SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2008, Seite 06

Öffentlicher Dienst

Glimpflicher Abschluss und ungeklärte Fragen

Der Tarifkonflikt für die 2,1 Millionen Beschäftigten bei Bund und Kommunen, inklusive Eigenbetriebe, wurde nach massiven Warnstreiks, aber ohne Erzwingungsstreik beigelegt. In den Betrieben und Büros wird das Ergebnis allgemein als positiv beurteilt, aber es gibt auch in einigen Bereichen deutliche Kritik.
Ver.di hat Verhandlungsergebnis einer Mitgliederbefragung unterworfen. 189000 Mitglieder beteiligten sich daran. Davon stimmten 76,5% mit Ja (= 145000). Wie viele Nein-Stimmen es gegeben hat, gab Ver.di nicht bekannt. In der Bundestarifkommission hatten 24 von 25 Mitgliedern aus NRW gegen den Abschluss gestimmt. Ihr Hauptkritikpunkt war die Ausweitung der Wochenarbeitszeit.
Der Gehaltszuwachs liegt laut Ver.di im Jahr 2008 bei durchschnittlich gut 5%, bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen bei 7%. Im Jahr 2009 kommen noch einmal 2,8% dazu sowie eine Einmalzahlung von 225 Euro. Auch Azubis erhalten 70 Euro mehr, ihre Übernahme wurde jedoch nicht geregelt. Die Laufzeit beträgt 24 Monate.
Ein besonderer Pluspunkt bei der Gehaltsregelung ist das Festgeld von 50 Euro monatlich, auf die 3,1% draufgesattelt werden. Sie bewirken, dass die unteren Lohn- und Gehaltsgruppen stärker angehoben werden. Das Festgeld ist tabellenwirksam.
Ein Erfolg ist auch die endgültige Anhebung der Tarife im Osten auf Westniveau; die 40-Stunden-Woche im Osten jedoch bleibt bestehen.
In den Bundesländern NRW, Bayern, Rheinland-Pfalz und Saarland soll die wöchentliche Arbeitszeit um eine halbe Stunde auf 39 Wochenstunden verlängert werden — ohne Lohnausgleich. Die Kommunalbeschäftigten aller anderen Bundesländer mussten bereits vor der Tarifrunde länger arbeiten. Angesichts des guten Ergebnisses bei den Löhnen und Gehältern waren die Delegierten des neben NRW kampfstärksten Bezirks Baden-Württemberg deshalb nicht bereit, gegen das Gesamtergebnis zu stimmen — sie arbeiten bereits 39 Stunden in der Woche. Ein zentrales Ziel der Warnstreiks, die Verhinderung weiterer Arbeitszeitverlängerungen, konnte bei dieser ungleichen Ausgangslage deshalb nicht erreicht werden.
In den Krankenhäusern gibt es zwar keine Arbeitszeitverlängerung, die Gehaltssteigerung fällt im Jahr 2008 auch geringer aus, dafür im Jahr 2009 stärker als in den übrigen Bereichen.
So wurde deutlich mehr erreicht als in den letzten Jahren, eine Trendwende in der Tarifpolitik mag man es dennoch nicht nennen. Dass in einer Zeit, wo die Wirtschaft noch brummt, die Unternehmensgewinne explodieren und die Steuereinnahmen zunehmen ein Abschluss oberhalb der Preissteigerungsrate möglich ist, ist keine sehr große Kunst. Die Arbeitgeber waren wieder einmal der Meinung, dass sie in einer solchen Situation ohne Streik billiger davon kämen.
Das ist noch kein gutes Omen für das übernächste Jahr, wenn wir, wie sich ankündigt, in einer massiven Stagflation stecken. Den Beweis, dass Ver.di auch unter schlechten Bedingungen in der Lage ist, für die Beschäftigten was rauszuholen, muss die Gewerkschaft noch antreten. Der Aufbau von Drohpotenzialen und selbst die Mobilisierung der betroffenen Belegschaften wird dann nicht mehr ausreichen.
Das gilt vor allem für die Frage der Arbeitszeit. Wenn hier in Zukunft weitere Verlängerungen verhindert werden sollen, muss jetzt eine Kampagne beginnen, warum wir einen neuen Schritt der Arbeitszeitverkürzung brauchen. Eine solche Kampagne muss sich an die gesamte Öffentlichkeit wenden und als politische Kampagne geführt werden.


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