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Sie soll „Europäische Freiheitspartei” oder
„Europäische Patriotische Partei” heißen und im kommenden Jahr zu den Europawahlen
antreten.
So verkündeten es die Parteichefs von
FPÖ, Front National, Vlaams Belang und der bulgarischen Atakia-Partei auf einer Pressekonferenz am
25.Januar in Wien. Bis zum 15.November soll eine gemeinsame europäische Parteistruktur geschaffen
werden. Die EU erkennt grenzübergreifende Parteienzusammenschlüsse an und fördert sie
finanziell, sofern Mitgliedsstrukturen aus mindestens sieben verschiedenen EU-Ländern daran
teilnehmen. Sozialdemokraten, Christdemokraten, die Grünen und die Linke verfügen bereits
über einen europäischen Parteienzusammenschluss. Die Europäische Antikapitalistische Linke
hat diesen Sprung noch nicht geschafft.
Wenn die extreme Rechte aus sieben
Mitgliedstaaten Parteien mit einer parlamentarischen Präsenz an einen Tisch bringen kann, hätte
sie jährlich Anspruch auf 200000 Euro Parteienförderung aus EU-Mitteln. In der Vergangenheit sind
ihr solche Zusammenschlüsse zeitweise gelungen, doch sind diese auch rasch wieder zerfallen. Die
Kooperation scheiterte regelmäßig daran, dass entweder jeder Chef der Größte sein
wollte, oder dass nationalegoistische Interessen aufeinander prallten.
Die erste gemeinsame Fraktion
rechtsextremer Parteien im Europaparlament (EP) 1989 scheiterte an der sog. Südtirolfrage: Dieses
Thema entzweite deutsche/österreichische und italienische Rechtsextremisten; im Europaparlament
pochten die neu eingezogenen Abgeordneten der westdeutschen „Republikaner” (REPs) unter Franz
Schönhuber auf den „deutschen Charakter Südtirols”
Ein weiterer Streitpunkt war, dass zur
damaligen Zeit die italienische neofaschistische Partei MSI sich nur in geringem Maße für die
„Einwanderungsproblematik” interessierte: Süditalien, wo die MSI besonders stark verankert
war, war damals noch weitaus eher eine traditionelle Auswanderungs- denn eine Einwanderungsregion.
Erst im Laufe der 90er Jahre wurde der
„klassische” Rassismus in Bezug auf Einwanderer auch in Italien zum publikums- und
mobilisierungsträchtigen Politikthema: im industrialisierten Norditalien gewann die rassistisch-
regionalistische Lega Nord an Boden, in Süditalien nahmen rassistische Ausfälle gegen
afrikanische Migranten zu. Im Streit zwischen den bundesdeutschen REPs und der italienischen MSI schlug
sich der französische Front National (FN) auf die Seite der ersteren, weil sich Le Pen und Franz
Schönhuber einig waren im Herangehen an das „Einwanderungsthema” und mit diesem Thema
Erfolgschancen witterten.
Ein zweiter Anlauf für eine gemeinsame
Kandidatur zu den Europawahlen 2004 zerbrach daran, dass der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider den
Kontakt zu Jean-Marie Le Pen verweigerte und stattdessen Kontakte zu einem Spaltprodukt des FN unterhielt,
der National-Republikanischen Bewegung (MNR) von Bruno Mégret. Diese ist inzwischen eine
Splittergruppe geworden; Jörg Haider seinerseits führt heute das „Bündnis Zukunft
Österreichs” (BZÖ) an, das zunehmend bedeutungslos geworden ist.
Der ebenfalls beteiligte Vlaams Blok hat
sich inzwischen in Vlaams Belang umbenannt, nachdem der belgische Oberste Gerichtshof den Vlaams Blok im
Jahr 2004 als „rassistisch” einstufte und ihm den Anspruch auf Parteienfinanzierung entzog.
Auch der FN ist in Schwierigkeiten geraten:
Bei den französischen Parlamentswahlen im Juni 2007 konnte die 1972 gegründete rechtsextreme
Partei nur noch 4,3% der Stimmen holen, ihr mit Abstand niedrigstes Wahlergebnis seit 1984, und sie hat
Schulden in Höhe von 9 Millionen Euro. Ihren Parteisitz im vornehmen Saint-Cloud bei Paris muss sie
verkaufen, neuer Sitz der Parteizentrale wird Nanterre.
Im Januar 2007 verzeichnete die extreme
Rechte im Europäischen Parlament starken Zuwachs: Durch den Beitritt Rumäniens und Bulgariens
kamen aus beiden Ländern große rechtsextreme Parteien hinzu. Nun waren im Parlament genügend
Abgeordnete beisammen, um eine Fraktion zu bilden; sie nannte sich
„IdentitätTraditionSouveränität” (ITS).
Im November vergangenen Jahres platzte sie
wieder: Die italienische Abgeordnete Alessandra Mussolini hatte nach einem Mordfall in der Nähe von
Rom pauschal gegen rumänische Einwanderer gehetzt und dabei auch gefordert, den rumänischen
Botschafter aus Italien hinauszuwerfen. Die bis dato befreundeten Rechtsextremisten der
„Großrumänienpartei” tobten.
In der Folgezeit zogen sich sowohl die
italienischen als auch die rumänischen Abgeordneten aus der vorherigen gemeinsamen Fraktion
zurück. Kurz darauf verlor die „Großrumänienpartei” (PRM) ihre Sitze im
Europäischen Parlament: Als die rumänischen Vertreter im EP am 25.November 2007 durch die
Bevölkerung neu gewählt wurden anfänglich waren sie vom Parlament in Bukarest
bestimmt worden , musste sich auch die extreme Rechte dem Wahlvolk erneut stellen. Dieses Mal erhielt
die Partei von Corneliu Vadem Tudor nur noch 3,5% der Stimmen im Jahr 2000 war es noch ein Drittel
der abgegebenen Stimmen gewesen. Die rumänische extreme Rechte ist damit als
„seriöser” Bündnispartner oder verlässliche Stütze für die Euro-Rechte
ausgeschieden.
Jetzt gibt es also einen vierten Anlauf.
Derzeit sind erst vier Parteien beteiligt: der FN, der Vlaams Belang, die FPÖ und aus Bulgarien
Atakia. Auf der Pressekonferenz in Wien wurde jedoch angekündigt, man wolle Gespräche mit
niederländischen, zypriotischen, dänischen, italienischen, griechischen, englischen und
slowakischen Parteien führen.
Gespräche mit NPD oder DVU schloss
FPÖ-Chef Hans-Christian Strache persönlich aus ("von mir sicher nicht"), nicht hingegen
Gespräche mit der Pro Köln/Pro NRW/Pro Deutschland-Strömung. Sein Kollege Andreas
Mölzer, der als Motor des Projekts gilt, nannte als gemeinsame inhaltliche Basis des Projekts die
Bekämpfung einer angeblichen „Islamisierung” und der „Selbstaufgabe” Europas,
sowie der „unkontrollierten (außereuropäischen) Massenzuwanderung” Man will gemeinsam
zu den EP-Wahlen antreten, einen gemeinsamen Wahlkampf werde es jedoch nicht geben.
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