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Selten hat eine Regierung in der
Bildungspolitik in so kurzer Zeit so viel Unsinniges auf den Weg gebracht wie Schwarz-Gelb in NRW.
Sie setzt schon Vierjährige einem unverantwortlichen
Prüfungsstress aus, erweitert die Aufgaben der Kindertagesstätten und will gleichzeitig Geld sparen. Sie lässt
zentrale Prüfungen und Qualitätsanalysen an allen Schulen durchführen und bestimmt, was richtig und was falsch ist.
Sie führt Kopfnoten für alle, auch die Kleinsten, ein und zwingt den Lehrkörper zu unendlichen Konferenzen, die
nichts bringen. Sie schafft die Schulbezirksgrenzen für Grundschulen ab, erhöht damit die soziale Selektion und
verschärft die Ghettoisierung. Sie setzt auf Ranking vom Kindergarten bis zur Hochschule, dafür wird getestet auf Teufel
komm raus. Sie hebelt das Personalvertretungsgesetz aus und spart durch den Abbau von Freistellungen für Personalräte.
Sie verkürzt die Schulzeit an den Gymnasien, ohne andere Rahmenbedingungen zu schaffen. Sie führt an den Hochschulen
Studiengebühren ein und verstärkt damit die soziale Selektion. Und nicht zuletzt fördert sie die Privatisierung von
Bildung, denn infolge dieser „Reformen” schießen Nachhilfeinstitute und Privatschulen wie Pilze aus dem Boden.
Mit dem neuen Schulgesetz sollte ein „Rahmen für eines
der modernsten und leistungsfähigsten Schulsysteme in Europa” gesetzt werden. Das Ziel sollte ein „gerechtes
Schulwesen” sein, es war von „individueller Förderung” und „sozialer Gerechtigkeit” die Rede
alles leere Worte, die Halbzeitbilanz ist erschreckend.
Tatsächlich hat die Schulpolitik in NRW die ohnehin schon
geringe Durchlässigkeit weiter verschlechtert und die Segregation ausgeweitet. Das Gesetz geht von der Vorstellung aus, dass
Kinder Hohlköpfe mit unterschiedlichem Fassungsvermögen haben und entweder für die Hauptschule, die Realschule oder
das Gymnasium geeignet sind.
Ungeachtet aller wissenschaftlichen Erkenntnisse hängt diese
Regierung immer noch der Begabungsvorstellung aus den 50er Jahren nach, mit denen die Dreiteilung in höhere Schulen,
Volksschulen und Mittelschulen begründet wurde. So wird die jeweilige Schule von der Aufgabe entbunden, sich um jedes Kind
intensiv zu kümmern. Dann stellt sich nur noch die Frage. „Gehört dieses Kind an diese Schule?” und nicht
„Welche Unterstützung braucht dieses Kind?” Zehn Abstiegen steht nur ein Aufstieg gegenüber. Meist wandern
die Schüler in eine niedrigere Schulform oder landen an einer Sonderschule.
Obwohl immer weniger Eltern ihre Kinder auf die Hauptschule schicken in den letzten fünf Jahren verlor diese
Schulform 14% hält die CDU starrköpfig an ihr fest. Die Schulministerin baut weiter Luftschlösser und macht
Versprechungen, die Taten lassen auf sich warten. Sie verspricht für den Ganztagsbetrieb 100 zusätzliche Lehrer. Bei 700
Hauptschulen brächte das pro Schule nicht einmal vier Stunden in der Woche. Schon in Klasse fünf soll die Orientierung
auf die spätere Berufswahl beginnen, später sollen ehrenamtliche Helfer und „Seniorenexperten” bei der
Lehrstellensuche helfen. Angesichts der Lehrstellenkrise mutet das an wie das berühmte Pfeifen im Walde.
Inzwischen geht selbst die NRW-Regierung davon aus, dass ein
kompletter Ausbildungsjahrgang etwa 100000 Jugendliche noch auf Lehrstellensuche ist, während der neue Jahrgang
schon in den Startlöchern steht.
Unter Schwarz-Gelb stieg der Anteil der Förderschüler
trotz rückgängiger Schülerzahlen weiter an. Die meisten von ihnen (87%) werden in Sonderschulen unterrichtet,
abgesondert und nicht integriert. Wo sie an Grundschulen unterrichtet werden, wurde die Zuteilung der Förderstunden drastisch
verschlechtert. Deutschland hat eine der niedrigsten Integrationsquoten europaweit.
Der Bedarf an Gesamtschulplätzen kann bei weitem nicht gedeckt
werden, 15000 Kinder mussten abgewiesen werden. In manchen Gebieten lag der Prozentsatz der Abgewiesenen bei über 50%.
Ein Viertel aller Viertklässler wird inzwischen an einer
Gesamtschule angemeldet. Dabei spielt auch eine Rolle, dass Eltern ihrem Kind den Stress eines Turbo-Abiturs ersparen wollen, denn
die Gesamtschule führt wie bisher in neun Jahren zum Abitur. Doch die Landesregierung diffamiert die Gesamtschulen, indem sie
vom „Billig-Abitur” spricht, und ignoriert damit den Elternwunsch. Obwohl Gesamtschulen einen Ausländeranteil von
16,5% gegenüber 4,8% an den Gymnasien haben, haben sie hervorragende Ergebnisse beim Zentralabitur erreicht. Es ist ein
Skandal, dass die Regierung Neugründungen von Gesamtschulen nur zustimmen will, wenn diese auf den Ganztagsbetrieb verzichten;
das ist ein Unding. Aber es soll offenkundig alles verhindern werden, was in Richtung gemeinsame Erziehung geht.
Noch nie hat es an NRW-Schulen eine Prüfungswelle dieses Ausmaßes gegeben. In jedem Frühjahr müssen rund
800000 Kinder und Jugendliche zeigen, was sie können: Sprachtests für Vierjährige, Lernstandserhebungen in den
Klassen drei und acht, Prognoseunterricht für die „richtige” weiterführende Schule, zentrale Prüfungen
nach Klasse 10 und Zentralabitur.
Im März 2007 mussten sich alle vierjährigen Kinder einem
Sprachtest unterziehen. Dieses viel kritisierte Testverfahren degradiert das Kind zum Testobjekt, es macht aus fröhlichen
Kindern gehemmte, stumme oder unsichere Kinder. Die suggerierte Spielsituation ist künstlich eine Grundschullehrerin
sitzt dabei, die akribisch alles aufschreibt. Hier geht es nicht um einen entspannten Umgang mit Kindern, sondern um den
stringenten Vollzug einer Prüfung, die bis zu einer Stunde dauern kann. Viele Kinder verweigern sich und, was schwerer wiegt,
sie machen ihre ersten negativen Erfahrungen mit „Schule” Von 145000 Kindern sind im Frühjahr des letzten Jahres
95000 „durchgefallen”, für sie wurde eine zweite Testrunde angesetzt. An den Kölner Grundschulen fielen
deshalb 5000 Förderstunden aus ersatzlos.
Der Druck an den Gymnasien hat sich drastisch erhöht. Da
kommen die Schüler schnell auf eine 35-Stunden-Woche plus Hausaufgaben. Viele Eltern fürchten, dass ihre Kinder den Stoff
nicht schaffen. Und gleich wittern private Anbieter auf dem Nachhilfe-Markt Morgenluft. Der Bundesverband Nachhilfe- und
Nachmittagsschulen (VNN) bietet sich als „idealer Partner der Schulen” an, mit „Komplettpaket für den
Nachmittag” Geschätzte 2 Milliarden Euro geben Eltern aus, damit ihre Kinder Stoff nachholen und Wissenslücken
schließen.
Je schlechter das öffentliche Schulwesen funktioniert, umso
mehr werden Anbieter auf den Markt gerufen, für die Bildung eine Ware ist. Die Schulpolitik der CDU verstärkt diesen
Prozess in unerträglicher Weise. Das öffentliche Schulwesen muss so attraktiv sein, das sich mit Schule kein Profit
machen lässt.
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