SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2008, Seite 18

Europainitiative

der Gewerkschaftsjugend

von Juri Hälker

Das ESF ist der richtige Ort, um gewerkschaftlichen Internationalismus voranzubringen, erkennt die Gewerkschaftsjugend.
"Eigentlich fehlt so etwas wie ein europäisches Gewerkschaftsjugendtreffen.” Es war kein Geringerer als der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes, John Monks, der diese Bemerkung kürzlich am Rande einer EGB-Jugendsitzung in Brüssel fallen ließ. Dass die internationale Arbeit der Gewerkschaften in weiten Teilen nach wie vor Sache weniger Spitzenfunktionäre ist, wird innerhalb der Gewerkschaften zunehmend als unzureichend erkannt. Der beispielsweise von der IG Metall in einem Memorandenentwurf eingestandene „Europäisierungsrückstand” ist nicht nur programmatischer Natur.
Dabei haben die Gewerkschaften in Europa in den letzten Jahren einige Fortschritte gemacht. Europäische Betriebsräte und gewerkschaftliche Firmennetzwerke versuchen, Betriebsräte und Gewerkschaftsvertreter über nationalstaatliche Grenzen hinweg zu koordinieren. Bei General Motors gelang es der IG Metall so, die vom Konzernmanagement angefachte Unterbietungskonkurrenz zwischen den europäischen Produktionsstandorten einzudämmen. Doch diesen ersten Beispielen europäischer Gewerkschaftssolidarität steht ein Denken gegenüber — insbesondere bei betrieblichen Funktionären und in den Belegschaften — das kaum über Standortpatriotismus hinaus geht.
Im aktuellen Konflikt um die Verlagerung der Nokia-Handyproduktion von Bochum nach Rumänien werden viele schrille Töne laut, die sich anklagend gegen „finnische Moral” und „die Finnen” richten.
"Wir haben uns gefragt, ob wir uns überhaupt nach Deutschland trauen sollen”, witzelten Jukka und Ville-Petteri, Vertreter zweier finnischer Gewerkschaften, bei einem europaweiten Vorbereitungstreff, zu dem IG-Metall-, DGB-, GEW- und IGBCE-Jugend eingeladen hatten. Neben den Finnen hatten die postkommunistische CCOO aus Spanien und die rechtssozialdemokratische CFDT aus Frankreich Platz genommen sowie mehrere eher konservative Angestellten- und Akademikergewerkschaften. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Vorbereitung des Europäischen Sozialforums (ESF), das im September 2008 im schwedischen Malmö stattfinden wird. Erstmals soll es ein europäisches Gewerkschaftsjugendcamp geben und zwar innerhalb des ESF.
Für Andreas Köppe, Vertreter des DGB im Jugendvorstand des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB), ist das ESF genau der richtige Ort, um gewerkschaftlichen Internationalismus in Europa voranzubringen: „Das ESF steht für die Verbindung von neuen und alten sozialen Bewegungen, da passen wir Gewerkschafter gut hin. Wir wollen einige tausend Jugendliche aus unseren Betrieben in ganz Europa nach Malmö mobilisieren. Und die werden eine ganz einmalige Atmosphäre von politischem Austausch und kulturellem Event erleben. Das hat eine völlig andere Qualität, als wenn wir das als Gewerkschaftsjugend isoliert machen würden."
Wie ernst es dem Gewerkschaftsnachwuchs ist, zeigt die Entschlossenheit, mit der die Organisatoren vorgehen. Geplant ist ein eigener Jugendbereich in der City von Malmö, in dem neben anderen ein von der IG Metall organisiertes Veranstaltungszelt stehen wird. „Wir bringen unsere erprobte Übersetzungstechnik und eigene professionelle Dolmetscher mit”, erzählt Claudia Büchling vom IG-Metall-Ressort Jugend. In der Vergangenheit hatten viele ESF-Teilnehmer die schlecht verständlichen Übersetzungen bei den ESF- Veranstaltungen beklagt. Claudia Büchling: „Wir haben einen einmalig breiten Veranstalterkreis für unsere Workshops zusammengebracht. Die Gewerkschaftsjugend aus fast allen europäischen Ländern beteiligt sich an der inhaltlichen Vorbereitung und Durchführung. Da muss bei den Veranstaltungen die Übersetzung, in die vielen notwendigen Sprachen, hundertprozentig funktionieren."
Die angebotenen Workshops bieten eine breite Palette. Es geht unter anderem um Organising als internationale Gewerkschaftsstrategie, die Flexicurity-Strategie der EU-Kommission, Militarisierung und Abbau von Gewerkschaftsrechten in der EU, Arbeitsmigration, Bildungspolitik und den Austausch von Aktions- und Protestformen.
"Das ESF wird für die Gewerkschaftsjugend ein echter Knaller”, glaubt Andreas Köppe. „Wenn wir mit Zehntausenden Leuten diskutieren, abends ordentlich feiern und an der Abschlussdemonstration mit einem großen bunten europäischen Gewerkschaftsjugendblock teilnehmen, dann bringt uns das nicht nur als Gewerkschaften in Europa näher zusammen, unsere Aktiven fahren auch gestärkt nach Hause."

Infos/Anmeldungen: Claudia.Buechling @igmetall.de; weitere Infos zum ESF: www.young- unionists.org.


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