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Am 28.Februar wird der Nokia-Aufsichtsrat in Helsinki
zusammentreten. Nach dem Willen des Managements soll hier offiziell die
Schließung des Bochumer Werks abgesegnet werden. Dem Betriebsrat wurde der
Entschluss bereits bei seinem letzten Konzernbesuch in Helsinki Anfang Februar klar
gemacht.
Kern der Politik des
Betriebsrats und der Bochumer IG Metall war und ist es, den Konzernvorstand davon zu
überzeugen, dass Bochum dem Unternehmen die gleiche, wenn nicht eine bessere
Kapitalverwertung bieten kann als die ausländischen Standorte. Maßnahmen,
die das Unternehmen unter Druck setzen, werden als kontraproduktiv gesehen.
Schließlich glaubt man an eine konsensuale Lösung des Konflikts. Auf diesem
Weg hat die Mehrheit im Nokia-BR der Unternehmensleitung in den vergangenen Monaten
und Jahren nicht nur geistige, sondern auch viele geldwerte Argumente geliefert.
Seit vier Jahren habe
man, so die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach, Kosten sparende Maßnahmen
mitgemacht und mit dem Arbeitgeber an neuen Konzepten gearbeitet, die man jetzt
vortragen möchte. Ein Ergebnis bisheriger kostensparender Maßnahmen ist
u.a., dass die Zahl der im Betrieb tätigen Leiharbeiter auf 1000 gestiegen ist.
Diese Arbeitnehmer zweiter Klasse wurden nach Auskunft von Betroffenen zwar als
Vollzeitkräfte eingesetzt, erhielten jedoch Lohn nur für 110, in einigen
Fällen sogar nur für 60 Stunden im Monat.
Bei der Effektivierung
der Schichtarbeit sei Nokia Bochum Vorreiter gewesen, berichtet ein Betriebsrat. Eine
Folge war, dass manche Mitarbeiter 13 Tage am Stück gearbeitet haben. Die
Ausnahmegenehmigung für Sonntagsarbeit hat die Betriebsratsvorsitzende gleich
selbst bei den verantwortlichen Behörden erwirkt. Zu einem Zeitpunkt, als die
Schließung des Werks bereits beschlossene Sache war, wurden in Bochum noch
Sonderschichten gefahren. Sicher wurden die Zugeständnisse im guten Glauben
gemacht, keine Gründe zu liefern, das Werk dicht zu machen. Aber auch nach
Bekanntgabe der beabsichtigten Werkschließung wurde auf dieser Linie weiter
gearbeitet.
Der Nokia-BR hat Unternehmensberater errechnen lassen, dass Bochum bei einer
Investition von 50 Millionen Euro in acht neue Produktionslinien günstiger
arbeiten werde als das geplante rumänische Werk, auch wenn das nur bei drastisch
verringerter Belegschaftsgröße machbar ist. Auf der IG-Metall-Nokia-Webseite
findet sich ein Link auf einen Artikel im Manager-Magazin, der beweisen will, dass
Nokia falsch rechnet.
Auch die Bochumer IG-
Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm offenbarte der Presse, es sei für
sie überhaupt nicht nachvollziehbar, dass ein Unternehmen, das hier so viel Geld
verdiene, den Standort schließt. So schwierig ist das jedoch nicht zu begreifen.
Woanders lässt sich eben noch mehr Geld verdienen. Man muss kein Prophet sein, um
vorherzusagen, dass sich der Nokiavorstand bei der Berechnung seiner Renditen von der
IG Metall keine Nachhilfestunden geben lassen wird. Auch wenn die neoliberalen Manager
vieles nicht begreifen sie gerade in ihrem „Kerngeschäft”
belehren zu wollen, wirkt schon lächerlich.
7,2 Milliarden Euro
Gewinn hat Nokia 2007 gemacht. Die deutsche Nokia hatte daran einen Anteil von 246
Millionen Euro. Die Kapitalrendite stieg insgesamt um stolze 67%. Doch in
Rumänien locken Löhne, die ein Zehntel der deutschen Verdienste ausmachen,
und das auch bei den anzusiedelnden Zulieferern. Der Konzern soll dort 30 Jahre lang
von der Grundsteuer befreit werden. Für die Entwicklung Rumäniens bringt
seine Ansiedlung kaum einen Vorteil: Den neuen Beschäftigten soll weniger als die
Hälfte des dort erreichten Nettodurchschnittslohns gezahlt werden. Deshalb ist
ihnen auch verboten worden, darüber mit ausländischen Journalisten zu
sprechen. Gewerkschaften sind unerwünscht.
Viel sinnvoller als dieses hilflose Co-Management wäre es, öffentlich
darüber zu reden, wer bei der Kalkulation des Nokiakonzerns und anderer, auch
deutscher, Unternehmen Kasse macht, und wer dafür aufkommen muss. Erste Adresse
dieser Öffentlichkeitsarbeit von unten sind die verschiedenen Belegschaften in
den Standorten des Konzerns selbst. Gelänge es, die Belegschaften zumindest der
wichtigsten europäischen Standorte zu einer gemeinsamen Aktion gegen die drohende
Werksschließung zu bewegen, wäre das ein wichtiger Schritt vorwärts.
Doch danach sieht es nicht aus.
Das Treffen des Euro-
Betriebsrats von Nokia am 30.Januar in Brüssel endete mit einem Eklat. Die
Vertreter des Bochumer Betriebsrats verließen die Sitzung vorzeitig, nachdem die
finnische Delegation dort um Verständnis für die Schließung des
deutschen Werks geworben hatte. Ins gleiche Horn blies auch Sture Fjäder,
Chefunterhändler der finnischen Gewerkschaft Akava für Beschäftigte mit
höherer Bildung, die auch einen Teil der NokiaBelegschaft vertritt. In
einem Spiegel-Interview erklärte Fjäder, der Umzug in „billigere
Länder” sei eine ökonomische Notwendigkeit. Gewerkschaften sollten
sich nicht in die Geschäftspolitik einmischen. Sie könnten höchstens
dafür sorgen, dass Schließungen so rücksichtsvoll wie möglich
abliefen.
Doch die deutschen
Belegschaftsvertreter dürfen sich über diese Solidaritätsverweigerung
nicht übermäßig ereifern. Schließlich ließ es sie in der
Vergangenheit auch kalt, wenn andere europäische Nokia-Standorte dichtgemacht
wurden. Es zeigt sich daran nur, dass Beschäftigte einen hohen Preis zahlen, wenn
Gewerkschaften im Unterbietungswettbewerb der Konzerne aktiv mitmachen: sie werden
unfähig gemeinsam zu handeln.
Noch vor der Sitzung
hatte der Generalsekretär des Europäischen Metallarbeiterbunds, Peter
Scherrer, über die Möglichkeit punktueller Streiks gesprochen. Diese Option
ist nach dem 30.Januar wohl begraben. Geeinigt hat man sich auf eine gemeinsame
Erklärung gegen die Schließung, gegen „die Art und Weise der
Ankündigung der Schließung des Bochumer Werks” und für
„schnellstmögliche konstruktive Gespräche mit dem Nokia-
Management” Dazu erklärte der Vorsitzende des Euro-BR von Nokia, Mika
Paukkeri: „Die Ankündigung der Schließung des deutschen Werks ist
derzeit ein deutsches Problem.” Vom geplanten europäischen Aktionstag wurde
Abstand genommen. Lediglich auf eine außerordentliche Sitzung des
europäischen Gesamtbetriebsrats wollte man sich einigen.
So wenig wirksame
Aktionen auf europäischer Ebene zu erwarten sind, so wenig sind solche bis jetzt
in Bochum selbst zu erkennen. In einem Bericht des Berliner Tagesspiegels gab die BR-
Vorsitzende Gisela Achenbach Auskunft auf die Frage, was zu erwarten ist, wenn es bei
der geplanten Schließung bleibt. Antwort: „Es gibt keinen Streik, aber
Aktionen und Informationsveranstaltungen.” Bleibt es bei dieser wenig
beeindruckenden Drohkulisse, wird man sich nach dem 28.Februar wohl nur noch um die
Höhe der Abfindungen im Sozialplan und die Zeitdauer des Verbleibs in
Transfergesellschaften unterhalten können.
In welche Richtung ließen sich Alternativen entwickeln? Auch wenn ein
gemeinsames Handeln der west- und nordeuropäischen Nokia-Standorte
gegenwärtig blockiert scheint und eine direkte Unterstützung von den
Gewerkschaften der südosteuropäischen Länder aktuell nicht erwartet
werden kann, muss man sich doch nicht den vermeintlichen Zwängen der neoliberalen
Globalisierung beugen. Von Entlassung betroffene Belegschaften können bei der
Bevölkerung ihres Landes um Unterstützung werben. Alle Umfragen der letzten
Monate dokumentieren, dass in der Bundesrepublik die Kritik und der Zorn über das
maßlose und verantwortungslose Verhalten der Konzerne groß ist und
Widerstand dagegen populär wird.
Dies war die Erfahrung
auf dem Marsch der Solidarität der Berliner BSH-Belegschaft, und das wurde auch
beim Streik der Lokführer wieder sichtbar. Statt nationalistische Töne
anzuschlagen, wie dies beim AEG-Streik mit der Losung „AEG ist
Deutschland” versucht wurde, und wie es der DGB-Vorsitzende Schneider in NRW
gerade wieder praktiziert (O-Ton: „Wir sind keine Bananenrepublik bei uns
herrschen Ethik und Moral"), sollten Gewerkschaften die Verantwortungslosigkeit
„der Wirtschaft” gegenüber den Produzenten und der Gesellschaft
insgesamt zum Thema machen.
Auch dem IG-Metall-
Vorstand scheinen solche Gedanken nicht fremd. So hat Bertold Huber Anfang Februar in
einem Interview erklärt: „Wir müssen die ganze Shareholder-Philosophie
in Frage stellen. Bis hin zu den Gehältern der Manager und deren Orientierung auf
Profit und Aktienoptionen. Ein Unternehmen hat übrigens auch nach dem
Grundgesetz Pflichten gegenüber der Bevölkerung und den Menschen, die
im Unternehmen beschäftigt sind."
Doch welche
Konsequenzen werden aus dieser Einsicht gezogen? Wäre es nicht an der Zeit, die
Kritik am Shareholder-Kapitalismus und das Eintreten für eine Ökonomie mit
gesellschaftlicher Verantwortung durch eine Besetzung des Bochumer Nokia-Werks zum
öffentlichen Thema zu machen? Die dadurch losgetretene Diskussion enthielte auf
jeden Fall mehr Druckpotenzial als sämtliche Gesprächsrunden zwischen
Vorstandsvertretern und Bundes- und Landespolitik. Das Schrecken erregende Faustpfand
der NRW-Landesregierung, die Forderung auf Rückzahlung von 41 Millionen Euro
wegen nicht erfüllter Auflagen ohnehin noch völlig offen
enthält ein solches sicher nicht. 41 Millionen Euro sind gerade 1 Promille des
Konzernumsatzes, ein halbes Prozent des letztjährigen Gewinns. Mit beißendem
Spott heißt es deshalb auch in der Süddeutschen Zeitung: „Das Land
will die Daumenschrauben so weit anziehen, bis der Konzern mit zittriger Hand
einlenkt."
Derweil wartet der IG-
Metall-Vorstand auf das Einlenken aus Finnland. Vorstandsmitglied Jürgen Ulber:
„Ich hoffe weiter, dass wir noch vor dem 28.2. Signale aus Helsinki bekommen,
dass man bereit ist, konsensual, im Dialog diesen Konflikt anzugehen.” Das
erinnert stark an das berühmte „Warten auf Godot” Bleibt die IG
Metall bei dieser Orientierung, kann sie nur noch den Konkursverwalter
begrüßen und ihm eine frustrierte Belegschaft übergeben.
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