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SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) hieß die
Studentenorganisation, die nach ihrem Ausschluss aus der SPD 1961 zum Kristallisationspunkt der 68er
Bewegung und der „Neuen Linken” wurde. Die Linke.SDS nennt sich ein vor zwei Jahren
gegründeter Studierendenverband der Partei Die Linke in offensichtlichem Anspruch, die Tradition
aufzugreifen und es „besser als 68” zu machen.
Im Jahr 1970 löste sich der
zerstrittene SDS auf. Es folgten K-Gruppen, Basisbewegungen, Frauen- und Umweltbewegungen und
schließlich Grüne. An den Hochschulen dominierten innerhalb des sozialistischen Milieus bis in
die späten 80er Jahre der Sozialistische Hochschulbund (SHB) und der DKP-Verband MSB Spartakus. Aus
war der ganze Spuk Anfang der 90er Jahre. Spätestens Mitte des Jahrzehnts war es vorbei mit
organisierter sozialistischer Hochschularbeit. Mit der Gründung der Linkspartei sollte sich das
ändern. Seit knapp einem Jahr gibt es ihn wieder, den SDS (www.linke-sds.org). Im Mai 2007
gründeten Studierende in Frankfurt einen sozialistisch-demokratischen Verband, der sich mit der
Namensgebung bewusst in die Tradition der Neuen Linken stellt. Sie will also wieder da sein, die
sozialistische Hochschulpolitik.
Nach rund einem Jahr sieht es gut aus mit
dem Organisationsaufbau. Grundsätzlich sucht der Verband noch nach eigenen Positionen, nach Konzepten
für eine konkrete Hochschulpolitik, und diskutiert über das richtige Verhältnis zur
Linkspartei. Vieles ist noch unbestimmt, das überrascht nicht. Insgesamt ist die Bilanz aber durchaus
positiv: An 55 (Fach-)Hochschulen gibt es Gruppen, beim Bundesverband gibt es Arbeitsgruppen zum Krieg in
Afghanistan, zu Bildungsarbeit und Theorie sowie zur Hochschulpolitik. Im Herbst 2007 gab es eine
Herbstakademie, kritische Theorie soll mit der Kapitallesebewegung an die Unis zurückgebracht werden,
und auch an einer neuen hochschulpolitischen Denkschrift wird gearbeitet. Vom 2. bis 4.Mai organisiert der
Verband einen 68er-Kongress (www.1968kongress.de, siehe Seite 23). Eine ganze Menge nach einem Jahr.
Alles wunderbar also? Nicht ganz. Es gibt zwei grundlegende Probleme, mit denen sich der neue SDS
beschäftigen muss. An Themen und Konflikten, die er aufgreifen kann, besteht kein Mangel. Aber erstens
bewegt er sich in einem von anderen besetzten Raum. Denn „die Linke” an den deutschen
Hochschulen gibt es schon: rechts vom SDS die Jusos und z.T. die grünen Hochschulgruppen, andererseits
die grün-alternativen Listen und die autonomen Basisgruppen. Zwar verfügen die nicht über
eine feste bundesweite Organisation, wegzudenken sind sie aus der Hochschulpolitik jedoch ganz sicher
nicht. Wie stellt sich der Verband also inhaltlich und bündnispolitisch auf? Diese Frage muss
praktisch vor Ort beantwortet werden, aber eins ist klar: Die organisatorische Stärke des SDS ist es,
lokal, regional und auch bundesweit als Bündnismotor und -plattform agieren zu können.
Das zweite Problem betrifft alle
Hochschulgruppen gleichermaßen. Die Studienstrukturreform und die Einführung von
Studiengebühren machen freiwilliges Engagement zwar nicht unmöglich, schwieriger und
kurzfristiger aber wird es allemal. Die Arbeitsbelastung der Studierenden wird verdichtet, die Frei- und
Studienzeit insgesamt verkürzt. Das heißt nicht, dass es kein Interesse mehr für Politik
gibt. Allerdings dürfte es nur sehr wenigen Studierenden möglich sein, sich länger und
intensiver in die lokale Gruppenarbeit oder gar in die Verbandsarbeit einzubringen. Ohne dies geht es aber
nicht. Damit hängen viele Herausforderungen zusammen, von denen hier nur eine angedeutet sei:
Verankern kann sich der SDS an den Hochschulen nur dann, wenn er sich ein Milieu schafft. Das setzt
beispielsweise voraus, dass es Leute gibt, die sich in Fachschaften und Unigremien engagieren.
An Themen mangelt es sicherlich nicht. 1968 das war eine Kritik an der Verflechtung von
Ausbildung und Forschung mit Konzern-, Verbände-, Staats- und Militärinteressen, die sich auch
aus bürgerlichen Quellen speiste. Angegriffen wurde die Standardisierung des Studiums bis hin zur
Ausbildung von Fachidioten. Eine Quelle der Studierendenproteste war die fordistische Bildungsreform. Die
Free-Speech-Movement im US-amerikanischen Berkeley, eine der damals größten staatlichen
amerikanischen Hochschulen, symbolisierte diesen Aspekt der Revolte wie kein anderer Konflikt.
Heute muten die damals kritisierten
Zustände harmlos an zumindest dann, wenn man sie mit dem gegenwärtigen Ausmaß an
Drittmittelforschung, elitären Hochschuloptimierungskonzepten, disziplinierenden Studienstrukturen und
sozial selektiven Gebühren vergleicht. Kaum verhohlen werden Hochschulausbildung und
Forschungslandschaft in den Dienst des Wirtschaftsstandorts gestellt. Die Hochschulen sind mehr denn je
flexible Zulieferbetriebe ökonomisch und bürokratisch verwertbaren Wissens und Personals. Und
doch gibt es einen kleinen Unterschied: Heute wird überproduziert. Und die Studierendenproteste der
vergangenen zehn Jahre haben immer wieder thematisiert, dass die Verschulung des Studiums von einer
Mehrheit abgelehnt wird. Gemeint ist damit ein einseitig vorgegebener Bildungskanon ohne freie
Gestaltungsmöglichkeiten. Er engt die Autonomie der Menschen und ihrer Bildungsprozesse ein und
transportiert den Druck des Arbeitsmarkts, der sehr wohl empfunden wird.
Insbesondere sozialistische Studierende diskutierten in den 70er und 80er Jahren über das
Verhältnis der Intelligenz zur Arbeiterklasse. Klassentheoretisch ist das eine offene Frage; praktisch
ist die soziale Frage in den Hochschulen längst angekommen. Das gilt für die Studierenden ebenso
wie für einen teilweise mehr als prekär arbeitenden und lebenden akademischen Mittelbau, der
diesen Namen kaum mehr verdient. Studierenden steht längst nicht mehr eine gesicherte berufliche
Zukunft bevor. Einem guten Teil wird die Tür zur Mittelschicht vor der Nase zugeschlagen. Das gilt
insbesondere für Sozialwissenschaftler, pädagogisch Ausgebildete und
Gesellschaftswissenschaftler, kann je nach Konjunktur freilich auch für anwendungsbezogene
Studiengänge gelten: die BWLer-Schwemme ist ein bekanntes Phänomen.
Anders als der starke keynesianische
schafft der flexible und aktivierende Staat keine umfassenden Beschäftigungsmöglichkeiten mehr.
Die Folge sind hochqualifizierte, mobile und nur teilzeitbeschäftigte Arbeitskräfte. Wie die
damit verbundenen Erfahrungen verarbeitet werden, ist eine politisch offene Frage, an der sich der SDS
abarbeiten sollte.
Selbst wenn sie es wollte, könnte eine
radikale Hochschulpolitik also keineswegs vor den Toren der Hochschulen halt machen. Das allein schon
deshalb nicht, weil diese Grenzen nur noch schwer erkennbar sind. Das alles ist bekannt und wird von vielen
Genossinnen und Genossen diskutiert. Vernehmbare orientierende Antwortversuche gab es im ersten Jahr des
SDS jedoch kaum. Die organisatorischen Herausforderungen müssen wohl tastend gelöst werden. Die
angesprochenen inhaltlichen Punkte machen durchaus Mut für zukünftige sozialistische
Studierendenpolitik. Eine gewerkschaftliche Orientierung, soviel sei abschließend angedeutet,
wäre eine durchaus aktualisierbare Strategie angesichts der sozialen und kulturellen Zwänge, die
wir heute an den Hochschulen vorfinden.
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