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Ende Februar
einigten sich die Koalitionspartner auf einen Kompromiss: Ab 2013 gibt es einen Rechtsanspruch auf
Kinderbetreuung; Eltern, die ihre Kinder selber betreuen, erhalten monatlich 150 Euro.
Seit etlichen Monaten tobt die
Auseinandersetzung um dieses Betreuungsgeld über Parteigrenzen hinweg. Kritiker schelten es als
„Herdprämie”, weil es den Familientyp mit der hausversorgenden Mutter begünstigt. Vor
allem die CSU versuchte mit allen Mitteln, diese Prämie zu retten neben der Betreuung in
Kindertagesstätten sollte auch die Leistung der Eltern zu Hause gewürdigt werden. Ursula von der
Leyen war der Meinung, es müsse auch Frauen mit Kindern möglich sein, sich im Beruf zu
verwirklichen; das war der CSU ein Dorn im Auge.
Der Meinung von der Leyens war auch die
CDU-Frauenunion sie lehnte das Betreuungsgeld ab, wie auch der Deutsche Frauenrat, dem sie
angehört. Immerhin erzielte von der Leyen eine Einigung auf einen Ausbau der Kinderbetreuung inklusive
Rechtsanspruch. Mit Blick auf das Betreuungsgeld warnte sie noch im Mai 2007 davor, nicht „in die
alten Reflexe zurückzufallen und den einen Familientyp gegen den anderen auszuspielen”
Die kinder- und jugendpolitische Sprecherin
der Linksfraktion, Diana Golze, kritisierte damals, die SPD lasse sich die „Herdprämie”
von der Union aufschwatzen, für DGB-Chef Michael Sommer war die „Stoiber-Prämie”, wie
er sie nannte, ein „Ausdruck reaktionärer Familienpolitik” Den Begriff
„Herdprämie” in den Augen des familienpolitischen Sprechers der Unionsfraktion,
Johannes Singhammer (CSU), eine „ausgemachte Sauerei” hatte die stellvertretende SPD-
Vorsitzende Elke Ferner schon vor längerer Zeit geprägt. „Herdprämie” war das
Unwort des Jahres 2007. Die SPD wollte sie auf keinen Fall; für Kerstin Griese, Vorsitzende des
Familienausschusses der SPD, war das Betreuungsgeld der „eigentliche Unsinn des Jahres” und
„vor allem für bildungsferne Eltern ein Anreiz, Kinder zu Hause zu betreuen” Der SPD-
Parteitag in Hamburg lehnte die „Herdprämie” klar ab und wollte das eingesparte Geld
für Einmalleistungen für Kinder aus einkommensschwachen Familien verwenden. Sogar die
Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hielt die Effekte des
Betreuungsgelds für „desaströs”
Die Kritiker befürchteten allesamt,
dass besonders einkommensschwache Bevölkerungskreise, wie Alleinerziehende und Migranten, dazu
verleitet werden könnten, ihre Kinder selber zu betreuen und ihnen so die frühkindliche Bildung
der Kinderkrippe und -tagesstätte vorzuenthalten, weil ihnen sonst die 150 Euro in der Haushaltskasse
fehlten. Das sei gleichstellungspolitisch und familienpolitisch der falsche Weg. Wer sein Kind in eine
Einrichtung zur Kinderbetreuung bzw. zu einer Tagesmutter gibt, hätte schließlich 150 Euro
weniger, als jemand, die das nicht tut, ganz zu schweigen von den Kosten der Kinderbetreuung.
Andererseits kann das Betreuungsgeld das
Armutsrisiko der nicht berufstätigen Mutter nicht ausgleichen. Das Beispiel Thüringen habe
gezeigt, dass nach Einführung des Betreuungsgelds viele Eltern ihre Kinder von den dort
noch vorhandenen Einrichtungen abmeldeten. Von einer „Wahlfreiheit” der Eltern so die
Kritiker könne ohnehin keine Rede sein, solange vor allem im Westen der Republik
Kinderbetreuungsmöglichkeiten fehlen. In der BRD gibt es nämlich nur für 9% der unter
Dreijährigen Betreuungsplätze, in Skandinavien für 4060%. Wichtig sei also der Ausbau
von Ganztagseinrichtungen für Kinder aller Altersgruppen. Schließlich gehe es um einen
Rechtsanspruch für alle Kinder vom ersten Lebensjahr an.
"Jetzt ist der Weg endlich frei für eine deutliche Verbesserung der Infrastruktur zum Wohle der
Kinder in unserem Land”, erklärte Peer Steinbrück zum Kompromiss. Dieser Kompromiss, den er
mit Ursula von der Leyen erzielte, sieht vor, dass es ab 2013 sowohl einen Rechtsanspruch auf einen
Betreuungsplatz geben soll wie auch „eine monatliche Zahlung” für die Eltern, die ihre
ein- bis dreijährigen Kinder nicht in einer Einrichtung betreuen lassen wollen oder können.
Einzelheiten regelt ein Bundesgesetz.
Bis 2013 soll nach den Plänen von Bund
und Ländern für jedes dritte Kind in Deutschland ein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt
werden. Um das zu erreichen, müssen die Krippenplätze von derzeit 250000 auf 750000 ausgebaut
werden. Es wird sich zeigen, ob das geschehen wird, denn Betreuungsgeld plus Ausbau und Subventionierung
der Tagesmütter werden als „Alternative” ideologisch aufgewertet werden. Wenn von
Tagesmüttern die Rede ist, sind selbstverständlich Frauen gemeint. Schließlich werden
Dienstbotinnen ohnehin steuerlich gefördert. Meist kommen sie aus anderen Ländern und sind
prekären Arbeitsverhältnissen unterworfen.
CSU-Chef Erwin Huber begrüßte die
Einigung: „Das ist ein guter Tag für die Familien in Deutschland.” Die Familienexpertin
der FDP, Ina Lenke, sprach von einem „Salto rückwärts” der Ministerin, ihre Partei
lehne ein Betreuungsgeld weiter ab. Diana Golze von der Linken kritisierte den „Kniefall vor der
CSU” und Grünen-Chefin Claudia Roth schimpfte die Übereinkunft gar einen
„bildungspolitischen Unsinn”, da sie falsche Anreize gebe und zu kostspielig sei. Kerstin
Griese von der SPD tröstet sich damit, dass der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nicht ohne
den Kompromiss des Betreuungsgeldes hätte durchgesetzt werden können und nur so der Kita-
Gesetzentwurf vom Eis geholt werden konnte, wo er seit Monaten lag.
In einem Flugblatt zum Internationalen
Frauentag am 8.März 2008 bezeichnet die Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF), das
Betreuungsgeld als eine „Rolle rückwärts”, mit der die längst überholte
traditionelle Rollenverteilung konserviert werden soll, indem die CDU auf einseitige finanzielle
Unterstützung von Familien setzt. Laut AsF sind lange Erziehungspausen und berufliche Auszeiten
wesentliche Gründe dafür, dass Frauen in Deutschland nach wie vor weniger verdienen als
Männer, schlechtere Karrierechancen haben und nicht ausreichend für ihre Alterssicherung
vorsorgen können.
Der Bund will sich mit 4 Milliarden Euro am
Krippenausbau beteiligen. Die restlichen Kosten teilen sich Länder und Kommunen. Das sind Peanuts
gegenüber den Beträgen, die bereits für „Familienförderung”, sprich
für die Hausversorgung, ausgegeben werden. Die Kosten für das Betreuungsgeld von 150 Euro tragen
ohnehin die Steuerzahler. Nach Berechnung der CDU sollen sie jährlich 2,1 Milliarden Euro betragen.
Zusammen mit den 19 Milliarden jährlich für das Ehegattensplitting und den 10 Milliarden für
die kostenlose Kranken- und Pflegeversicherung nicht erwerbstätiger Ehegatten sowie den 12 Milliarden,
die in die Kindererziehungszeiten für die Rente fließen, werden hausversorgende Mütter
weiterhin subventioniert.
Da es ohnehin gesellschaftlich anerkannter
ist, zu Hause zu bleiben und sich selbst um die Kinder zu kümmern, wird auch in Zukunft ein
traditionelles Familienbild gefördert, das alte vor allem christliche Normen
reproduzieren soll.
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