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Die Finanzkrise gefährdet das System der Landesbanken. Brauchen wir sie
überhaupt?
Die Krise der Landesbanken hat mittlerweile
das ganze Landesbankensystem ergriffen. War es zunächst nur die vergleichsweise kleine SachsenLB, die
sich in den Sog der US-Immobilienkrise spekulierte, so zeigte sich in den letzten Wochen, dass nahezu jede
Landesbank an solcherlei spekulativen Geschäften beteiligt war und entsprechende Belastungen auf sich
zukommen sieht. Laut Manager Magazin halten sich die Belastungen für die NordLB mit 0,29 Milliarden
Euro, die der Landesbank Berlin mit 0,46 Milliarden Euro noch in Grenzen. Die Landesbank Baden-
Württemberg (LBBW), die WestLB und nicht zuletzt die BayernLB sind bedeutend größere
Brocken, sie werden ihren Trägern sowie der Steuer zahlenden Bevölkerung noch einige
Kopfzerbrechen bereiten.
Ihren Keim hat die von den USA ausgehende
aktuelle Finanzkrise in einer Verbriefungstechnik, die es Banken erlaubt, ihre Kredite in
„forderungsbesicherte Wertpapiere” (asset-backed security) umzuwandeln und diese dann zu
verkaufen. Die Anbieter solcher Wertpapiere brachten darin jedoch nicht nur qualitativ gute Kredite unter
sondern auch solche, bei denen die Kreditnehmer eine geringe Bonität und wenig oder gar ein
Eigenkapital besaßen (Subprime-Kredite). Zu einem guten Teil wurden sie zur Hausfinanzierung in den
USA vergeben. Da die Zinsen jedoch stiegen, waren finanzschwache Kreditnehmer irgendwann nicht mehr in der
Lage, ihre Kredite zu bedienen. Millionen solcher Immobilien kommen derzeit in den USA unter den Hammer,
das Angebot übersteigt die Nachfrage bei weitem, die Hauspreise sinken. Damit fallen die Kredite im
Wert, und das wiederum bringt Investoren, die solche Papiere kauften, in die Bredouille. Nicht nur
Hedgefonds, auch große Investmentbanken in den USA müssen deshalb Milliardenverluste abschreiben;
die Gemengelage wirkt sich auch auf die Gesamtwirtschaftslage der USA und somit auch auf die weltweiten
Finanzmärkte aus.
In Deutschland sind von den wertlos
gewordenen Wertpapieren vor allem die Landesbanken betroffen; sie wollten das große Spiel mitspielen
und vertrauten darauf, dass die aufgeblähten Renditen, die zeitweise mit diesen Wertpapieren
eingefahren werden konnten, für immer attraktiv bleiben würden. Nun, da die Blase platzte, ist
das Wehklagen groß und niemand will so recht verantwortlich für den entstandenen Schaden sein.
Zur Zeit gibt es in Deutschland zehn Landesbanken; teilweise agieren sie über die Grenzen von
Bundesländern hinweg und sind mitunter über Beteiligungen miteinander verwoben. Getragen werden
sie vom jeweiligen Bundesland zusammen mit den regionalen Sparkassen- und Giroverbänden, manchmal ist
auch eine andere Landesbank beteiligt.
Traditionell erfüllen die Landesbanken
einen öffentlichen Auftrag, indem sie die Bankgeschäfte der Bundesländer durchführen
und entweder selbst, oder mit Hilfe eigens dafür geschaffener Institute, die regionale Wirtschaft
fördern. Weiter fungieren sie als Zentralinstitut der Sparkassen der Bundesländer und regeln
nicht nur deren bargeldlosen Verkehr, sondern ermöglichen es den Sparkassen auch, ihren Kunden
Produkte und Dienstleistungen anzubieten, die eine einzelne Sparkasse aus eigener Kraft nicht stemmen
könnte. Im Gegensatz zu den Sparkassen dürfen die Landesbanken alle Bankgeschäfte betreiben.
Bis zum Jahr 2005 führten Landesbanken
und Sparkassen ein recht behütetes Dasein. Für sie galten Anstaltslast und
Gewährträgerhaftung. Anstaltslast bedeutet: Die öffentliche Hand hat dafür zu sorgen,
dass öffentlich-rechtlichen Unternehmen finanziell so ausgestattet sind, dass sie funktionsfähig
bleiben. Gewährträgerhaftung heißt: Falls ein solches Unternehmen seine Gläubiger nicht
mehr bedienen kann, kommt die öffentliche Hand dafür auf.
Dieser Umstand wurde von privaten
Bankhäusern stets beklagt, weil die öffentliche Hand damit Sparkassen und Landesbanken vor der
Insolvenz schützt in den Augen der Privaten „privilegiert” Die stetigen Klagen der
Privaten hatten schließlich Erfolg, und die Bundesregierung verständigte sich mit der EU-
Kommission darauf, Anstaltslast und Gewährträgerhaftung praktisch abzuschaffen und die
Landesbanken und Sparkassen dem neoliberalen Allheilmittel „Wettbewerb” ungeschützt
auszusetzen.
Seit dem Wegfall dieser
Absicherungsmechanismen findet eine verstärkte Umstrukturierung des Landesbankensektors statt, die
durch die aktuelle Krise noch beschleunigt wird. Sie äußert sich zunächst in einer Reihe von
Fusionen. Die kürzlich vollzogene Übernahme der zusammengebrochenen SachsenLB durch die LBBW war
wohl nur der Anfang; für die angehäuften Risiken und Verluste der SachsenLB bürgt auch nach
der Fusion noch das Land Sachsen. Ein weiterer Fusionskandidat ist die drittgrößte Landesbank,
die WestLB. Zunächst sollte sie mit der LBBW zusammengebracht werden; dies scheiterte an der
Landesregierung NRW. Dann sollte sie von der Helaba übernommen werden, dagegen opponierten die
Sparkassenverbände Hessens und Thüringens. Die WestLB war der Helaba anscheinend doch zu
angeschlagen und das, obwohl das Land Nordrhein-Westfalen und die Sparkassenverbände die
angehäuften Risiken der WestLB mit bislang 5 Milliarden Euro abschirmten.
Aus Anstaltslast und Gewährträgerhaftung resultierte bis 2005, dass die Kreditwürdigkeit
der Landesbanken als gut eingestuft wurde und ihre Refinanzierungskosten vergleichsweise gering waren. Seit
deren Wegfall müssen auch die Landesbanken höhere Zinsen zahlen und hätten eigentlich ihre
Geschäftsmodelle der neuen Lage anpassen und versuchen müssen, ihre Ertragslage zu stärken.
Dies hätte zum Beispiel durch den Aufbau einer soliden Geschäftsbasis in der jeweiligen Region
geschehen können. Hier hätten es die Landesbanken durchaus mit ihrer privaten Konkurrenz
aufnehmen können. Man beließ es jedoch bei der Zockerei mit risikobehafteten Wertpapieren.
Für den angerichteten Schaden kommt die Bevölkerung auf.
Dieser Mechanismus ist keinesfalls neu. Bei
bisherigen Krisen einzelner Landesbanken, für die keine internationalen Krisen sondern Missmanagement
und manchmal auch kriminelle Energie verantwortlich waren, wurde die anschließende
„Sanierung” stets mit öffentlichen Geldern vollzogen. Die Bankgesellschaft Berlin
jetzt Landesbank Berlin Holding ist mit ihren von der SPD-Linke-Koalition in Höhe von bis zu
21,6 Milliarden Euro abgeschirmten Risiken nur einer der spektakulärsten Fälle. Die
skandalösen Immobiliengeschäfte der Hessischen Landesbank (heute Helaba) in den 70er Jahren, oder
die hochriskanten und verlustreichen Spekulationen der WestLB in 2003 sind nur Spitzen in einer Reihe von
Landesbankkrisen, von einer Geschäftspraxis so mancher Landesbank, die besser mit Begriffen wie
„Selbstbedienung”, „Filz”, „Ämterpatronage” und
„Korruption” umschrieben wäre, ganz zu schweigen.
Das Problem nicht so sehr für
die Landesbanken, sondern eher für den Steuerzahler ist die Struktur der Banken. Es handelt
sich bei ihnen nun mal um verfilzte Gebilde, die zu einem gewissen Teil unter der Kontrolle von
Landespolitikern stehen, welche wiederum ganz eigene Interessen mit ihnen verfolgen. So war die WestLB
jahrzehntelang die ausgelagerte Kasse der nordrhein-westfälischen SPD, genauso wie die
Bankgesellschaft Berlin der früheren Großen Koalition so manchen Gefallen tat, und die SachsenLB
zum Vermögenszuwachs des Ministerpräsidenten Milbradt beitrug.
Man sollte nun nicht auf das neoliberale Gewäsch hereinfallen, der Staat sei ein schlechter Bankier
und deshalb müsse ganz schnell ganz viel privatisiert werden. Nicht der Staat fuhr die Landesbanken
immer wieder gegen die Wand, sondern Bankmanager, die vom Staat nicht ausreichend und kompetent unter
Kontrolle gehalten wurden. Die mangelnde Kontrolle der Landesbanken ist der Kern des Problems. Denn sowohl
die verfilzte Günstlingswirtschaft wie auch die hochspekulativen Geschäfte fanden unter den Augen
der jeweils im Aufsichtsrat sitzenden Politiker sowie der Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) statt, die dem Bundesfinanzministerium untersteht.
Eine vernünftige Reform des
Landesbankensystems kann also nicht allein in ihrer Konsolidierung durch Fusion und Abwälzung der
Verluste auf die Bevölkerung bestehen. Auch eine Privatisierung, wie sie die Neoliberalen seit Jahren
unabhängig von Krisen fordern, ist keine Lösung. Denn der politisch steuerbare öffentliche
Auftrag der Landesbanken ist gerade in Krisenzeiten ein wichtiges Steuerungsinstrument wenn es denn
richtig angewandt wird.
Vielmehr bedarf es des Aufbaus eines
soliden Geschäftsprofils, wozu auch eine erweiterte Förderung der regionalen Wirtschaft und die
Finanzierung sozialer Belange gehören muss. Eine verstärkte Kontrolle nicht nur durch die
verschnarchte BaFin oder überforderte Provinzpolitiker, sondern auch durch die Rechnungshöfe und
das wäre schon geradezu demokratisch durch Bürgerinnen und Bürger wäre
mehr als angebracht. Dies wiederum setzte eine verstärkte Transparenz voraus, was eigentlich nicht
zuviel verlangt wäre, sind es doch die Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahrzehnten den von
Managern und Politikern angerichteten Schlamassel ausbaden.
Entfilzung und Demokratisierung sind hier
das große Ziel. Doch seien wir nicht allzu optimistisch: Managergier und Politikerdummheit haben
bislang noch immer gesiegt.
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