SoZ - Sozialistische Zeitung |
Die Debatte um 1968 ist entbrannt und Götz Aly war
sicherlich nicht der erste der bei der Bewegung, für die dieses Jahr steht,
Ähnlichkeiten zur NS-Bewegung entdeckte. Wir müssen befürchten, dass
da noch einiges an Schmutzkübeln ausgeleert wird. Nicht zuletzt deswegen kann
man der Band Guru Guru danken, dass sie mit der CD zu ihrem 40. an eine wichtige
Seite von 68 erinnert, die zeigt wie unsinnig die Vorwürfe eines Götz Aly
und ähnlicher Diffamierer ist.
Am 4.August 1968
fand das Holy-Hill-Festival in der Tingstätte in Heidelberg statt. Ein
Jazzfestival wie es einige gab in jener Zeit. Doch diesmal gab es einen Skandal. Der
Jazzschlagzeuger Manfred Neumeier kam mit seiner im Frühjahr gegründeten
Formation Guru Guru Groove Band. Die an eher betulichen Jazz gewöhnten
Gäste bekamen einen Schock, als aus der „elektrischen” Anlage ein
für sie ohrenbetörender Lärm erklang. „Mikrofone abbauen! Der
Neumeier ist verrückt geworden...”, so lauteten noch die harmloseren
Kommentare. Viele verließen entsetzt das Konzert. Doch etwa die Hälfte
blieb und war fasziniert von diesen neuen Klängen.
Auch wenn Guru Guru
sich nie als Kraut Rock Band bezeichneten, war dies doch eine der Geburtsstunden des
damals wohl experimentierfreudigsten Rock-Genres. Die Musik öffnete die
kulturelle Sichtweise in viele Richtungen. Sie lies die Grenze zwischen autonomer
und Unterhaltungsmusik verschwinden, erweiterte das Spektrum der Instrumente und
nahm Einflüsse von verschiedenen Musikstilen rund um den Globus auf.
Die Namen der
Musiker zu nennen, die während der vierzig Jahre bei Guru Guru mit von der
Partie waren, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, genau wie ein
Rückblick auf die über 30 Longplayer der Band. Zu nennen sei allerdings
Roland Schaeffer, der seit 1975 Gitarre, Flöte, Saxofon und einige andere
Instrumente bei Guru Guru spielt und häufig singt.
PSY ist sicherlich
keine Provokation mehr wie der Auftritt in Heidelberg oder das Cover des Albums
Hinten von 1971, das von Hintern nur so strotzte. Guru Guru, das sind 2008 Hans
Reffert (Gitarre und Gesang), Peter Kühmstedt am Bass und ein Mani Neumeier am
Schlagzeug, der nichts von seiner Dynamik und Spielfreude verloren hat. Hinzu kommen
auf der Geburtstagsplatte noch einige Gastmusiker, die sich hören lassen: Chris
Karrer (Amon Düül), Hellmut Hattler & Jan Friede (beide Kraan), Dieter
Moebius (Cluster), Jürgen Engler (Die Krupps), Luigi Archetti (Ex-Guru Guru),
Uchihashi Kazuhisa und Werner Goos.
Entstanden ist ein
Album, das vielen beim ersten Hören vielleicht als etwas altbacken erscheinen
wird. Aber wie nicht selten bei den Guru-Guru-Plattenproduktionen muss man einfach
häufiger genau hinhören und dann ergänzt man im Kopf die Stücke
durch Ideen von Improvisationen, die dann auf den Konzerten eingefügt werden.
Aus der stürmischen wilden Band ist eine reife Musikformation geworden, die
zeigt, dass Rockmusik auch 2008 noch lebt. Dass sie immer noch in der Lage ist,
Impulse aufzunehmen, sich zugleich selbst zitiert und mit einer Frische wie in
„For Ivy” daherkommen kann, hat nichts mit Nostalgie zu tun, sondern mit
einer Dynamik, die nach vorne strebt und die viele politische Alt-68er
spätestens mit der Gründung der „Grünen” im
Kleiderschrank versteckt haben.
Zudem ist PSY auch
ein Ritt durch die verschiedenen Etappen progressiver Rockmusik der letzten vierzig
Jahre. Da tauchen Jazzrockelemente neben den indischen Einflüssen und
klassischen Gitarrenrock-Riffs auf. Da gibt es astreine Hippiemusik wie in
„Yellow Sunshine” und Elektronik vom Feinsten wie in der
„Elektrolurch Mutation”, die mit der Frage endet: „Was macht ihr
eigentlich, wenn ihr älter seid?” Das alles ist die Portion Humor, mit
der Mani Neumeiers Musik uns auch immer erfreut hat, und es macht deutlich, dass
hier ein Album produziert wurde, das nicht nur der Generation Freude machen wird,
die vor über dreißig Jahren auf einem Konzert von Guru Guru, Ihre Kinder,
Kraan oder Amon Düül den ersten Joint geraucht hat. Das Tor, das Guru Guru
1968 mit ihrem Auftritt in Heidelberg zu öffnen halfen, hat den kulturellen
Horizont um vieles erweitert, was sich hinter diesem Tor auftat. PSY ist eine
weitere Bereicherung auf dem Weg zum Horizont, der davon lebt, dass er ständig
erweitert wird.
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