SoZ - Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2008, Seite 22

Stieg Larsson: Verblendung

München: Heyne, 2007, 688 S., 9,95 Euro

von UDO BONN

Der kenntnisreiche Buchhändler wird von seiner langjährigen Kundin gefragt, ob er den neuesten Roman von Stieg Larsson schon gelesen habe. Als dieser darauf hinweist, er würde sich nicht mehr mit schwedischen Krimiautoren befassen, Mankell habe ihm gereicht, droht sie ihm ob solcher Ignoranz, sich in Zukunft bei ihm nicht mehr mit Lesestoff einzudecken. Die Folge: Er liest Larssons Roman Verblendung und ist begeistert.
Verblendung ist der erste Teil einer Trilogie um den Wirtschaftsjournalisten Mikael Blomkvist und die Ermittlerin Lisbeth Salander. Blomkvist hat gerade einen Verleumdungsprozess gegen einen einheimischen Subventionsbetrüger verloren, eine saftige Geldstrafe und ein dreimonatiger Gefängnisaufenthalt sind noch die geringsten Folgen. Seinem unabhängigen Wirtschaftsmagazin drohen ernsthafte Schwierigkeiten, renommierte Anzeigenkunden boykottieren das Blatt, das den Anspruch hat, investigativen Journalismus zu betreiben, im Gegensatz zu den restlichen Gesundbeterpostillen der schwedischen Wirtschaft.
Unerwartet wird ihm das Angebot gemacht, für den alten Industriellen Henrick Vanger, dessen Imperium einstmals in der gleichen Liga wie das der Wallenbergs spielte, eine Familienbiografie zu schreiben, die auch vor den dunklen Flecken der Vergangenheit nicht halt machen sollte. Ganz merkwürdig wird der Auftrag, als er zusätzlich noch Ermittlungen über das plötzliche Verschwinden von Vanders Lieblingsnichte Harriet anstrengen soll, immerhin liegt dies 43 Jahre zurück.
Weniger durch die außerordentlich guten Bezahlung als vielmehr durch die in Aussicht gestellte Hilfe für eine Revanche, mit der das Ansehen seiner Zeitschrift wieder hergestellt werden kann, angelockt, stimmt Blomkvist zu, für ein Jahr in die vom Vanger‘schen Familienclan bewohnte Ortschaft zu ziehen. Hilfe erhält er von Lisbeth Salander, die weder in sein Bild einer erfolgreichen Detektivin passt, noch in die bürgerliche Gesellschaft an sich: Nur knapp der Psychiatrie entronnen, wortkarg, misstrauisch, dünn, erzeugt sie zunächst Misstrauen und scheint das gewordene Opfer zu zu sein. Welch ein Irrtum.
Stieg Larsson, ehemals Mitglied der IV.Internationale, Herausgeber des Antifa-Magazins Expo, hat sich viel vorgenommen in seinem Roman: Abrechnung mit einer fiktiven Familiendynastie, deren Mitglieder zum Teil in der schwedischen Nazibewegung aktiv waren, mit Herrenvolkhybris, Männlichkeitswahn, Frauenverachtung und internationaler Wirtschaftskriminalität. Der Versuch ist gelungen.
Verblendung wird derzeit für das Kino verfilmt, die beiden folgenden Bände sollen danach als Mehrteiler für das Fernsehen produziert werden.


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