertel kein Halten mehr.
Die Partei Die Linke lag deutlich über 5%, die Prognose sollte sich an diesem Abend noch oft nach
oben korrigieren. Als das vorläufige Endergebnis von 7,1% und den Einzug der Linken mit 11 Genossinnen
und Genossen ins Landesparlament verkündet wurde, war klar: Die Linke ist im Westen angekommen.
Mit einem solchen Ergebnis hatten nicht
einmal die kühnsten Strategen gerechnet, schon gar nicht die Parteirechte vom Forum Demokratischer
Sozialismus, die bis zuletzt dagegen wetterten, dass eine Genossin von der DKP auf der Liste stand.
Schon bei der Listenaufstellung am
3.November 2007 versuchte die Parteirechte, die Kandidatur der Genossin Christel Wegner, die nicht Mitglied
der Linken ist, mit einer spontanen Gegenkandidatur aus ihren Reihen zu verhindern, was knapp misslang.
Nicht nur die Parteizugehörigkeit von Christel Wegner in der DKP wurde als Makel gesehen, auch die Ex-
DKP-Mitglieder Manfred Sohn (er bezeichnet sich als bekennender Marxist) und Hans-Henning Adler wurden als
linksextremistisch dargestellt. Mit der Wahl am 27.Januar gelang zum ersten Mal einer Kommunistin von der
DKP der Einzug in den niedersächsischen Landtag.
Die Spitzentruppe der Linken wurde in der
Hannoverschen Allgemeinen Zeitung als kommunistische "Dehm-Truppe" in Misskredit gebracht. Die
anderen bürgerlichen Medien, griffen dies ebenso auf wie SPD und CDU und brachten immer wieder das
Gespenst des Kommunismus ins Spiel. Aber es hat nichts genützt, die Wählerinnen und Wähler
ließen sich nicht irreführen und der Linken gelang der Einzug in den Landtag.
Wahlentscheidene Themen für die
Wähler der Linken in Niedersachsen waren in erster Linie soziale Gerechtigkeit und mit
deutlichem Abstand an zweiter Stelle der Abbau von Arbeitslosigkeit. Die Linke erhält den
höchsten Zuspruch bei Arbeitslosen und Lohnabhängigen, mit Werten, "die zum Teil das Drei-
bis Fünffache ihres Wahlergebnisses erreichen", schrieben Benjamin-Immanuel Hoff und Horst Kahrs
in ihrem Report zu den Landtagswahlen.
Die Wahlauswertung ergibt auch das: Die
Linke wurde weniger von Frauen als von Männern gewählt. Hier ist noch Arbeit zu leisten. Bei den
Erstwählern erhielt sie unterschiedliche Zustimmungsraten. Zusätzlich zur bisherigen
intellektuellen Wahlklientel konnte sie vor allem Arbeitslose und Nichtwähler gewinnen.
Die sinkende Akzeptanz des Neoliberalismus
in der Gesamtbevölkerung hat den Wunsch nach einem Politikwechsel beflügelt und beim politischen
Gegner für Unruhe gesorgt.
Die Linke ist in Niedersachsen in der glücklichen Lage, nicht Zünglein an der Waage zu sein
wie in Hessen. Sie kann sich ganz auf ihre Oppositionsrolle konzentrieren.
Ein Leitspruch aus den frühen PDS-
Jahren hieß: "Veränderung beginnt mit Opposition". Das sollten sich auch die neuen
Abgeordneten der Linken auf ihre Fahnen schreiben nur so können wir zum jetzigen Zeitpunkt in
der Republik etwas verändern. Koalitionen mit der heutigen SPD und den Grünen sind auch immer
Koalitionen mit dem Kapital das stünde einer sozialistischen Partei unter den aktuellen
Umständen nicht gut zu Gesicht.
Ein wichtiger Auftakt war am 29.1. der
"große Ratschlag" im Freizeitheim Ricklingen (Hannover). Dorthin lud die neue Fraktion
Gewerkschaften Erwerbsloseninitiativen und soziale Bewegungen, um mit ihnen gemeinsam darüber zu
diskutieren, was sie von der neuen Linksfraktion erwarten. Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg der
Verständigung, der auf jeden Fall fortgesetzt werden muss.
Michael Mitzig von der
Erwerbsloseninitiative Hannover-Linden (auch Mitglied bei Marx21 und der SL) brachte es in einem Beitrag
auf den Punkt: "Ohne Aktion keine Fraktion, und keine Fraktion ohne Aktion". Die Linke im Landtag
tut gut daran, den Kontakt zur Straße nicht abreißen zulassen.
Eine spannende Frage wird sein, inwieweit die neue Landtagsfraktion den traditionell linken
niedersächsischen Landesverband verändern wird. Durch eine enge Anbindung an die Landespartei und
die Kreisverbände könnte es tatsächlich gelingen, eine Politik von unten nach oben zu
betreiben.
Das alte Dilemma bleibt bestehen:
Angesichts von Termindruck, einem engen finanzieller Rahmen und dem Korsett von Geschäftsordnung und
Ausschüssen gelingt es meistens, eben eine solche Politik zu verhindern und eine Landtagsfraktion
abzuschotten und abheben zu lassen. Aber auch der Landesverband ist in der Pflicht, Strukturen
herzustellen, die eine Interaktion zwischen Parteibasis und Landtagsfraktion ermöglichen und praktisch
erfahrbar machen. Gleiches gilt für die Kreisvorstände in den Kreisverbänden der
Abgeordneten. Hier müssen konkrete Angebote und Möglichkeiten für den Austausch mit der
Basis geschaffen werden.
Die neue Fraktion kann den Landesverband
inhaltlich/programmatisch weit voranbringen, wenn es ihr gelingt, die Fraktion mit ihren Themengebieten und
Ausschüssen an die Landesarbeitsgemeinschaften anzubinden. Im Hinblick auf die bevorstehende
Programmdiskussion wäre dies ein wichtiger Beitrag zur Bildungsarbeit in der Partei selbst.
Landesarbeitsgemeinschaften zu Themen wie
Bildung, Grundeinkommen, Asyl & Migration u.a., in denen auch Landtagsabgeordnete mitwirken und denen
sie ihre Informationen, Arbeitskraft und Infrastruktur zur Verfügung stellen, wären auch für
die außerparlamentarische Opposition, die zum großen Ratschlag kam, eine wertvolle Andockstelle.
Hier könnte gezeigt werden, wie ernst es einem mit eben jener Zusammenarbeit ist jenseits von
medienwirksamen großen Ratschlägen.
Am 14.Februar lief die Sendung Panorama in der ARD. Dort sah man ein Interview mit der
Landtagsabgeordneten Christel Wegner. Sie sprach dort über ihr positives und offenbar völlig
unkritisches Verhältnis zur DDR.
Die dort gemachten unsäglichen
Äußerungen von Christel Wegner sind zweifellos völlig indiskutabel. Eine kritische
Betrachtung der DDR und des sog. Ostblocks stünden ihr gut zu Gesicht. Ihr scheint jegliches
Verständnis dafür zu fehlen, dass die Befreiung und Emanzipation des Menschen von Ausbeutung und
Unterdrückung nicht mit Unfreiheit und Fremdbestimmung erzwungen oder herbeigeführt werden kann.
Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel, und ein Zurück kann und wird es nicht geben.
Die Linke setzt sich mit der Geschichte der
DDR und der BRD sowie mit der Geschichte der linken Kräfte in der alten Bundesrepublik auseinander und
zieht aus den historischen Entwicklungen und Erfahrungen Schlussfolgerungen für ihre Programmatik und
Strategie in den Auseinandersetzungen der Gegenwart und Zukunft. Dabei wendet sie sich gegen
Pauschalisierungen, antikommunistische Vorurteile und einseitige Beurteilungen und bemüht sich um
differenzierte und ausgewogene Einschätzungen." So steht es in den Programmatischen Eckpunkten.
Pauschalisierungen, antikommunistische
Vorurteile und einseitige Beurteilungen müssen jetzt vermieden werden, um zu einer differenzierten und
ausgewogenen Einschätzung zu gelangen. Völlig richtig sind die Forderungen der Landtagsfraktion,
des Landesvorstands und des Landesausschusses an Christel Wegner, ihr Mandat zurück zu geben.
Aber ihr "verbaler Amoklauf" darf
nicht zum Anlass genommen werden, sich nun grundsätzlich gegen offene Listen oder gegen die
Zusammenarbeit mit der DKP zu positionieren, oder gar Kommunisten in der eigenen Partei an den Rand zu
drängen. Christel Wegner hat der Zusammenarbeit der Linken einen Bärendienst erwiesen. Vor einem
Antikommunismus, der sich auch gegen Teile der eigenen Partei, richtet muss jedoch eindringlich gewarnt
werden.
Es gilt die gute Tradition der offenen
Listen zu bewahren und auch in Zukunft ohne Schere im Kopf immer zu prüfen, wo und wie diese sinnvoll
und machbar sind. Es ist eine Illusion zu glauben, eine Liste, auf der ausschließlich Parteimitglieder
kandidieren, wäre vor abweichenden Meinungen und Äußerungen sicher.
Die Konsequenz aus diesem Skandal kann nur
sein: Rücktritt von Christel Wegner von ihrem Mandat, und weiterhin Offenheit und Wahrung der
Pluralität in der Partei.
Man kann nur staunen, wenn man in der Presse liest, dass Gregor Gysi nun die Verstaatlichung von
Produktionsmitteln generell ablehnt. Die Verstaatlichung zum Wohle der Allgemeinheit ("Eigentum
verpflichtet") ist sowohl vom Grundgesetz wie auch von den Programmatischen Eckpunkten der Linken
gedeckt und gehörte schon immer zu linken Grundsätzen. Wir werden uns auch in Zukunft für
diese Position in- und außerhalb der Partei stark machen.
"Die Artikel 14 und 15 des
Grundgesetzes geben die Möglichkeit, der Zusammenballung von wirtschaftlicher Macht zu politischer
Macht entgegenzuwirken. Demzufolge können Schlüsselbereiche der Wirtschaft in Gemeineigentum
überführt werden. Die Linke erarbeitet konkrete Vorschläge, wie bestimmte
Schlüsselbereiche der Wirtschaft und der Daseinsvorsorge zum Wohle der Allgemeinheit in
öffentliche Eigentumsformen überführt werden müssen, um mehr demokratische Kontrolle
und Gestaltung zu ermöglichen. Die Linke sieht im Vorhandensein unterschiedlicher Eigentumsformen eine
Grundlage für eine effiziente und demokratische Wirtschaft, anstatt den weiteren Weg der
Privatisierung und Monopolisierung zu beschreiten." (Aus den Programmatischen Eckpunkten.)
Nicht umsonst setzt sich die FDP im
Bundestag für eine Streichung des Artikels 15 im Grundgesetz ein. Da sollte ihr nicht die
Parteiführung der Linken das Wort reden.
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