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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2008, Seite 22

Robert Harris:

Imperium, München: Heyne, 2008, 474 S., 8,95 Euro

Zum Elend des Schulalltags gehört auch die lässige Auswahl der Sekundärliteratur. Wenn man sich schon mit römischer Geschichte rumschlagen muss (was nicht zu verachten ist) oder in aller Unschuld Latein lernt (soll im Moment bei aufstiegsorientierten Eltern angesagt sein), dann bitte muss man auch zu solchen Schmökern wie Imperium von Robert Harris greifen. Hier erfährt man, dass Gerhard Schröders Vorgänger Marcus Tullius Cicero geheißen haben mag, so ähnlich sind sie beide mit dem bedingungslosen Ruf: Ich will hier rein, wobei Ciceros Kanzleramt vor etwa 2050 Jahren das Konsulat in Rom war.
Theodor Mommsens Charakterisierung Ciceros als „Staatsmann ohne Einsicht, Ansicht und Absicht” wird durch Imperium untermauert, obwohl der Erzähler der Geschichte, der Haussklave und Privatsekretär Tiro seinem Herrn voller Bewunderung zugetan ist.
Imperium spielt zwischen 79 und 64 v.u.Z., der homo novus Cicero will hoch hinaus, erst in den Senat und dann zum höchsten Amt der Republik, das bislang dem Adel vorbehalten ist. Cicero ist knapp bei Kasse, rhetorisches Talent reicht für solch eine Karriere nicht aus, so heiratet er reich. Es sind unruhige Zeiten, die Sklavenaufstände haben begonnen, Piraten machen das Mittelmeer unsicher, die Provinzen werden von ihren Statthaltern ausgeplündert.
Als ein Bürger Siziliens sich bei Cicero Rechtsbeistand gegen den dortigen Provinzfürsten Verres holen will, schiebt der die Angelegenheit auf die lange Bank. Erst als immer mehr reiche Bürger um Hilfe gegen Erpressung, Verschleppung und Mord durch Verres‘ Leute ersuchen, nimmt sich Cicero der Fälle an, er wittert seine Chance. Gegen den Widerstand der Senatsaristokraten fordert er Gerechtigkeit für römische Bürger und gewinnt den Prozess. Es ist sein einziger Prozess als Ankläger, jetzt wird er zum Verteidiger. Wo er gegen Verres auf republikanische Prinzipien gepocht hat, will er jetzt nur noch eins: Gewinnen und sich damit Verbündete schaffen.
Immer sind die Verfahren in Politik eingewickelt, er wird zum Verbündeten von Pompeius gegen die Feldherrn Lucullus und Crassus, wechselt schlagartig die Fronten, als ein Bündnis mit den aufsteigenden Cäsar sinnvoller zu sein scheint und paktiert mit der verachteten Adelsclique, um seinen Aufstieg abzusichern und eine Landreform zu verhindern. Währenddessen sterben die geschlagenen Sklaven an den Kreuzen der Via Appia, die Rebellen in Spanien, die Gefangenen in den Steinbrüchen von Syrakus.
Robert Harris hat einen Justiz- und Politthriller geschrieben, der den Verweis auf heute zwingend nahe legt und jede Hoffnung jenseits von Spartacus nimmt.

Udo Bonn


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