SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2008, Seite 16

Nicht privatisieren, sondern kontrollieren

Die Krise der deutschen Landesbanken und ihre mögliche Lösung

von BENEDICT UGARTE CHACÓN

Die Finanzkrise gefährdet das System der Landesbanken. Brauchen wir sie überhaupt?
Die Krise der Landesbanken hat mittlerweile das ganze Landesbankensystem ergriffen. War es zunächst nur die vergleichsweise kleine SachsenLB, die sich in den Sog der US-Immobilienkrise spekulierte, so zeigte sich in den letzten Wochen, dass nahezu jede Landesbank an solcherlei spekulativen Geschäften beteiligt war und entsprechende Belastungen auf sich zukommen sieht. Laut Manager Magazin halten sich die Belastungen für die NordLB mit 0,29 Milliarden Euro, die der Landesbank Berlin mit 0,46 Milliarden Euro noch in Grenzen. Die Landesbank Baden- Württemberg (LBBW), die WestLB und nicht zuletzt die BayernLB sind bedeutend größere Brocken, sie werden ihren Trägern sowie der Steuer zahlenden Bevölkerung noch einige Kopfzerbrechen bereiten.
Ihren Keim hat die von den USA ausgehende aktuelle Finanzkrise in einer Verbriefungstechnik, die es Banken erlaubt, ihre Kredite in „forderungsbesicherte Wertpapiere” (asset-backed security) umzuwandeln und diese dann zu verkaufen. Die Anbieter solcher Wertpapiere brachten darin jedoch nicht nur qualitativ gute Kredite unter sondern auch solche, bei denen die Kreditnehmer eine geringe Bonität und wenig oder gar ein Eigenkapital besaßen (Subprime-Kredite). Zu einem guten Teil wurden sie zur Hausfinanzierung in den USA vergeben. Da die Zinsen jedoch stiegen, waren finanzschwache Kreditnehmer irgendwann nicht mehr in der Lage, ihre Kredite zu bedienen. Millionen solcher Immobilien kommen derzeit in den USA unter den Hammer, das Angebot übersteigt die Nachfrage bei weitem, die Hauspreise sinken. Damit fallen die Kredite im Wert, und das wiederum bringt Investoren, die solche Papiere kauften, in die Bredouille. Nicht nur Hedgefonds, auch große Investmentbanken in den USA müssen deshalb Milliardenverluste abschreiben; die Gemengelage wirkt sich auch auf die Gesamtwirtschaftslage der USA und somit auch auf die weltweiten Finanzmärkte aus.
In Deutschland sind von den wertlos gewordenen Wertpapieren vor allem die Landesbanken betroffen; sie wollten das große Spiel mitspielen und vertrauten darauf, dass die aufgeblähten Renditen, die zeitweise mit diesen Wertpapieren eingefahren werden konnten, für immer attraktiv bleiben würden. Nun, da die Blase platzte, ist das Wehklagen groß und niemand will so recht verantwortlich für den entstandenen Schaden sein.

Dem Wettbewerb ausgesetzt

Zur Zeit gibt es in Deutschland zehn Landesbanken; teilweise agieren sie über die Grenzen von Bundesländern hinweg und sind mitunter über Beteiligungen miteinander verwoben. Getragen werden sie vom jeweiligen Bundesland zusammen mit den regionalen Sparkassen- und Giroverbänden, manchmal ist auch eine andere Landesbank beteiligt.
Traditionell erfüllen die Landesbanken einen öffentlichen Auftrag, indem sie die Bankgeschäfte der Bundesländer durchführen und entweder selbst, oder mit Hilfe eigens dafür geschaffener Institute, die regionale Wirtschaft fördern. Weiter fungieren sie als Zentralinstitut der Sparkassen der Bundesländer und regeln nicht nur deren bargeldlosen Verkehr, sondern ermöglichen es den Sparkassen auch, ihren Kunden Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die eine einzelne Sparkasse aus eigener Kraft nicht stemmen könnte. Im Gegensatz zu den Sparkassen dürfen die Landesbanken alle Bankgeschäfte betreiben.
Bis zum Jahr 2005 führten Landesbanken und Sparkassen ein recht behütetes Dasein. Für sie galten Anstaltslast und Gewährträgerhaftung. Anstaltslast bedeutet: Die öffentliche Hand hat dafür zu sorgen, dass öffentlich-rechtlichen Unternehmen finanziell so ausgestattet sind, dass sie funktionsfähig bleiben. Gewährträgerhaftung heißt: Falls ein solches Unternehmen seine Gläubiger nicht mehr bedienen kann, kommt die öffentliche Hand dafür auf.
Dieser Umstand wurde von privaten Bankhäusern stets beklagt, weil die öffentliche Hand damit Sparkassen und Landesbanken vor der Insolvenz schützt — in den Augen der Privaten „privilegiert” Die stetigen Klagen der Privaten hatten schließlich Erfolg, und die Bundesregierung verständigte sich mit der EU- Kommission darauf, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung praktisch abzuschaffen und die Landesbanken und Sparkassen dem neoliberalen Allheilmittel „Wettbewerb” ungeschützt auszusetzen.
Seit dem Wegfall dieser Absicherungsmechanismen findet eine verstärkte Umstrukturierung des Landesbankensektors statt, die durch die aktuelle Krise noch beschleunigt wird. Sie äußert sich zunächst in einer Reihe von Fusionen. Die kürzlich vollzogene Übernahme der zusammengebrochenen SachsenLB durch die LBBW war wohl nur der Anfang; für die angehäuften Risiken und Verluste der SachsenLB bürgt auch nach der Fusion noch das Land Sachsen. Ein weiterer Fusionskandidat ist die drittgrößte Landesbank, die WestLB. Zunächst sollte sie mit der LBBW zusammengebracht werden; dies scheiterte an der Landesregierung NRW. Dann sollte sie von der Helaba übernommen werden, dagegen opponierten die Sparkassenverbände Hessens und Thüringens. Die WestLB war der Helaba anscheinend doch zu angeschlagen und das, obwohl das Land Nordrhein-Westfalen und die Sparkassenverbände die angehäuften Risiken der WestLB mit bislang 5 Milliarden Euro abschirmten.

Verluste abwälzen?

Aus Anstaltslast und Gewährträgerhaftung resultierte bis 2005, dass die Kreditwürdigkeit der Landesbanken als gut eingestuft wurde und ihre Refinanzierungskosten vergleichsweise gering waren. Seit deren Wegfall müssen auch die Landesbanken höhere Zinsen zahlen und hätten eigentlich ihre Geschäftsmodelle der neuen Lage anpassen und versuchen müssen, ihre Ertragslage zu stärken. Dies hätte zum Beispiel durch den Aufbau einer soliden Geschäftsbasis in der jeweiligen Region geschehen können. Hier hätten es die Landesbanken durchaus mit ihrer privaten Konkurrenz aufnehmen können. Man beließ es jedoch bei der Zockerei mit risikobehafteten Wertpapieren. Für den angerichteten Schaden kommt die Bevölkerung auf.
Dieser Mechanismus ist keinesfalls neu. Bei bisherigen Krisen einzelner Landesbanken, für die keine internationalen Krisen sondern Missmanagement und manchmal auch kriminelle Energie verantwortlich waren, wurde die anschließende „Sanierung” stets mit öffentlichen Geldern vollzogen. Die Bankgesellschaft Berlin — jetzt Landesbank Berlin Holding — ist mit ihren von der SPD-Linke-Koalition in Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro abgeschirmten Risiken nur einer der spektakulärsten Fälle. Die skandalösen Immobiliengeschäfte der Hessischen Landesbank (heute Helaba) in den 70er Jahren, oder die hochriskanten und verlustreichen Spekulationen der WestLB in 2003 sind nur Spitzen in einer Reihe von Landesbankkrisen, von einer Geschäftspraxis so mancher Landesbank, die besser mit Begriffen wie „Selbstbedienung”, „Filz”, „Ämterpatronage” und „Korruption” umschrieben wäre, ganz zu schweigen.
Das Problem — nicht so sehr für die Landesbanken, sondern eher für den Steuerzahler — ist die Struktur der Banken. Es handelt sich bei ihnen nun mal um verfilzte Gebilde, die zu einem gewissen Teil unter der Kontrolle von Landespolitikern stehen, welche wiederum ganz eigene Interessen mit ihnen verfolgen. So war die WestLB jahrzehntelang die ausgelagerte Kasse der nordrhein-westfälischen SPD, genauso wie die Bankgesellschaft Berlin der früheren Großen Koalition so manchen Gefallen tat, und die SachsenLB zum Vermögenszuwachs des Ministerpräsidenten Milbradt beitrug.

Ein wichtiges Steuerungsinstrument

Man sollte nun nicht auf das neoliberale Gewäsch hereinfallen, der Staat sei ein schlechter Bankier und deshalb müsse ganz schnell ganz viel privatisiert werden. Nicht der Staat fuhr die Landesbanken immer wieder gegen die Wand, sondern Bankmanager, die vom Staat nicht ausreichend und kompetent unter Kontrolle gehalten wurden. Die mangelnde Kontrolle der Landesbanken ist der Kern des Problems. Denn sowohl die verfilzte Günstlingswirtschaft wie auch die hochspekulativen Geschäfte fanden unter den Augen der jeweils im Aufsichtsrat sitzenden Politiker sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) statt, die dem Bundesfinanzministerium untersteht.
Eine vernünftige Reform des Landesbankensystems kann also nicht allein in ihrer Konsolidierung durch Fusion und Abwälzung der Verluste auf die Bevölkerung bestehen. Auch eine Privatisierung, wie sie die Neoliberalen seit Jahren unabhängig von Krisen fordern, ist keine Lösung. Denn der politisch steuerbare öffentliche Auftrag der Landesbanken ist gerade in Krisenzeiten ein wichtiges Steuerungsinstrument — wenn es denn richtig angewandt wird.
Vielmehr bedarf es des Aufbaus eines soliden Geschäftsprofils, wozu auch eine erweiterte Förderung der regionalen Wirtschaft und die Finanzierung sozialer Belange gehören muss. Eine verstärkte Kontrolle — nicht nur durch die verschnarchte BaFin oder überforderte Provinzpolitiker, sondern auch durch die Rechnungshöfe und — das wäre schon geradezu demokratisch — durch Bürgerinnen und Bürger wäre mehr als angebracht. Dies wiederum setzte eine verstärkte Transparenz voraus, was eigentlich nicht zuviel verlangt wäre, sind es doch die Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahrzehnten den von Managern und Politikern angerichteten Schlamassel ausbaden.
Entfilzung und Demokratisierung sind hier das große Ziel. Doch seien wir nicht allzu optimistisch: Managergier und Politikerdummheit haben bislang noch immer gesiegt.


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