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Über den
Drogenhandel breiten kolumbianische Paramilitärs ihren Wirkungsbereich in Nachbarländer wie
Venezuela aus und werden dort zu einer stetig wachsenden Gefahr für Gewerkschafter, Arbeiter und
engagierte Bauern.
Am 1.März ortete das kolumbianische
Militär mit Hilfe modernster Satellitentechnik ein Lager der FARC (Revolutionäre
Streitkräfte Kolumbiens) in Ecuador, bombardierte es und tötete den politischen Kontaktmann der
Guerilla, Raúl Reyes. Anschließend rückten kolumbianische Truppen in Ecuador ein, um die
Leichen der Guerilleros zu holen.
Die gesamte Militäroperation fand
augenscheinlich mit der Unterstützung der US-Armee statt. Aus Protest gegen die Verletzung der
Souveränität Ecuadors verlagerten Ecuador und Venezuela Truppen an die kolumbianische Grenze und
brachen die diplomatischen Beziehungen zu Bogotá ab. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS)
verurteilte das Verhalten Kolumbiens und zwang Präsident Uribe sich zu entschuldigen. Hinter dem
Konflikt steckt jedoch mehr als eine Grenzverletzung und der Tod eines Comandante.
Seit 1999 sind die USA massiv in Kolumbien
aktiv. Ihr vorgeschobenes Ziel ist die Bekämpfung des Drogenanbaus. Tatsächlich geht es um die
Zerschlagung der beiden Guerilla-Bewegungen FARC und ELN (Nationale Befreiungsarmee) und um die
Unterdrückung der gesellschaftlichen Opposition. Dazu wird die Militarisierung der kolumbianischen
Gesellschaft massiv vorangetrieben. Für die USA ist Kolumbien sowohl geostrategisch wie politisch von
großer Bedeutung: Das Land bildet einen wichtigen Handelsknotenpunkt zwischen Pazifik und Atlantik,
zwischen Nord- und Südamerika. Zum anderen besitzt es umfangreiche Bodenschätze
Erdöl, Kohle, Gold. Und schließlich wollen US-Konzerne wie Coca Cola oder Chiquita unbehelligt
von Gewerkschaftskämpfen Arbeiterinnen und Arbeiter zu Hungerlöhnen ausbeuten. Unbequeme
Arbeiter, Gewerkschaftsvertreter und ihre Familien bezahlen ihre Aktivitäten mitunter mit dem Leben,
die Tötung übernehmen Paramilitärs.
Während in einigen Landesteilen
Friedhofsruhe herrscht, gibt es in anderen Teilen Bürgerkrieg und Chaos. 2004 erhöhten die USA
ihre Ausgaben ein weiteres Mal und beschlossen eine personelle Aufstockung der ihrer Truppen in Kolumbien.
Letztere erfolgt jedoch nur zum kleineren Teil durch die Verlagerung von US-Soldaten in die Region. Eher
werden private Sicherheitsdienste angeheuert, die ehemalige Soldaten und Menschen ohne US-Pass anstellen.
Trotzdem unterstehen diese Sicherheitsdienste der direkten Kontrolle der USA. Die Aufgabe dieser
Privatarmeen ist die Bekämpfung von Aufständen auch über die Grenzen Kolumbiens hinaus in
anderen Staaten der Region. Allerdings beginnen neuerdings auch kolumbianische Paramilitärs, deren
Funktion zu übernehmen.
Diese Tatsache ist für den Prozess der bolivarianischen Revolution in Venezuela gefährlich.
Der dort lebende Politikwissenschaftler Dario Azzellini schreibt, kolumbianische Paramilitärs
hätten in Venezuela mit dem „Aufbau einer Contra wie der in Nikaragua” begonnen.
Schwerpunkt dieser Bestrebungen sei Táchira, eine Grenzregion, von der aus das Land bis vor die Tore
von Caracas kontrolliert werden kann. Paramilitärs hätten sich dort in der lokalen
Wirtschaftsstruktur fest verankert. Ihr Augenmerk gelte vor allem dem Transportgewerbe. Azzellini zitiert
den Bürgermeister einer Gemeinde der Grenzregion Táchira, der berichtete, allein in seiner
Ortschaft seien 10 Taxifahrer und weitere 58 Personen, die sich der Kollaboration verweigerten, von
Kolumbianern ermordet worden. Die Kontrolle über das Transportwesen verschaffe den Paramilitärs
die Möglichkeit, zum gegebenem Zeitpunkt die gesamte Versorgung des Landes lahmzulegen.
Ihre Nähe zum Drogenhandel öffnet
ihnen ein Einfallstor nach Caracas. Die bolivarianischen Gemeinderäte haben in den vergangenen Jahren
gute Fortschritte im Kampf gegen Drogen und Kriminalität erzielt. In letzter Zeit jedoch, so
Azzellini, habe sich dieser Trend wieder umgekehrt, Drogenhandel und Kriminalität träten in einer
viel organisierteren und planvolleren Form auf. Mit ihrer Hilfe soll in Caracas eine personelle Basis
aufgebaut und die innenpolitische Situation destabilisiert werden. Kriminellen Strukturen gegenüber
gilt der Staat als zunehmend handlungsunfähig.
In dieselbe Richtung zielen die von
Paramilitärs betriebenen groß angelegten Schmuggelaktivitäten und organisierte Morde.
Nahrungsmittel und Benzin werden über die Grenze nach Kolumbien geschafft; sie führen in
Venezuela zu partiellen Versorgungsengpässen und schüren Unmut in der Bevölkerung. Die
Grundvoraussetzung dafür, die Verfügung über Transportmittel, haben sich die
Paramilitärs in Táchira geschaffen.
Bei ihren Morden agieren die
Paramilitärs offen als Aufstandsbekämpfungstruppen im Auftrag örtlicher Eliten. Auf diese
Weise wurden in den vergangenen Jahren mehrere hundert Bauernaktivisten ermordet, die sich um eine
Umsetzung der Landreform bemühten. Ihre Mörder sprachen mit kolumbianischem Akzent, Auftraggeber
waren die jeweiligen Großgrundbesitzer.
Was hat die FARC in Ecuador verloren? Vermutlich verhandelte die Gruppe um Raúl Reyes über die
Freilassung einiger Geiseln. Fakt ist, dass Reyes bei diesen aktuellen Gesprächen Unterhändler
der FARC war und in dieser Rolle mehrfach ein Satellitentelefon benutzen musste, ein Umstand, der seine
Ortung und Tötung erlaubte. Federführender Vermittler der Gespräche war bis vor kurzem
Venezuelas Präsident Hugo Chávez. Als die Verhandlungen erste Erfolge brachten, entzog Uribe
Chávez jedoch das Mandat. In beiden Fällen wollte Uribe verhindern, dass die Gespräche
erfolgreich verlaufen, weil dies eine politische Anerkennung und Aufwertung der Guerilla mit sich gebracht
hätte. Den USA und Kolumbien ist mehr daran gelegen, die FARC als unpolitische Terroristen zu
stigmatisieren.
Der Militärschlag hat deutlich
gemacht, was für ein immenses Sicherheitsrisiko Kolumbien für linke Gesellschaften in
Lateinamerika darstellt. Die US-geleiteten Regierungen setzen ihre Interessen ohne zu zögern auch in
Anrainerstaaten durch. Konkret bedeutet dies, dass die linken Regierungen in Kolumbiens Nachbarländern
damit rechnen müssen, einer kolumbianischen Contra gegenüberzustehen. Wie kann man sich dagegen
wehren? Azzellini meint: mit der Demokratisierung der Polizei, dem Aufbau von Bürgerwehren und der
Schaffung eines Gefahrenbewusstseins in der Bevölkerung.
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