SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2008, Seite 04

Demografiekeule

Rentner schlagen zurück...

von ROLF EULER

Rentner erhalten tatsächlich 1,1% statt 0,5% Rentenerhöhung im Sommer — welch himmelschreiende Ungerechtigkeit gegenüber den Jungen, die das mit ihren Beiträgen bezahlen müssen!
Haben wir da was nicht mitgekriegt, als wir jung waren und die Beiträge zur Rentenversicherung selbstverständlich an die Rentner ausgezahlt wurden? Ist es nicht immer so, dass die aktive Generation für Kinder, die noch kein Einkommen haben, und für die Alten, die keins mehr haben, aufkommt?
Warnen nicht die Zeitungen vor Altersarmut, weil immer mehr Menschen wegen Arbeitslosigkeit oder Minijobs keine Beiträge zahlen können und daher fürs Alter nichts zurücklegen können — schon gar nicht Zusatzbeiträge zur privaten Absicherung? Wo ist da das Problem bei einer solchen minimalen Rentenanpassung, die real dennoch eine Einkommenssenkung bedeutet? Müssten nicht Politiker vor Scham in den Boden sinken, so etwas noch als „Teilhabe am Aufschwung” zu verkaufen?
Wieder wird die Keule des „demografischen Faktors” geschwungen, weil in Zukunft mehr alte Menschen leben werden als früher. Wieder wird pflichtschuldig „vergessen”, dass die Produktivität massiv gestiegen ist, die Profite immer weniger zur Finanzierung des sozialen Netzes herangezogen werden und die sozialen Sicherungssysteme immer mehr privaten Versicherungsinteressen weichen müssen. Es wird „vergessen”, dass der Riesterrentenfaktor sowohl die Beitragszahlenden als auch die Rentenempfänger belastet, dass es seit drei Jahren wegen der fast nicht gestiegenen Bruttolöhne auch keine Rentenerhöhungen gab, dass die Renten mit dem doppelten Pflegebeitrag und dem erhöhten Krankenkassenbeitrag belastet werden. Zudem sind die Renten am stärksten von Mehrwertsteuererhöhung und Preissteigerungen betroffen.
Niemand soll den Regierungsparteien hehre Motive unterstellen, wenn sie den Riesterfaktor zwei Jahre aussetzen — natürlich sind 2009 Wahlen, natürlich sind Rentenempfänger Wähler. Eine Erhöhung der Monatsrente um 11 statt 5 Euro wird aber niemanden zusätzlich an die Urne locken. „Alle sollen am Aufschwung teilhaben!?” — das ist nichts als Verhöhnung.
Der Neidkampagne Jung gegen Alt liegen reaktionäre Absichten zugrunde: die wahren Ursachen der Rentenmisere sollen nicht zur Sprache kommen. Die steigenden Profite werden nicht zur Finanzierung von sozialen Aufgaben herangezogen, die Einkommen reichen für eine tragfähige Rente nicht mehr aus. Man darf nicht Jung gegen Alt ausspielen, sondern muss die alte Klassenfrage stellen: Arbeit und Kapital, Profit und Macht — wer hat das Sagen?
Rentenerhöhungen nach politischer Willkür und nicht nach gesetzlichen Vorgaben sind ein weiterer Schritt auf dem Weg in den Almosensozialstaat.
Alternativen gäbe es genug: Mindestlöhne für die Aktiven, Bürgerversicherung für alle, Mindestrenten. Das ist allerdings genau das Gegenteil der politischen Agenda von Mißfelder, Herzog und Co.


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