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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Mai 2008, Seite 22

Elmar Altvater/Birgit Mahnkopf: Konkurrenz für das Empire

Münster: Westfälisches Dampfboot, 2007, 304 S., 24,90 Euro

von GERHARD KLAS


Der „European Way of Life” verbindet im Unterschied zum „American Way of Life” die Prinzipien von Wettbewerb und Freihandel mit Solidarität und sozialem Schutz vor der Globalisierung. So lautet der Standardspruch vieler EU-Politiker und ihrer Multiplikatoren in den Medien. In der kompakten Analyse von Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf bleibt von dieser Version allerdings nicht mehr viel übrig: Die EU und ihre großen Nationalstaaten seien zwar aktive Gestalter der Globalisierung, diese wirkt sich nach innen und außen aber verheerend aus.
Die Lohnquote (der Anteil der Löhne am Volkseinkommen) ist überall in der EU in den vergangenen Jahren gesunken, soziale Errungenschaften wurden im Namen der Konkurrenz, der sog. Eigenverantwortung, und der Privatisierung abgebaut. Die aggressive Handelspolitik der Europäischen Kommission, die von den Lobbyorganisationen der großen Konzerne bestimmt wird, ruiniert die Wirtschaft vieler so genannter Entwicklungsländer. Altvater und Mahnkopf belegen dies mit zahlreichen Zahlen, Fakten und Beispielen.
Die beiden Autoren klagen aber nicht nur den Kapitalismus neoliberaler Prägung an, sondern beschäftigen sich auch mit dessen Krise. Diese hat eine innere und eine äußere Dimension: Die innere Krise manifestiert sich u.a. in der Ablehnung des Verfassungsvertrags in Frankreich und den Niederlanden, denn die Mehrheit der Bürger in Europa schätzt nach wie vor die Solidar- und Sozialsysteme und will sie nicht den neoliberalen Leitlinien der EU-Verträge opfern.
Die äußere Dimension der Krise hängt mit der Abhängigkeit des kapitalistischen Entwicklungsmodells von fossilen Energieträgern zusammen. Aber diese Ressourcen — das hat Elmar Altvater schon in seiner letzten Buchveröffentlichung dargelegt — sind endlich und unterliegen einer Konkurrenz, die auch militärisch ausgefochten wird, wenn die Handelspolitik versagt.
Als Konfliktherd der näheren Zukunft machen die Autoren bspw. die Ölvorkommen in Zentralasien aus, die sowohl die USA und die EU, aber auch China, Indien und Russland ausbeuten wollen. Alle diese Staaten haben in den vergangenen Jahren ihre Ausgaben für Rüstung drastisch erhöht; die militärische Sicherung der Ölressourcen ist längst offizieller Bestandteil der Sicherheitsstrategien in der EU und den USA.
Die Lektüre des Buches beunruhigt. Aber Altvater und Mahnkopf wollen ihre Leserschaft nicht ohnmächtig den Verhältnissen überlassen. Sie gehören zu der Minderheit von Wissenschaftlern in Deutschland, die ihre Kapazitäten gesellschaftskritischen Bewegungen wie dem Netzwerk Attac zur Verfügung stellen.
Ihr Buch fordert denn auch zur radikalen Kehrtwende auf. Eine Kehrtwende, die nach Ansicht der Autoren nicht bei der sozialdemokratischen Politik der 70er Jahre in Westeuropa stehen bleiben soll, die ja wie der Neoliberalismus permanentes Wirtschaftswachstum und Überschussproduktion anstrebte. Damit müsse die Politik angesichts der Endlichkeit der Ressourcen und des Klimawandels brechen. Ein radikaler Wandel hin zu einem starken öffentlichen Sektor, zur dezentralen Versorgung mit Solarenergie, einer Neuordnung der Arbeitswelt, biologischer und regionaler Landwirtschaft müsse jetzt bewerkstelligt werden. Wie das in der globalisierten Welt erreicht werden soll, lassen die Autoren allerdings weitgehend offen.
Zwar fällt das Kapitel über die Alternativen zur bestehenden EU eher dünn aus, doch hebt es sich wohltuend von der im deutschsprachigen Raum zumeist apologetischen Literatur zur Europäischen Union ab. Die Autoren beten nicht die soziale und entwicklungspolitische Rhetorik der offiziellen Politik nach, sondern betreiben eine nüchterne Analyse der ökonomischen Verhältnisse und liefern damit wichtige Argumente für die Kritik an der Europäischen Union.


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