SoZ - Sozialistische Zeitung |
Der „European Way of
Life” verbindet im Unterschied zum „American Way of Life” die Prinzipien von Wettbewerb und Freihandel mit
Solidarität und sozialem Schutz vor der Globalisierung. So lautet der Standardspruch vieler EU-Politiker und ihrer
Multiplikatoren in den Medien. In der kompakten Analyse von Elmar Altvater und Birgit Mahnkopf bleibt von dieser Version
allerdings nicht mehr viel übrig: Die EU und ihre großen Nationalstaaten seien zwar aktive Gestalter der
Globalisierung, diese wirkt sich nach innen und außen aber verheerend aus.
Die Lohnquote (der Anteil der Löhne am Volkseinkommen) ist
überall in der EU in den vergangenen Jahren gesunken, soziale Errungenschaften wurden im Namen der Konkurrenz, der sog.
Eigenverantwortung, und der Privatisierung abgebaut. Die aggressive Handelspolitik der Europäischen Kommission, die von den
Lobbyorganisationen der großen Konzerne bestimmt wird, ruiniert die Wirtschaft vieler so genannter Entwicklungsländer.
Altvater und Mahnkopf belegen dies mit zahlreichen Zahlen, Fakten und Beispielen.
Die beiden Autoren klagen aber nicht nur den Kapitalismus
neoliberaler Prägung an, sondern beschäftigen sich auch mit dessen Krise. Diese hat eine innere und eine
äußere Dimension: Die innere Krise manifestiert sich u.a. in der Ablehnung des Verfassungsvertrags in Frankreich und
den Niederlanden, denn die Mehrheit der Bürger in Europa schätzt nach wie vor die Solidar- und Sozialsysteme und will
sie nicht den neoliberalen Leitlinien der EU-Verträge opfern.
Die äußere Dimension der Krise hängt mit der
Abhängigkeit des kapitalistischen Entwicklungsmodells von fossilen Energieträgern zusammen. Aber diese Ressourcen
das hat Elmar Altvater schon in seiner letzten Buchveröffentlichung dargelegt sind endlich und unterliegen
einer Konkurrenz, die auch militärisch ausgefochten wird, wenn die Handelspolitik versagt.
Als Konfliktherd der näheren Zukunft machen die Autoren
bspw. die Ölvorkommen in Zentralasien aus, die sowohl die USA und die EU, aber auch China, Indien und Russland ausbeuten
wollen. Alle diese Staaten haben in den vergangenen Jahren ihre Ausgaben für Rüstung drastisch erhöht; die
militärische Sicherung der Ölressourcen ist längst offizieller Bestandteil der Sicherheitsstrategien in der EU
und den USA.
Die Lektüre des Buches beunruhigt. Aber Altvater und
Mahnkopf wollen ihre Leserschaft nicht ohnmächtig den Verhältnissen überlassen. Sie gehören zu der
Minderheit von Wissenschaftlern in Deutschland, die ihre Kapazitäten gesellschaftskritischen Bewegungen wie dem Netzwerk
Attac zur Verfügung stellen.
Ihr Buch fordert denn auch zur radikalen Kehrtwende auf. Eine
Kehrtwende, die nach Ansicht der Autoren nicht bei der sozialdemokratischen Politik der 70er Jahre in Westeuropa stehen bleiben
soll, die ja wie der Neoliberalismus permanentes Wirtschaftswachstum und Überschussproduktion anstrebte. Damit müsse
die Politik angesichts der Endlichkeit der Ressourcen und des Klimawandels brechen. Ein radikaler Wandel hin zu einem starken
öffentlichen Sektor, zur dezentralen Versorgung mit Solarenergie, einer Neuordnung der Arbeitswelt, biologischer und
regionaler Landwirtschaft müsse jetzt bewerkstelligt werden. Wie das in der globalisierten Welt erreicht werden soll,
lassen die Autoren allerdings weitgehend offen.
Zwar fällt das Kapitel über die Alternativen zur
bestehenden EU eher dünn aus, doch hebt es sich wohltuend von der im deutschsprachigen Raum zumeist apologetischen
Literatur zur Europäischen Union ab. Die Autoren beten nicht die soziale und entwicklungspolitische Rhetorik der
offiziellen Politik nach, sondern betreiben eine nüchterne Analyse der ökonomischen Verhältnisse und liefern
damit wichtige Argumente für die Kritik an der Europäischen Union.
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