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Zum 31.Jour Fixe in Hamburg waren zwei Kollegen der Berliner GDL eingeladen,
um über ihren Streik und seine Bewertung zu sprechen. Der Saal war mit 3040 Interessierten voll
besetzt.
Bislang hatte ich die GDL in der Presse
lediglich vermittelt durch ihre Funktionäre (Chef Manfred Schell und Vize-Chef Claus Weselsky) wahr
genommen. Und verglichen mit den üblichen DGB-Funktionärs-Attentisten waren diese Herren meine
heimlichen (tarifpolitischen) „Helden” nach dem Vortrag der Berliner Kollegen von der
GDL-Basis sind sies nun nicht mehr.
Zunächst hörten wir, wie die GDL
innerhalb der Tarifgemeinschaft der Bahngewerkschaften (mit Transnet und GDBA) zunehmend ins Hintertreffen
geraten und schließlich in 2003 ausgestiegen war. Sie nahm fortan nicht mehr an Tarifverhandlungen
Teil und führte auch keine eigenen. In 2006 wurde die Forderung nach einem eigenständigen
Tarifvertrag laut, die Zugbegleiter wurden mit ins Boot geholt und es war schnell klar, dass der zu
führende Tarifkonflikt auch und zuerst ein Kampf um die Existenzberechtigung als Gewerkschaft
überhaupt sein würde.
Die meisten Kollegen, die seit der
Gründung der Deutsche Bahn AG realen Lohnverzicht hin nehmen mussten, seien allerdings erst wach
geworden, als es um die Forderung nach einer spürbaren Lohnerhöhung ging. Dies hätte zu
Neueintritten in die GDL und Übertritten aus den anderen Bahngewerkschaften geführt. So sei die
Streikfront größer und größer geworden und die Urabstimmung hätte die
Streikbereitschaft der Basis eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Allerdings sei die Streikleitung über
weite Strecken sehr zögerlich und damit letztlich der Hinhaltetaktik des Bahnvorstands wahlverwandt
gewesen. Die Informationspolitik sei schlecht gewesen und öffentlichkeitswirksame Aktionen der
Kollegen seien von der GDL-Spitze zunächst unterdrückt worden. Die Unzufriedenheit an der Basis
wuchs und schließlich haben die Kollegen es selbst in die Hand genommen, Kontakte mit der Presse her
zu stellen und eine spontane Kundgebung ab zu halten.
Dieser entscheidende Schritt nach vorn, die
eigenen Interessen offensiv zu vertreten, so ein Berliner Kollege, habe „den Leuten wirklich eine
Befreiung gebracht” Es sei ein Ruck durch die Belegschaft gegangen, „jetzt können wir
Flagge zeigen!” Bei der GDL-Leitung sei diese Eigenmächtigkeit allerdings auf Gegenwind
gestoßen. Schon machten Titulierungen wie „Anarchisten”, „Radikale” und
„Alleingänger”, die nicht in die offizielle Gewerkschaftspolitik passten, die Runde.
Die offizielle Linie der GDL ist es jedoch,
die inzwischen bei einem wachsenden Teil der Basis auf Kritik stößt. „Lokführer und
Zugbegleiter wurden benutzt”, so ein Berliner Kollege. Der Funktionärsriege sei es einzig und
allein um die Eigenständigkeit und damit um den Erhalt der GDL gegangen. Sobald dies erreicht war,
hätte man einen starken, bei der Basis vorhandenen, Willen zum Vollstreik „abgewürgt von
oben” Während die Kollegen weiterhin für sofortige Arbeitszeitverkürzungen und eine
Lohnerhöhung um 31% zu Arbeitskämpfen bereit gewesen seien, hätte es mit der Spitze
„überhaupt keine Diskussion darüber, weiter zu kämpfen” gegeben.
Aus der ursprünglichen Forderung eines
Einstiegsgehalts von 2500 Euro sind bescheidene 2020 Euro geworden und ein kritisches Hinterfragen des
Abschlusses würde von der GDL-Leitung nicht gewünscht. Die Stimmung bei der Basis ist deshalb
gedrückt. Nicht einmal eine 2.Urabstimmung zur Beendigung des Streiks wird es geben (eine solche ist
nach den Statuten der DBB-Tarifunion, auf die Schell sich berufe, nicht erforderlich). Von einem
„Verrat an den Mitarbeitern” war an diesem Abend im Curiohaus die Rede und davon, dass die
„Zugbegleiter nur Verhandlungsmasse” gewesen seien, die an einem bestimmten Punkt zu opfern
war. Das Vertrauen in die Funktionärsriege sei spürbar gesunken.
Für mich eine Augen öffnende
Veranstaltung, die sehr deutlich gemacht hat, dass mit den Kollegen der GDL bei einer weniger
attentistischen Gewerkschaftsleitung mehr zu erreichen gewesen wäre als eine „halbe”
Eigenständigkeit, die weiterhin in das Gehäuse einer Kooperation mit der Tarifgemeinschaft
gezwängt sein wird. Erfreulich, dass sich in Berlin inzwischen eine erstarkende Basisbewegung unter
den GDL-Kollegen etabliert hat, die in Zukunft ein Auge darauf haben wird, dass bei Arbeitskämpfen
auch tatsächlich die Interessen der Lohnarbeiter im Mittelpunkt stehen werden und nicht die
Interessen der leider anscheinend auch bei der GDL basisfernen Funktionäre.
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